Sachbuch über Art Basel: "Kunst und Kapital""

Wie Soziologen den Kunstbetrieb entzaubern

"Beyonce" von US-Künstler Jonathan Horowitz auf der Art Basel 2015
"Beyonce" von US-Künstler Jonathan Horowitz auf der Art Basel 2015 © dpa / picture alliance / Georgios Kefalas
Von Eva Hepper |
Die Art Basel polarisiert wie keine zweite Verkaufsschau zeitgenössischer Kunst. Jetzt haben vier Soziologen in ihrem Buch "Kunst und Kapital" die erfolgreiche Kunstmesse untersucht. Ihre Schlussfolgerungen bauen auf einem Paradoxon auf.
Die "beste Show", die "weltweit bedeutendsten Künstler", die "wichtigsten Sammler", "international führende Galerien", "erstklassige Werke", "unglaubliches Niveau", "exzellente Verkäufe" – so wird die Art Basel von vielen teilnehmenden Galeristen, von Journalisten und Sammlern beschrieben.
"Peinlich", "ekelhaft", "zu kommerziell", "zu wenig Überraschungen", "eine Ansammlung von Snobs", "Kunst als Entertainment" – so wird diese Kunstmesse auch beschrieben.
Die Art Basel polarisiert wie keine zweite Verkaufsschau zeitgenössischer Kunst. Doch ihr Erfolg ist unbestritten: jährlich werden aus der Schweizer Hauptstadt neue Besucher- und Umsatzrekorde gemeldet. Und die Tochter-Messe in Miami (seit 2002; 2013 ist noch Hong Kong dazugekommen) ist zu einem Glamour-Spektakel geworden, das kunstinteressierte Millionäre und Prominente aus aller Welt anzieht.
Eine perfekt konstruierte Welt
Nun ist die Messe auch zum Forschungsobjekt geworden. Vier Soziologen der Universität Sankt Gallen haben die "Kunst-Wallfahrtsziele" Basel und Miami unter die Lupe genommen.
Pierre Bourdieus Schriften zur Kunst im Hinterkopf und gestützt auf Sekundär- und Pressematerial, studierten sie Strukturen und Rituale und führten über 80 Interviews mit GaleristInnen, SammlerInnen, BeraterInnen, MuseumsdirektorInnen und KünstlerInnen. Ihr Ergebnis: diese Messe ist eine hoch artifizielle und perfekt konstruierte Welt für sich.
Zunächst beschreiben die Wissenschaftler ein interessantes Paradox. Wer sich für Kunst interessiert – viele sprechen von Liebe – und wer sich ihre Aura und ihren symbolischen Wert aneignen möchte, spricht nicht über Geld. Denn der schnöde Mammon stört das Erhabene. Tatsächlich aber geht es auf der Messe vor allem ums Geschäft.
PR-Sprache ist kritiklos in die Medien eingegangen
Es ist hoch interessant zu lesen, wie die "Marke" Art Basel inszeniert wird: von der PR-Sprache, die mittlerweile kritiklos Eingang in die Medien gefunden hat, über die handverlesenen Sponsoren und die kleine Schar der hoch potenten Sammler, die nach einem ausgeklügelten System in verschiedene VIP-Kategorien eingeteilt werden, bis hin zu den nach strengen Kriterien zugelassenen Galerien, die Unsummen für einen Messestand zahlen, aber oftmals auch einen großen Teil ihres Jahresumsatzes dort erzielen.
Selten bekommt man einen solchen Einblick. Auch wenn die Soziologen betonen, dass die Art Basel nur einen kleinen Kontinent innerhalb der gesamten Kunstwelt bildet, so zeigt dieser doch Exemplarisches. Etwa wenn von tektonischen Verschiebungen in Richtung Kommerz die Rede ist. Oder wenn deutlich wird, dass trotz Globalisierung Europa und die USA nach wie vor die Regeln bestimmen.
Um die Kunst geht es in dieser Studie nicht. Der Kunstbetrieb aber wird gnadenlos entzaubert. Wer sich für seine Inszenierungen und Strukturen interessiert, muss diese Studie lesen. Auch weil sie die Geschichte der Kunstmesse(n) erzählt und Zahlen und Fakten versammelt. Einzige Einwände: viele Redundanzen und eine – obwohl ein nicht akademisches Publikum angesprochen werden soll – bisweilen ermüdende Fachsprache.

Stephan Egger, Thomas Mazzurana, Franz Schultheis, Erwin Single: "Kunst und Kapital. Begegnungen auf der Art Basel"
Verlag Walther König, 2015
257 Seiten, 29,80 Euro

Mehr zum Thema