Sachbuch

Transkulturelle Moden

Mode im sogenannten Ethnostil ist im Trend
Mode im Ethnostil - Bezüge auf traditionelle Elemente werden spielerisch eingesetzt. © picture alliance / dpa / Money Sharma
Von Gertrud Lehnert |
Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Querformat" ist eine bereichernde Fundgrube für das brennend aktuelle Thema Transkulturalität. "Anziehen!" ist reich bebildert, originell gestaltet und zweisprachig.
Die Mode umspannt die Welt. Das war nicht immer so. Lange galt sie als Produkt der europäischen Moderne und ihr eigentlicher Beginn als das 17./18. Jahrhundert, wenn auch ihre Wurzeln bis in die Antike zurückreichen.
Tatsächlich aber ist Mode seit Jahrhunderten in globale Zusammenhänge eingebunden. Spätestens seit dem 17. Jahrhundert blühte der Handel mit Indien, China und Persien, und die Produktion der orientalischen Luxusgüter in diesen Ländern richtete sich schon damals nach dem Geschmack der europäischen Konsumenten. In der Gegenwart hat der Austausch ganz andere Dimensionen erreicht. Der Siegeszug des Internets hat die Globalisierung der Mode beschleunigt. Europa ist nicht mehr das Zentrum der Mode, weltweit gibt es Fashion Weeks. Das bedeutet nicht nur Vereinheitlichung und Vereinnahmung, sondern auch Wechselseitigkeit der Inspirationen, woraus im besten Falle ein gelungenes Patchwork aus globalen und regionalen Stilen entsteht.
Die Transkulturalität der Mode ist das Thema der von Kunst- und Modehistorikerinnen herausgegebenen Bandes "Transcultural Fashion". Welche Rolle spielt Mode in einer Welt, in der Migration die Regel geworden ist und ethnische Zuschreibungen instabil geworden sind? Wie verändern sich Moden, wenn sie durch die Kulturen wandern, und wie wahren sie trotzdem ihre unterschiedlichen Eigenarten?
Schwerpunkt Orientalismus und Afrika
Der Schwerpunkt liegt mit fünf Beiträgen auf den Themen Orientalismus und Afrika, was besonders erfreulich ist, da Afrika in der Modeforschung noch ein Schattendasein führt. So erläutert Kerstin Pinther, Professorin für die Kunst Afrikas, wie afrikanische Designer (beispielsweise das Label Xuly Bet und die Designerin Buki Akib) mit Zeichen des "Afrikanischen" umgehen. Folkloristische Anspielungen werden vermieden; es entstehen kosmopolitische und experimentelle Moden, die Grunge, Punk und die Urbanität afrikanischer Städte verbinden. Vintage und Recycling spielen eine Rolle, und Bezüge auf traditionelle afrikanische Elemente werden spielerisch-eklektisch eingesetzt.
Die Kunsthistorikerin Burcu Dogramaci untersucht am Beispiel von Hussein Chalayan, Rifat Ozbek und Atil Kutoglu, warum im Ausland lebende türkischstämmige Modedesigner konsequent als "orientalisch" wahrgenommen werden, obgleich z.B. Chalayan als britischer Designer des Jahres ausgezeichnet wurde. Besonders interessant, wie die Modemacher selbst mit den Zuschreibungen umgehen: Einige versuchen, ihnen zu entgehen; andere setzen sie strategisch ein.
Ausführungen über schwedische Mode in den USA, Reise als Thema von Modenschauen oder Papierkleider in Form von Luftpostbriefen als Metapher für Mobilität vervollständigen den reich bebilderten, originell gestalteten und zweisprachigen Band (alle Texte sind auf Deutsch und Englisch abgedruckt). Insgesamt: Eine bereichernde Fundgrube für das brennend aktuelle Thema Transkulturalität.

Anziehen! Transkulturelle Moden
Querformat. Zeitschrift für Zeitgenössisches, Kunst, Populärkultur, Heft 6
Herausgegeben von Birgit Haehnel, Alexandra Karentzos, Nina Trauth, Jörg Petri
Transcript Verlag, Bielefeld 2014
158 Seiten, 14,90 Euro

Mehr zum Thema