Dennis Gastmann: Geschlossene Gesellschaft. Ein Reichtumsbericht
Rowohlt, Berlin 2014
304 Seiten, 19,95 Euro
Auf der Spur des Geldes
Für sein neues Buch war der Reporter Dennis Gastmann dort, wo sich die Schönen und Reichen die Zeit vertreiben. Er gibt Einblick in das Innenleben eines verschlossenen Panoptikums - und fördert Erstaunliches zutage.
Was isst der Trigema-Chef Wolfgang Grupp zum Abendessen? Wie heißt der Hund des Sportstudio-Magnaten Werner Kieser? Wovon lebt der Playboy-Methusalem Ralf Eden? All das sind Geheimnisse, die Dennis Gastmann der geschlossenen Gesellschaft der Reichen und Schönen entlocken konnte. Witzige, unnütze, abstoßende und skurrile Mysterien. Der Autor hat sie in den Hotellobbys in Monte Carlo und auf Yachtdecks in Nizza gesammelt, im feinen Sand arabischer Ölstaaten und in der scharfen Rechtskurve bei 140 Stundenkilometern auf der legendären Bobbahn von St. Moritz.
Das Buch "Geschlossene Gesellschaft. Ein Reichtumsbericht" ähnelt einer Ausgabe der RTL-Promisendung "Exclusiv", allerdings produziert von Roger Willemsen für NTV. Mit der stoischen Inbrunst eines Homer beschreibt Dennis Gastmann, ähnlich dem antiken Schiffskatalog der Troja-Eroberer, die aufgetakelten Fregatten und Schlachtschiffe des Geld-Olymps. Dennis Gastmann geht nah ran. Er passt sich an, kolportiert Familienlegenden und Finanzpresse, klatscht ab, beobachtet und fragt. Wie Dennis Gastmann schreibt – alte Schule. Was er schreibt – großes Kino.
"Ein Adliger, dem man die Erbkrankheiten seiner Ahnen und Vorväter deutlich ansieht, schaufelt sich Trüffelravioli mit Champagnersoße auf den Teller."
"Im Hauptsalon vermischen sich Silber- und Goldtöne mit Perlmutt, Mahagoni und Elfenbein."
"Gibt er den Obdachlosen in der U-Bahn ab und zu Geld? 'Ich fahr nicht U-Bahn. Ich sehe die Typen nicht.'"
Wie jedes sozialkritische Buch über das große Geld ist auch Dennis Gastmanns "Geschlossene Gesellschaft" eine Anklageschrift. Ob Steuerschlupflöcher oder rechtlose asiatische Sklaven an den Olympia-Baustellen in Katar.
Sammelsurium an scharfsinnigen Beobachtungen
"Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen wollen, dass Geld den Charakter verdirbt. Reiche Menschen betrügen angeblich öfter als Arme und nehmen den anderen häufiger die Vorfahrt."
Meist ist sein Sammelsurium an scharfsinnigen Beobachtungen spritzig wie der Modedrink Hugo auf Veuve-Clicquot-Basis. Der bekanntlich lustig macht und einen Sprachkünstler wie Dennis Gastmann zu heiteren Albernheiten verleitet wie etwa: "Lulatsch im lilafarbenen Pulli" oder"Fettes Frettchen, das fast aus seinem petrolfarbenem Polohemd platzt".
Bei all der lautmalerischen Jux und Tollerei bleibt Dennis Gastmanns Ausflug in die Welt der oberen paar Tausend eine Stippvisite. Eine Sightseeing-Tour zu den allgemein bekannten gut erreichbaren Sehenswürdigkeiten. Kein Donald Trump, kein Bill Gates, kein einigermaßen gut betuchter Scheich gewähren Dennis Gastmann eine Audienz. Dafür der schwäbelnde Schrauben-Mogul Würth, ein dubioser Pakistani, der in der Ukraine mit Stahlgeschäften reich wurde und nun bar jeder Vernunft und des Geschmacks lebt. Und Baronin von Brandstätter, aber diese Jetset-Antiquität gehört ja zum Inventar.
Die publicityaffinen Millionäre inszenieren sich als Bonvivants oder Fleißarbeiter. Die, die sich vor der Hochglanz-Öffentlichkeit verstecken, bleiben jedoch auch diesmal unentdeckt. All die Benkos, Berggruens und Huths, die Reemtsmas, Fielmanns, Bauers – die Menschen hinter dem real arbeitenden Geld, sie scheinen selbst innerhalb der geschlossenen Gesellschaft einen abgetrennten Bereich zu besiedeln.
Die Schlüsse sind vorhersehbar
Und so bleibt Dennis Gastmanns Buch eine Lektüre über alte Bekannte des Geldbetriebs und die üblichen Schickeria-Verdächtigen. Ähnlich vorhersehbar die Schlüsse, die Dennis Gastmann aus den Begegnungen zieht:
"Herkunft verpflichtet, manchmal versklavt sie auch."
"Wer auf alles verzichten kann, ist reich."
"Manche haben Geldsorgen, andere sind Schweizer."
"Wo Familie ist, da ist Reichtum."
Immer wieder ist Dennis Gastmann von seinen schillernden Protagonisten fasziniert, verzaubert. Vielleicht lösen der Kaviargeschmack und die Champagnerbläschen die Bilder aus. Jedenfalls verfällt der Autor immer wieder in einen seltsamen Hypnosezustand und sieht Fische. Im Zwielicht der Kronleuchter und Edelsteine verwandeln sich Erbinnen und Großindustrielle, Glücksritter und Diven, Investoren und Tiffany-Schmuck-Anlegerinnen in Meeresbewohner. Keine Kapitalisten-Haie, sondern Seesternchen und Goldbrassen, Marmormuränen und tolle Hechte.
Sie umschwirren den Autor, locken ihn an und huschen ruckartig davon, sobald er zu nah kommt. So ergeht es Abenteuerurlaubern, die die Meereswelt durch eine Schnorchelmaske erkunden. Die bunten Gestalten ziehen vorbei, graziös, gefährlich oder gelangweilt. Zum Greifen nah und doch unbegreiflich.
Im Anschluss an die Rezension haben wir in der "Lesart" mit dem Autor Dennis Gastmann gesprochen.