Sachbuch-Empfehlungen 2018

Lesend die Welt verstehen

Ein Junge in grauer Weste und pinkem Hemd hält mit großen Augen und offenem Mund ein aufgeschlagenes Buch in Händen.
Sorgt für das eine oder andere Aha-Erlebnis: Lesen. © unsplash.com/Ben White
Von W. Porombka, R. Aguigah, F. F. Weyh, S. Kupferberg und C. Rabhansl |
Wovon träumen geflüchtete Kinder? Wie überwacht China seine Bürger? Was passierte während des NSU-Prozesses? Unser Lesart-Team stellt die spannendsten Sachbücher vor und erklärt, warum genau diese Bücher sich in unser Herz und Hirn eingegraben haben.
Cover von Juan Pablo Villalobos Buch "Ich hatte einen Traum. Jugendliche Grenzgänger in Amerika". Im Hintergrund ist ein Foto zu sehen, das geflüchtete Kinder in einem wasserüberfluteten Notunterkunft in Mexiko zeigt. 
Ein Buch, das die ganz großen Fragen stellt, findet Wiebke Porombka.© dpa / picture-alliance / Berenberg Verlag

Das Sachbuch des Jahres 2018 von Wiebke Porombka:

"Ich hatte einen Traum. Jugendliche Grenzgänger in Amerika"
Von Juan Pablo Villalobos
96 Seiten, 22 Euro, Berenberg Verlag

Wiebke Porombka meint: "In ’Ich hatte einen Traum’ lässt Juan Pablo Villabobos diejenigen zu Wort kommen, die sonst oft überhört werden: Kinder und Jugendliche, die allein von Mittelamerika in die USA geflüchtet sind, weil das Leben in ihren Heimatländern durch Gewalt und Armut keine Perspektive mehr hat. Ein Buch, das für die gesellschaftspolitischen Verheerungen unserer Zeit nicht nur in Amerika sensibilisiert und das die ganz großen Fragen stellt, ohne sie aussprechen zu wollen: Was verstehen wir unter Demokratie, Moral und Menschlichkeit?"
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Buchcover Max Czollek: Desintegriert euch! Im Hintergrund eine Fußgängerzone
"Ein historisch informiertes, argumentativ scharfes, politisch produktives Buch", findet René Aguigah.© Hanser / imago stock&people

Das Sachbuch des Jahres 2018 von René Aguigah:

"Desintegriert Euch!"
Von Max Czollek
208 Seiten, 18 Euro, Hanser Verlag

René Aguigah meint: "Wer den Aufruf ’Desintegriert Euch!’ zum ersten Mal hört, könnte sich kurz erschrecken. Denn egal wo man ansonsten zuhört in der gesellschaftlichen Debatte über Migration, egal ob sich wohlmeinende Linke, selbstbewusste Liberale oder wertorientierte Konservative äußern – die Rede von der Integration, Integration, Integration scheint alternativlos. Gegen diese Einförmigkeit im Diskurs richtet sich dieses Buch, das polemisiert – aber ebenso geduldig argumentiert und subtil interpretiert. Was es vor allem schafft: Es macht die Spielregeln sichtbar, die das Denken der Integration beinhaltet und bewirkt. Ein historisch informiertes, argumentativ scharfes, politisch produktives Buch – das energischste meines Jahres 2018."
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Chinas Flagge auf Asphalt(Hintergrundbild), Buchcover (Vordergrundbild)
Die Zensur 4.0 - die KP beherrscht das chinesische Internet um ihre Sicht der Dinge in den Köpfen und Herzen der Menschen zu verankern.© imago / Zuma press und Piper Verlag

Das Sachbuch des Jahres 2018 von Florian Felix Weyh:

"Die Neuerfindung der Diktatur: Wie China den digitalen Überwachungsstaat aufbaut und uns damit herausfordert"
von Kai Strittmatter
288 Seiten, 22 Euro, Piper

Florian Felix Weyh meint: "De facto habe ich mich mit dem Buch gar nicht wohl gefühlt, und hoffe, dass es allen anderen auch so geht. Denn Chinas ’digitaler Leninismus’ ist eine Technologie, die sich auch in Demokratien implementieren lässt. Und ich fürchte, so oder so ähnlich wie jetzt in China erprobt, wird es auch bei uns im liberalen Westen kommen. Trotz seiner düsteren Stimmung wünsche ich Kai Strittmatters fesselnder Reportage viele Leser."
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Buchcover von Hedwig Richter, Kerstin Wolff: "Frauenwahlrecht: Demokratisierung der Demokratie in Deutschland und Europa" Hintergrundbild: 1910 demonstrieren Suffragetten vor den Londoner "Houses of Parliament". Auf ihren Plakaten steht: "Votes for Women", "Womens Social & Political Union".
Um den langen Kampf um politische Gleichheit von Frauen und Männern geht es in diesem Buch.© Verlag Hamburger Edition; dpa / picture-alliance

Das Sachbuch des Jahres 2018 von Shelly Kupferberg:

"Frauenwahlrecht: Demokratisierung der Demokratie in Deutschland und Europa"
Herausgegeben von Hedwig Richter und Kerstin Wolff

295 Seiten, 30 Euro, Hamburger Edition

Shelly Kupferberg meint: "Die Idee der Demokratie war und ist mit der Vorstellung von Männlichkeit eng verbunden, mit Revolution und Kampf von unten. Auch nationale Demokratie- und Freiheitserzählungen sind in aller Regel mit revolutionären und gewalttätigen Aktionen gekoppelt, und sind mit wenigen Ausnahmen: Männergeschichten. Wo waren die Frauen zu diesem Zeitpunkt? Und: Wo war ihr Kampf für demokratische Verhältnisse?
Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes gehen in ihren Aufsätzen Geschichte und Geschichten Anhand dieser Fragen nach. Dabei interessiert sie nicht nur, in welchen Ländern Frauen anfingen, sich selbst zu ermächtigen, sondern auch wie und welche Fragen der Gleichheit und Gleichberechtigung sich damit verbanden, als Frauen das Wahlrecht erlangten. Faktenreich und wissenschaftlich zeigt das Buch auf, mit welchen Herausforderungen der lange Kampf der politischen Gleichheit von Frauen und Männern verbunden war – und weiterhin ist."
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Die Angeklagte Beate Zschäpe sitzt am 3. Juli 2018 im Gerichtssaal neben ihrem Anwalt Hermann Borchert.
Die Angeklagte Beate Zschäpe sitzt am 3. Juli 2018 im Gerichtssaal neben ihrem Anwalt Hermann Borchert.© Kunstmann / dpa / picture-alliance

Das Sachbuch des Jahres 2018 von Christian Rabhansl:

"Der NSU-Prozess. Das Protokoll"
von Annette Ramelsberger, Tanjev Schultz, Rainer Stadler und Wiebke Ramm
2000 Seiten, 80 Euro, Verlag Antje Kunstmann

Christian Rabhansl meint: "So nüchtern der Tonfall dieses Prozess-Protokolls ist – ich hätte heulen können beim Lesen. Weil diese Terrormorde, weil die erbärmliche Behandlung der Opfer und ihrer Familien und Freunde (durch den Staat, aber oft auch durch uns Medien), weil dieses feige Vertuschen und Aktenschreddern bei diversen Behörden, weil dieses große, uneingelöste Versprechen der Bundeskanzlerin, man werde alles tun um auch die letzten Hintermänner aufzudecken und alle ihrer gerechten Strafe zuzuführen – weil all das schon fast wieder in Vergessenheit rutscht. Weil das Gericht selbst keine Wortprotokolle angefertigt hat. Und weil gerade bekannt geworden ist, dass eine Anwältin der Nebenklage schon wieder bedroht wird, von einem selbst ernannten NSU 2.0, und weil die Spuren mitten hinein in die Polizei führen. Deshalb sind diese Protokolle für mich das wichtigste Buchprojekt dieses Jahres."
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