Dave Goulson: Und sie fliegt doch - Eine kurze Geschichte der Hummel
Aus dem Englischen übersetzt von Sabine Hübner
Hanser Verlag, München 2014
320 Seiten, gebunden, 19,90 Euro
Erstaunliches Hummeldasein
Berichte aus der Urzeit wechseln sich ab mit Liebeserklärungen an Krabbeltiere. "Und sie fliegt doch" von Dave Goulson erzählt abwechslungsreich die Geschichte der Hummeln – und welchen Gefahren sie ausgesetzt sind.
Hier wimmelt das Leben: Am Sommerhimmel zappeln dickbäuchige Zeppeline. Wachteln verlieren im Winter plötzlich ihre Füße. Am Ende verbissener Kriege liegen Königinnen in Massen tot auf dem Boden, und Forscher legen sich leidenschaftlich und unermüdlich mit Wind, Wetter und tückischer Technik an. Ein wunderbares Buch ist dem britischen Autor Dave Goulson gelungen, dabei befasst es sich ausschließlich mit einem kleinen Geschöpf, das einst selbstverständlich zu unserer Landschaft gehörte: "Und sie fliegt doch" erklärt auf über 300 Seiten das Leben der Hummeln - langweilig wird das nicht eine Sekunde.
Dafür sorgt der Autor mit seinem stilsicher präsentierten, abwechslungsreichen Erzählmosaik. Berichte aus der Urzeit der Evolution wechseln ab mit persönlichen Erinnerungen, erschütternde Einblicke in das Artensterben münden in zarte Liebeserklärungen an Kriech- und Krabbeltiere. Und mittendrin immer die Hummel und ihr erstaunliches Leben. Noch im eiskalten Februar erwachen die dicken Königinnen, fast verhungert nach acht Monaten Winterschlaf. Wie Vögel suchen sie sich eine Nisthöhle und sammeln Federn, Haare und trockenes Moos. Daraus formen sie eine Hohlkugel, in deren Schutz sie ihre Eier ausbrüten. Dabei vibrieren die Tiere kontinuierlich mit dem Körper, damit der Nachwuchs selbst bei Frost noch 30 Grad warm bleibt - ein energetischer Kraftakt.
Mühsame Experimente
Hautnah lässt uns der Autor teilhaben, wenn aus den ersten Eiern große Hummelvölker werden, feindliche Insekten die Nester angreifen oder Arbeiterinnen sich gegen ihre Königin erheben. Köstlich beschreibt Dave Goulson auch die Mühsal des wissenschaftlichen Experimentierens: Wochenlang robbt er durchs Gesträuch, um Hummelnester aufzuspüren, tüftelt an Maschinen, die Hummeln aus der Luft ansaugen, ohne sie zu verletzen, und stülpt winzige Fangkörbe über Hummel-Hinterleiber, um den Kot der Insekten, den dünnflüssigen, genau dann einzufangen, wenn er dem Körper entweicht.
Ein Buch voller Humor, Poesie, verrückten Geschichten und ernsthafter Wissenschaft hat Dave Goulson geschrieben, in dessen Verlauf man eine lebhafte Vorstellung davon gewinnt, welchen Gefahren die pelzigen Hautflügler schon in einem intakten Ökosystem ausgesetzt sind. Eine Hummelkönigin verbraucht beim Brüten täglich eine Zuckermenge vom Gewicht ihres Körpers und muss sechstausend Blüten besuchen, um nicht zu verhungern.
Doch die Agrarwüsten und überakkuraten Gärten heutiger Tage sind für Hummeln lebensfeindliches Ödland. Mit seiner Hilfsorganisation "Bumblebee Conservation Trust" verteilt Dave Goulson zahllose Packungen Wildblumensamen auf den britischen Inseln und er fragt: Gibt einen Ort auf der Welt, an dem es sich an einem Sommertag schöner sitzen lässt als auf einer Wiese? Im Ohr das Summen der Natur, vor dem Auge das sanfte Rauschen der Blütenfarben, in der Nase der Duft wilder Kräuter. "Näher kann man dem Himmel auf Erden kaum kommen", ist der Autor überzeugt und seine Leser mit ihm.