Nicholas Kulish, Souad Mekhennet: "Dr. Tod: Die lange Suche nach dem meistgesuchten NS-Verbrecher"
Aus dem Englischen übersetzt von Rita Seuß
C.H. Beck Verlag, München, 2015
352 Seiten, 24,95 Euro
Die Jagd nach SS-Arzt Aribert Heim
Der Österreicher Aribert Heim war ein angesehener Gynäkologe. Im KZ Mauthausen in Österreich quälte und ermordete er jedoch Häftlinge. Nach dem Krieg baute er sich eine neue Existenz auf, auch Dank zahlreicher Helfer. "Dr. Tod" erzählt die Suche nach dem Mörder.
Souad Mekhennet und Nicholas Kulish berichten von ihrer aufwändigen Recherche nach dem SS-Arzt Aribert Heim. Mindestens so abenteuerlich wie diese Suche ist jedoch die Lebensgeschichte dieses Mannes, der "Dr. Tod" genannt wurde.
Der österreichische Gynäkologe hatte einen guten Ruf unter Freunden und Kollegen. Doch als SS-Arzt im Konzentrationslager Mauthausen ermordete er Häftlinge, anstatt sie zu heilen. Schwache tötete er mit Injektionen, Gesunde operierte er ohne medizinische Gründe, enthauptete Leichen, um sich Totenköpfe auf den Schreibtisch zu stellen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben seine Verbrechen als SS-Arzt b in Deutschland ungeahndet, obwohl in Österreich ein ehemaliger politischer Gefangener erste Hinweise auf die Verbrechen im Krankenrevier gab. Wie konnte Aribert Heim unbehelligt in Baden-Baden leben und sich dort eine unscheinbare bürgerliche Existenz aufbauen?
Erst als ihm Jahre später die Ermittler der Ludwigsburger Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen auf die Spur kamen, tauchte er unter. Später flüchtete er nach Marokko und Ägypten. In Kairo lebte Aribert Heim als Tarek Hussein Farid, konvertierte zum Islam und wurde Teilhaber eines Hotels, wo er 1992 unbehelligt starb.
Eine Suche von Rückschlägen und Erfolgen
In der Lesart erzählen Souad Mekhennet (ZDF, Washington Post) und Nicholas Kulish (New York Times) von ihrer Recherche, die nach einem einzigen vagen Hinweis begann: Der frühere SS-Arzt habe in Kairo in einem Hotel gelebt. Mit nichts als einem Schwarzweiß-Foto ausgestattet machte Souad Mekhennet sich auf den Weg. Von ihrer schwierigen Suche, von den Rückschlägen und Erfolgen berichtet sie ebenso wie von den Interviews, die sie gemeinsam mit Nicholas Kulish führte.
Sie erklären, wer dem SS-Verbrecher beim Untertauchen half: Wer ihm Geld schickte, wer ihm neue Papiere verschaffte. Und die Autoren erläutern, wer und was die früheren Ermittlungen der Strafverfolger behinderte: mal das politische und administrative Desinteresse, mal die Falschaussagen oder Indiskretionen von Verwandten und "alten Kameraden". Und immer wieder konnten sich wichtige Zeugen nicht mehr erinnern, oder waren bereits gestorben, als es galt, Beschuldigte zu identifizieren und Täter zuzuordnen.