Bernhard Bueb: Die Macht der Ehrlichen. Eine Provokation
Ullstein Verlag, Berlin 2013
160 Seiten, 18 Euro
Alles beim Alten
Als Leiter des Internats Schloss Salem hat Bernhard Bueb seine Schüler wöchentlich zu Drogen-Kontrollen gedrängt und Disziplin zum obersten Prinzip erklärt. Auch in seinem neuen Buch preist er feste Regeln und eine traditionelle Erziehung.
Nach seiner Streitschrift "Lob der Disziplin“ legt Bernhard Bueb nun "Die Macht der Ehrlichen“ nach. Philosophische Ausführungen, Anekdoten aus seinem einstigen Schulalltag und persönliche Kommentare zu Zeitgeist und Weltlage vermengt der ehemalige Leiter des Internats Schloss Salem zu einem Potpourri - ja, wovon eigentlich?
Dabei hat das Buch hat durchaus seine sympathischen Seiten. In erfrischender Offenheit gesteht der Autor, sich durch seine gesamte Schulzeit gemogelt zu haben. In einem leidlich differenzierten Kapitel über den Unterschied zwischen Wahrheit und Wahrhaftigkeit verteidigt er Lehrerinnen, die sich Vorschriften widersetzen, um Schülerinnen und Schüler in eine Gymnasialempfehlung zu hieven oder vor drangsalierenden Eltern zu schützen. Und wenn Bernhard Bueb die Scheinobjektivität der schulischen Notengebung kritisiert, Grundwerte der Aufklärung preist und für einen ganzheitlichen Bildungsbegriff plädiert, schimmert sogar ein Rest des früheren Reformpädagogen auf.
Doch die hellen Momente des Buches versacken in einer schwer verdaulichen Suada des autoritären Denkens und der Gestrigkeit. Den Spuren von "Lob der Disziplin“ folgend preist der Autor seine Salem-Erziehungsmethoden - wöchentliche Urin-Proben zur Drogenkontrolle und das ständige Bedrängen der Schüler, die von oben dekretierten Normen zu internalisieren und sich einem quasi-militaristischen Ehrenkodex der unbedingten Regelkonformität zu unterwerfen.
Disziplin als alleinseligmachendes Prinzip
Im Blick zurück in die mythischen guten alten Zeiten - man mag gar nicht darüber nachdenken, wann die gewesen sein sollen - beklagt er den Verlust des "ehrlichen Kaufmanns“, prangert bösen Zeitgeist an und lässt endlose Allgemeinplätze durch seine Schrift wabern. Da gibt es verlogene, aber auch ehrliche Politiker, und jedermann sollte aufrichtig sein zu sich selbst. Da haben Medien viel Gutes, verursachen aber auch Probleme, die Schule ist ein Abbild der Gesellschaft, Sokrates und die Geschwister Scholl gaben ihr Leben für die gute Sache, den Juden tut ihr Brauchtum gut - und gelogen wird nicht nur im Bankensektor, sondern auch im Versicherungswesen.
In seinem vorigen Buch kürte Bernhard Bueb die Disziplin zum alleinseligmachenden Prinzip, nun soll es also der Wille zur Ehrlichkeit sein. Der gehöre "zur menschlichen Natur wie der Macht- oder der Sexualtrieb“, schreibt der Autor, ein Geschichtsbild offenbarend, das, mit Wohlwollen betrachtet, in den 1950er-Jahren stecken geblieben ist: "Die Kraft, die ein Leben aus der Tradition verleiht, scheint zu verschwinden“, "Die Erinnerung an das Verhalten der Väter begleitet den Alltag der moralischen Menschen“, "Wir vertrauen nicht mehr auf die inspirierende Kraft der Geschichte“.
Im Nachwort erklärt Bernhard Bueb, lange um dieses Buch gerungen zu haben. Erstaunlich, denn es wirkt, als hätte er drauflos geschrieben - mal sehen, wie weit die ahistorische, arrogant-elitäre und redselig nach öffentlicher Aufmerksamkeit schielende Haltung so trägt. Naivität und Stammtisch werden den Ertrag zu schätzen wissen.