Sachbuch

Besessen von der Leistungselite

Von Susanne Billig |
In ihrem neuen Buch schreibt "Tigermutter" Amy Chua mal wieder über die Geheimnisse des Erfolgs. Zusammen mit dem Jura-Professor Jed Rubenfeld sieht sie vor allem kulturelle Minderheiten in der Poleposition. Der Druck, der auf ihnen laste, treibe sie zu Höchstleistungen.
Warum erhalten die Kinder chinesischer Einwanderer die besten Schulnoten? Warum finden sich so viele Juden unter den Nobelpreisträgern? Und warum verdienen Mormonen mehr Geld als andere Bürger der USA? In ihrem Buch "The Triple Package" - auf Deutsch etwas unglücklich "Alle Menschen sind gleich - erfolgreiche nicht" betitelt - verkünden die berühmte "Tigermutter" Amy Chua und ihr Ehemann Jed Rubenfeld eine allzu griffige Formel, wonach drei Zutaten über Erfolg oder Misserfolg kultureller Minderheiten entscheiden.
Da ist zunächst der Überlegenheitskomplex, erklären die beiden Jura-Professoren: Erfolgreiche Minderheiten fühlten sich religiös auserwählt, wie Juden oder Mormonen, oder seien überzeugt von der Glorie ihres Volkes, wie Chinesen oder Perser. Gleichzeitig sind sie durch Diskriminierung verunsichert und möchten sich besonders beweisen. Und drittens beherrschen sie Impulskontrolle: Die Kinder erfolgreicher Minderheiten pauken sich durch eine harte Schulzeit und ihre Eltern schuften von früh bis spät, um der Familie den sozialen Aufstieg zu sichern.
Ist diese These rassistisch, wie Kritiker in den USA den Autoren vorwerfen, weil sie viele Afro-Amerikaner und Menschen aus der weißen Unterschicht als antriebslose Versager dastehen lassen? Immer wieder bemühen sich Amy Chua und Jed Rubenfeld, diesen Eindruck zu zerstreuen. Zum einen lassen sie die Zahlen für sich sprechen - und dass es auffallend viele jüdische Nobelpreisträger gibt und die Kinder chinesischer Einwanderer in der Schule überdurchschnittlich gut abschneiden, lässt sich danach kaum bestreiten. Zum zweiten betonen sie mehrfach im Buch, lediglich über kulturelle Trends zu sprechen - individuelle Lebenswege könnten ganz anders verlaufen. Auch die Jahrhunderte währende Unterdrückungsgeschichte der Schwarzen in den USA ist dem Ehepaar wohl bekannt.
Schon jetzt in den Bestsellerlisten
Aber je mehr Amy Chua und Jed Rubenfeld ihre Lauterkeit beteuern, umso auffälliger wird das erregte Tremolo ihrer Argumentation, wenn sie die irrwitzigen Jahreseinkommen von Hedgefonds-Managern preisen und sich an vierjährigen Geigen-Virtuosen ergötzen. Bald fällt auch der Tunnelblick unangenehm auf, mit dem die Autoren immer wieder auf ihre Dreier-Formel pochen, als gäbe es keine anderen Gesellschaftsanalysen in der soziologischen Forschung. Völlig außer Acht lassen sie, dass Erfolgsdruck nicht als Naturereignis vom Himmel fällt, sondern etwas zu tun hat mit der immer gigantischer klaffenden Schere zwischen Reich und Arm in den USA, wo es für die letzten Reste der Mittelschicht nur die Alternative gibt zwischen einem Aufstieg nach oben oder dem Absturz ins Prekariat.
Doch Amy Chuas Erfolgsrezept - eine schmissige Parole mit provokantem Unterton, stilistisch flott verpackt - haben das Buch schon jetzt in die Bestsellerlisten katapultiert, wobei den Autoren, selbst den von ihnen beschriebenen Minderheiten zugehörig, eines zugutegehalten sei: Nicht Einwanderer und Minderheiten trifft die Schuld daran, wenn sie sich ihren Weg in die gesellschaftliche Anerkennung durch ein Dickicht von Vorurteilen bahnen müssen. Somit demonstriert das Buch ein zwar janusköpfiges, aber auch verständliches Begehren.

Amy Chua und Jed Rubenfeld: Alle Menschen sind gleich - erfolgreiche nicht. Die verblüffenden kulturellen Ursachen von Erfolg
Übersetzt von Ulrike Bischoff
Campus-Verlag, 2014
256 Seiten, 19,99 Euro