Sachbuch Biologie

Beziehungsarbeit von Pflanzen und Tieren

Eine Hummel fliegt auf eine Blume zu
Eine Hummel fliegt auf eine Blume zu © dpa/picture alliance/Ralf Hirschberger
Von Michael Lange |
Wie war das noch mit den Bienchen und Blümchen? Wie funktioniert das Wechselspiel zwischen Pflanzen und Tieren? In seinem Buch "Der Fisch, der lieber eine Alge" wäre, erklärt Ewald Weber, "wer mit wem und warum" eine Beziehung eingeht.
Wer den Sex des Menschen mit Bienen und Blumen erklärt, ist didaktisch auf dem Holzweg. Denn der Geschlechtsverkehr zwischen Frau und Mann ist biologisch gesehen vergleichsweise simpel. Das Wechselspiel von Insekten mit Blütenpflanzen auf einer Wiese hingegen ist extrem kompliziert und geprägt von Wechselwirkungen und Abhängigkeiten.
Mit der Sorgfalt eines Wissenschaftlers und der Begeisterung eines Naturfreundes beschreibt der Biologieprofessor Ewald Weber unzählige Beziehungen zwischen Tieren und Pflanzen. Um ihre Pollen zu verbreiten, versuchen die Pflanzen, den Bedürfnissen ihrer Bestäuber entgegen zu kommen. Dabei reicht es nicht, etwas Nektar anzubieten, bunt zu leuchten oder Duftstoffe zu verbreiten. Vielmehr muss die Blüte so gestaltet sein, dass nur ganz bestimmte Insekten sie besuchen. Schließlich müssen die Tiere den Pollen anschließend zu Blüten der gleichen Art bringen. Würden sie stattdessen andere Blüten besuchen, würde die Befruchtung fehlschlagen und der Aufwand wäre vergeblich. Ein Beispiel ist der Stern von Madagaskar: Der Nektar dieser Pflanze ist so tief in der Blüte verborgen, dass nur Schmetterlinge mit einem extrem langen Rüssel an ihn gelangen können.
Miteinander ist wie Gegeneinander
Mindestens so vielfältig wie das Miteinander von Tieren und Pflanzen ist jedoch das Gegeneinander. So produzieren Kohlpflanzen hoch giftige Senföle gegen Schädlinge. Die meisten Insekten machen deshalb um diese Pflanzen einen großen Bogen. Einige jedoch wie der Kohlweißling schreckt das nicht. Sie nehmen das Gift auf, lagern es in ihren Körperzellen ein, und werden selbst ungenießbar. Pflanzen wiederum verbünden sich mit Ameisen gegen ihre Feinde oder locken mit Botenstoffen Parasiten an, die ihre Fressfeinde befallen.
Die Natur ist voll von derartigen Beziehungen. Sie sind ein Grund für die Artenvielfalt auf der Erde. Gleichzeitig stellt das Miteinander der Arten ein Risiko dar. Wenn eine Blütenpflanze nur von einer Schmetterlingsart besucht und bestäubt wird, ist sie von ihr abhängig. Sinkt die Zahl der Schmetterlinge aus irgendeinem Grund, so ist die Blütenpflanze bedroht. Das gilt auch umgekehrt. Ohne die Blütenpflanze kann der Schmetterling nicht überleben. Das Verschwinden einer einzelnen Art, verändert so das ökologische Gefüge und kann andere Arten mit in den Untergang ziehen.
Ewald Weber beschreibt das "wer mit wem und warum" an der Schnittstelle Tier-Pflanze äußerst präzise und informativ. Zwar beschwört er immer wieder die Wunder der Biologie, bleibt aber in der Sprache äußerst sachlich. Für ihn steckt der Zauber der Natur nicht in der Romantik des Naturerlebnisses, sondern in den Netzwerken der Ökologie.

Ewald Weber: Der Fisch, der lieber eine Alge wäre –
Das erstaunliche Zusammenleben von Tieren und Pflanzen.

C.H. Beck, München 2015
245 Seiten, 19,95 Euro

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