Manfred Popp: Deutschlands Energiezukunft – Kann die Energiewende gelingen?
Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2013
316 Seiten, 24,90 Euro
Energie in all ihren Erscheinungsformen
Manfred Popp war früher hessischer Staatssekretär für Umwelt und Reaktorsicherheit. Von Energie versteht er eine Menge. Sein Buch ist allerdings ein merkwürdiger Zwitter: Es bietet gute technische Grundlagen, ist aber in seinen politischen Urteilen parteiisch und hinkt der Entwicklung hinterher.
Der Titel ist irreführend. Hier geht es hauptsächlich um die Grundlagen, um Energie in all ihren Erscheinungsformen: vom Feuer über fossile Brennstoffe und erneuerbare Energietechniken bis zur Kernfusion. Erst in den Schlusskapiteln kommt der Autor zur Energiewende, wird gewertet.
Im Eingangskapitel erklärt der Kernphysiker Manfred Popp die verschiedenen Energieformen und ihre physikalischen Grundlagen. Danach setzt er sich mit dem Energiehunger der Welt und dem Klimawandel auseinander, der für ihn unbestreitbar ist. Anschließend befasst er sich mit den konventionellen Energiequellen sowie den Erneuerbaren.
Segen und Fluch zugleich
Er verfährt dabei jeweils nach dem Konzept "Segen und Fluch". Nüchtern konstatiert der Autor zum Beispiel bei der Kohle, dass es von ihr zwar noch enorme Vorkommen gibt, aber selbst die Kraftwerke mit den modernsten Filteranlagen immer noch gesundheitsschädliche Feinstäube, Schwermetalle und Kohlenwasserstoffe ausstoßen sowie große Mengen CO2. Er bedauert, dass in Deutschland der Versuch einer unterirdischen Lagerung des CO 2 abgebrochenwurde. Das wäre seiner Meinung nach "einen Versuch wert gewesen". Dass die Norweger wegen zu hoher Kosten und Risiken ihren Großversuch gestoppt haben, war ihm beim Buchverfassen offenkundig noch nicht bekannt.
Es fällt auf, dass Manfred Popp ausgesprochen ausführlich auf die Atomenergie eingeht und die Kernfusion als mögliche Lösung der Energienot anpreist. Das ist seiner früheren Arbeit geschuldet. Als hessischer Staatssekretär für Umwelt und Reaktorsicherheit sowie Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Karlsruhe hat er sich Zeit seines Berufslebens intensiv um die Förderung der Kernenergie bemüht. Was diesen Bereich angeht, ist er parteiisch. Das zeigt sich deutlich bei der Beurteilung des Fukushima-Katastrophe, bei der für ihn "weder für die Einsatzkräfte noch für die Bevölkerung irgendwelche messbaren Konsequenzen zu erwarten" sind. Ein Trugschluss nach den jüngsten Meldungen. Ansonsten jedoch ist der Autor um Objektivität bemüht, beschreibt nüchtern, sachlich und detailliert die Energietechnologien.
EEG zu teuer und wenig marktgerecht
Natürlich stellt Manfred Popp auch die verschiedenen Formen der Energiespeicherung, des Transports und der Energieeffizienz ein. Zu Recht kritisiert er zu wenig Forschung. Das EEG verwirft er als zu teuer und nicht marktgerecht, vertritt hier die Position der großen Energieproduzenten, argumentiert mit einseitigem Zahlenmaterial. Seiner Ansicht nach kann und soll der deutsche Energiebedarf durch Erneuerbare nicht "überwiegend" abgedeckt werden. Andere Energieexperten sind da weitaus optimistischer.
Ärgerlich sind die Grafiken, deren Grautöne einen Unterschied zwischen den verschiedenen Bereichen kaum erlauben. Rundum gelungen sind die grundsätzlichen technischen Erklärungen sowohl der konventionellen als auch der erneuerbaren Energien. Die lassen keine Wünsche offen. So ist Popps Buch ein merkwürdiger Zwitter: Es bietet gute technische Grundlagen, ist aber in seinen politischen Urteilen parteiisch und hinkt der Entwicklung hinterher.