Kathrin Hartmann, Grüner wird's nicht. Warum wir mit der ökologischen Krise völlig falsch umgehen"
Blessing-Verlag, München 2020
173 Seiten, 14 Euro
Wie mehr Klimaschutz gelingen kann
08:47 Minuten
Die Umweltjournalistin Kathrin Hartmann hält es für ignorant, wenn Politiker behaupten, mehr Klimaschutz sei der Bevölkerung nicht zuzumuten. Sie plädiert im Buch "Grüner wird´s nicht" für eine Trendwende und glaubt an Mehrheiten dafür.
Die Umweltjournalistin Kathrin Hartmann hat mit "Grüner wird’s nicht" ein Buch über diejenigen geschrieben, die sie im Kampf gegen die Klimakrise für Bremser hält. Neben den üblichen Verdächtigen – Autoindustrie, Landwirtschaftsindustrie, Energiekonzerne – kritisiert sie darin auch linke und soziale Bewegungen sowie Klimaschützer und Umweltverbände.
Soziale und ökologische Fragen verbinden
Gewerkschaften und linke Bewegungen hätten zu oft Klimaschutz und Arbeitsplätze gegeneinander ausgespielt, sagt Hartmann: "So im Sinne von: Umweltschutz ist ganz nett. Das ist ganz schön, wenn die Vögel zwitschern und wenn es draußen blüht. Aber es gibt Wichtigeres. Wir müssen unsere Industrie-Arbeitsplätze erhalten." Auf der anderen Seite hätten viele Umweltorganisationen die soziale Frage oft ignoriert und den Umweltschutz abgekoppelt davon betrachtet.
Sie kritisiert, dass Hartz IV und eine wachsende Armut durch die Agenda 2010 entstanden seien, nicht durch Naturschutz. Gleichzeitig sei es tatsächlich unmöglich, "wirklichen Klimaschutz so durchzusetzen, dass niemand hinten runterfällt." Deshalb sei es wichtig, beide Aspekte miteinander zu verbinden. Die wichtigste Frage sei: "Wie kann man die soziale Frage und die ökologische Frage verbinden?"
Kritik an Kanzleramtschef Helge Braun
Trotzdem ist Hartmann überzeugt, dass es in der Bevölkerung große Mehrheiten für eine Verkehrswende, für eine Agrarwende und für mehr Klimaschutz gebe. Dass der Kanzleramtschef Helge Braun im Herbst 2019 zum Klimaschutzpaket der Bundesregierung sagte, dass der Plan zwar Klimaschützern nicht weit genug gehe, aber "für den normalen Bürger ist das bei weitem ehrgeizig genug", empfindet Hartmann angesichts großer Klimademonstrationen als "ungeheuerlich". Es sei ignorant vonseiten der Politik, die Bevölkerung so zu unterschätzen.
Gerade die Coronakrise zeige, dass das bisherige Wirtschaftssystem keine Antworten habe. Der Kapitalismus habe keine Antworten, sondern bringe täglich neue Verwerfungen hervor: "Sei es die Ausbeutung in der Fleischindustrie oder die Ausbeutung selbst auf unseren Äckern mit Arbeitern, die eingeflogen werden müssen", sagt Hartmann. "Das zeigt uns doch ganz deutlich, dass dieses System weder für Gerechtigkeit noch für Umweltschutz sorgen kann."
Ein neues Wirtschaftssystem müsse demokratisch ausgehandelt werden. Warnungen vor einer "Ökodiktatur" hält Hartmann für überzogen. "Ich glaube, ganz im Gegenteil, das es sehr viel gerechter zugehen wird, dass wir sehr viel sicherer sein werden und vor solchen Krisen sehr viel geschützter sein werden."
Verkehrs-, Agrar- und Energiewende
Als dringend nötige Schritte nennt Hartmann eine Verkehrswende, eine Agrarwende und eine Energiewende. Die Verkehrswende habe sowohl eine soziale als auch ökologische Komponente, wenn mehr Geld in den öffentlichen Nahverkehr fließe. In der Landwirtschaft gehe es darum, dass es nicht mehr vom Geldbeutel abhängen sollte, wer gute und gesunde und umweltfreundliche Lebensmittel kaufen könne. Dazu müsse die öffentliche Förderung gezielt an eine Landwirtschaft gehen, die ihre Mitarbeiter gerecht bezahle und die Umwelt nicht ausbeute.
Das Thema Energie zeige die Macht der Bevölkerung, weil die Energiewende nicht von großen Konzernen vorangetrieben werde, sondern von Bürgerinitiativen und Bürgerwindparks. Hartmann ist überzeugt, dass es für solche Reformen eine Mehrheit in der Bevölkerung gebe.