Sabine Lemire: "Mira - #freunde #papa #wasfüreinsommer"
Mit Illustrationen von Rasmus Bregnhøi
Aus dem Dänischen von Franziska Gehm
Klett Kinderbuch, Leipzig 2019
104 Seiten, 15 Euro
Bullerbü war gestern
05:46 Minuten
Mira lebt mit ihrer Mutter allein. Dazu kommen Oma, die wechselnden Freunde ihrer Mama und der Vater mit seiner eigenen Familie. Vom Leben in einer modernen Patchworkfamilie erzählt Sabine Lemire als Comic, in einer Art Tagebuch der zehnjährigen Mira.
Eigentlich ist alles ganz gut im Leben von Mira: Die Zehnjährige lebt mit ihrer Mutter, einer quirligen, lebensfrohen Werbetexterin, allein zusammen. Die beiden verstehen sich prächtig. Schließlich gibt es auch Oma, die immer Zeit hat, gerne Kuchen backt und der Enkelin zuhört, wenn Miras Mutter im Arbeitsstress unterzugehen droht.
Auch die wechselnden Männerfreundschaften der Mutter stören das Zusammensein nicht. Im Gegenteil: Mira freut sich vorbehaltlos, dass ihre Mutter Spaß hat, und ist überraschenderweise wenig eifersüchtig. Dabei hilft auch, dass die Männer nie wirklich lange bleiben.
Bei Joakim sieht das aber anders aus: Er scheint der richtige Mann zu sein – für Mutter wie Tochter. Denn Mira sehnt sich nach einem Vater. Den eigenen kennt sie nicht. Mehr noch: Er weiß gar nicht, dass es seine Tochter überhaupt gibt!
Mira trifft auf ihre Großfamilie
Willkommen in der modernen Welt: Mama, Papa, Kind – das war gestern. Familienleben sieht heute einfach oftmals anders aus. Und genau davon erzählt "Mira": unaufgeregt, wahnsinnig komisch und erfrischend ehrlich. Bullerbü war gestern, "Mira" ist heute. Allein dafür liebt man diese Geschichte.
In einer Art Tagebuch nimmt Mira die Leser mit in ihre Welt, erzählt von ihren Wünschen, Nöten und Sorgen, von ihren Freundinnen, aus der Schule und davon, wie schräg schön es ist, einerseits mit dem Lebensgefährten der Mutter zusammenzuziehen (auf einem Hausboot) und anderseits schließlich doch den Erzeuger kennenzulernen. Björn ist Architekt, hat Frau und Familie und nimmt Mira sehr herzlich bei sich auf: Nach ersten Treffen verreisen sie zusammen. Und plötzlich gibt es neben Mama und Oma auch noch Joakim, Papa, Sanne und den kleinen Stiefbruder Brudi.
Das birgt natürlich viel Potenzial, und genau aus dem schöpft die Autorin Sabine Lemire meisterlich: Geht es im Vordergrund um Neuanfänge und Freundschaft, werden hintergründig auch Sehnsüchte und Ängste besprochen - vermengt mit allerlei Situationskomik.
Denn während Mira ihren Vater besser kennenlernt, muss ihre Mutter plötzlich damit umgehen, dass auch er Ansprüche auf seine Tochter erhebt, mehr Zeit mit ihr verbringen will. Brudi muss den Vater teilen, der ja vorher nur für ihn da war. Und Mira selbst lernt, was es heißt, eine große Schwester zu sein.
Kurze Texte, großartige Illustrationen
Eingewebt ist all das in den ganz normalen Alltag. Schule findet weiter statt, eine neue Freundin sorgt für Wirbel, die Tatsache, dass Mira noch nicht schwimmen kann, spielt eine Rolle, und Pilou, der Hase, muss auch weiter versorgt werden und, und, und… Sabine Lemire hat das Lebensgefühl junger Mädchen an der Grenze zur Pubertät perfekt eingefangen.
Erzählt wird das alles in Comicform, mit kurzen Texten und Tagebucheinträgen, unterteilt in kurze Kapitel, die dann Überschriften tragen wie "Der Umzug", "Papa", "Auf der Fähre". Nie sind sie länger als drei Doppelseiten, oft nur eine. Dazu kommen die großartig-frechen Illustrationen von Rasmus Bregnhøi. Seine sehr einfach gezeichneten Figuren machen das Buch unverwechselbar: große Köpfe, kleine Körper und dazu die kullerrunden Augen – perfekt.
Nichts Überflüssiges ist hier zu finden - und doch ist alles da. Jeder Gesichtsausdruck, jede Stimmung, jede Körperhaltung. Vor dem buntgemalten Hintergrund ergeben sie ein großes Ganzes, tragen die Geschichte weiter. Eine tolle Zusammenarbeit, von der man nicht weiß, was war zuerst da: die Bilder oder die Texte.
Lässt sich nur hoffen, dass den zwei Bänden, die bisher erschienen sind, bald ein dritter folgt. Denn so wie "Lotta Leben" oder "Gregs Tagebuch" hat auch "Mira" das Potenzial und die Ausstrahlungskraft, ein echter Kinderzimmerklassiker zu werden.