Elisabeth Bronfen: Hollywoods Kriege. Geschichte einer Heimsuchung
S. Fischer, Frankfurt/Main 2013
528 Seiten, 22,90 Euro
Traumaverarbeitung im Kriegsfilm
Wie verarbeitet Hollywood den Krieg – in einer autobiografisch motivierten Analyse von Filmen blickt Elisabeth Bronfen auf amerikanische Kriegsfilme von "Birth of a Nation" bis "Gangs of New York" und ihren Beitrag zu Erinnerung und Vergessen.
Elisabeth Bronfens Buch "Hollywoods Kriege" nimmt einen langen Anlauf. 32 Seiten zählt die Einleitung, in der sorgsam Zugang, Methodik und Gewährstexte dargelegt werden. Fast wirkt diese Absichtserklärung, als sei sie übriggeblieben von der wortreichen Antragsbürokratie, die heutzutage vor der Bewilligung von Forschungsvorhaben steht.
Der thematisch interessierte, den Ritualen des Wissenschaftsbetriebs aber ferne Leser könnte darüber fast die Geduld verlieren, weil er, statt die Regeln des Verkehrsgartens vermittelt zu bekommen, endlich losfahren will durch die Bahnen von Bronfens Denken.
Der thematisch interessierte, den Ritualen des Wissenschaftsbetriebs aber ferne Leser könnte darüber fast die Geduld verlieren, weil er, statt die Regeln des Verkehrsgartens vermittelt zu bekommen, endlich losfahren will durch die Bahnen von Bronfens Denken.
Was eine spannende Unternehmung ist. Die Zürcher Professorin für Anglistik hat sich einen gewaltigen Komplex vorgenommen: Bronfens Buch befasst sich, psychoanalytisch inspiriert, mit den Kriegsdarstellungen, die Hollywood hervorgebracht hat. Aus dieser Perspektive schreiben alle Kriegsfilme immer nur an einem Text: Zum einen erzählen sie uns überhaupt vom Krieg, zum anderen wirken sie an seiner Verarbeitung mit. Erinnern und vergessen sind eine Bewegung: Was wieder aufgerufen wird, ist das, was nicht unter den Tisch fallen darf, weil man damit die Krisen der Gegenwart bekämpfen kann.
Von "Birth of a Nation" bis "Gangs of New York"
Einsichtig wird diese Idee etwa am Beispiel des amerikanischen Bürgerkriegs, dessen filmische Re-Inszenierungen Bronfen im ersten Kapitel diskutiert. Die historische inneramerikanische Konfrontation wird von Hollywood umgedeutet zu einem Epos der Versöhnung, das die Einheit der Vereinigten Staaten beschwört. In Filmen von D.W. Griffiths "Birth of a Nation" (1916) bis Martin Scorseses "Gangs of New York" (2002) zeichnet die Autorin nach, wie diese Erzählung Gestalt annimmt, indem der Zwist unterschlagen wird.
Bronfens Lektüren führen zugleich vor, wie spätere Filme die "kulturelle Schuld" von Griffiths rassistischem Klassiker abtragen, wie also ab "Vom Winde verweht" (1939) "Birth of a Nation" nachträglich relativiert wird. So gesehen, wie es an anderer Stelle heißt, "reimaginiert jeder nachfolgende Regisseur, indem er dort anfängt, wo sein Vorgänger aufgehört hat".
Bronfens Lektüren führen zugleich vor, wie spätere Filme die "kulturelle Schuld" von Griffiths rassistischem Klassiker abtragen, wie also ab "Vom Winde verweht" (1939) "Birth of a Nation" nachträglich relativiert wird. So gesehen, wie es an anderer Stelle heißt, "reimaginiert jeder nachfolgende Regisseur, indem er dort anfängt, wo sein Vorgänger aufgehört hat".
Wobei "nachträglich" eine Vorstellung von Zeit wäre, die für Bronfen vermutlich zu plan gedacht ist. Ihren Denkbewegungen liegt die Idee eines "preposterously" zugrunde, was man grob vielleicht mit "vorkünftig" übersetzen könnte: Weil es vom eigentlichen Handeln des Kriegs kein begriffliches Verstehen geben kann, bewegen sich die filmischen Bilder, die wir stattdessen haben, immer zwischen Vorausahnung und nachfolgender Einordnung. Diese Geschichte ist unabschließbar, weshalb am Ende des Buchs auch kurz die fortlaufende Kriegsfilmproduktion skizziert wird: In jeder Ahnung vom Kampf steckt das Trauma, das danach verarbeitet werden muss.
Autobiographischer Impuls
"Hollywoods Kriege" ist gut nachvollziehbar in sieben thematische Komplexe gegliedert: Vom amerikanischen Bürgerkrieg geht Bronfen über zu Heimatfront, Truppenbetreuung, Schlachtengemälde am Beispiel des D-Day von 1944, um danach über Kriegsberichterstattung, Kriegsgerichtsdramen und die fortwährende Heimsuchung Amerikas durch den Krieg zu orientieren. Innerhalb der einzelnen Kapitel betrachtet sie jeweils eine überschaubare Zahl von Filmen in Bezug auf das jeweilige Thema. Wobei Bronfen mit Hollywood eine Gesamtheit von Unterhaltungsindustrie meint, deren Wirken auch am Beispiel von Marlene Dietrichs Einsatz für die "Jungs" der Truppe und an ihrem daraus resultierenden Image plausibel gemacht werden kann.
Als kleine, aber durchaus bedeutungsvolle Pointe schließt Bronfen mit einer autobiografischen Notiz. Sie ist die 1958 geborene Tochter eines Amerikaners, der erst als Soldat auf den Kontinent zurückkam, von dem seine jüdischen Eltern vor dem Ersten Weltkrieg migrierten, und einer Frau aus Bayern, die sich von Hitler um Studium und ihre besten Jahre betrogen sah: "Hollywoods Kriege" hat seinen ursprünglichen Erkenntnisimpuls also in ganz privaten Heimsuchungen.