Tom Wainwright: Narconomics. Ein Drogenkartell erfolgreich führen
Aus dem Amerikanischen von Henning Dedekind
Blessing, München 2016
351 Seiten, 19,99 Euro
Kluge Legalisierung statt Strafverfolgung
"Wertneutral" analysiert Tom Wainwright in "Narconomics" die rein ökonomischen Aspekte des Drogengeschäfts. Der Wirtschaftsjournalist plädiert für einen "gesetzlich regulierten Drogenmarkt" statt Verbote und erklärt, warum die Zeiten für Drogenkartelle nie besser waren.
Oft wird das Primat des Ökonomischen vor allen anderen gesellschaftlichen Parametern wie dem Sozialen, dem Ethischen, dem Politischen beklagt. Im Falle des weltweiten Drogenhandels mit seinen milliardenschweren Profiten jedoch, dem man mit den üblichen Instrumenten der Prohibition nicht beikommt, kann es ein Schritt der praktischen Vernunft sein, die rein ökonomischen Aspekte des Drogengeschäfts sozusagen "wertneutral" zu analysieren.
Das schlägt der englische Wirtschaftsjournalist Tom Wainwright in seinem Buch "Narconomics" vor. Dessen Untertitel "Ein Drogenkartell erfolgreich führen" ist natürlich blanke Ironie, denn es geht Wainwright darum, aus der betriebswirtschaftlichen Analyse heraus Ansatzpunkte zu finden, die verheerenden Aspekte der Drogenindustrie zumindest zu dämpfen und einhegen zu können.
Ökonomen als bessere Polizisten
Dabei seziert Tom Wainwright methodisch, den Problemen von weltweit operierenden Konzernen wie Coca Cola etc. analog, die Schwierigkeiten und die Erfolge, die Drogenkartelle mit ihrem Personal haben, mit der Erschließung neuer Märkte, mit dem Auftauchen neuer Produktgruppen wie den Designerdrogen, mit dem Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit, dem Franchising und dem Online-Handel. So entsteht ein sehr konkretes, mit Zahlen, Fakten und Statistiken unterfüttertes Gesamtbild des jeweiligen Produkts (Kokain, Heroin, Marihuana etc.) von den Herstellungskosten bis zu den Profitraten.
Gleichzeitig zeigen solche Ketten, wo Staaten eingreifen, wo sie wirklich Schaden für die "Narcos" anrichten könnten, wenn sie nur wollten. Die Ökonomen, schreibt Wainwright, sind vermutlich die besseren Polizisten. Sie könnten herausfinden, dass man nicht die Angebotsseite angreift, sondern durch geschickte Sozialpolitik etwa, die Nachfrage vermindert. Oder dass es wirtschaftlich unsinnig ist, Riesensummen für Strafverfolgung auszugeben, statt vernünftig in Prävention und Therapie zu investieren: "Behandlungsangebote sind bis zu zehnmal kosteneffizienter als Strafverfolgung", stellt Wainwright nüchtern fest.
Was kriminelle Profite am meisten schmälert
Das alles läuft, rein wirtschaftlich gesehen, auf einen "gesetzlich regulierten Drogenmarkt" hinaus, auf Kontrolle statt auf Verbot. Alles in allem auf ein "radikales Umdenken", denn alle prohibitiven, oppressiven und kriegsähnlichen Ansätze haben "den Preis für ein paar billige landwirtschaftliche Erzeugnisse derart in die Höhe getrieben, dass daraus eine hässliche, gewalttätige … globale Industrie entstanden ist."
Süffisant stellt Wainwrights fest, dass "die Zeiten nie besser waren, um erfolgreich ein Drogenkartell zu führen." Und wenn etwas so auf den Punkt genau zugespitzt ist, sieht man deutlich das Gegenmittel, das in Wainwrights Methode liegt. Wenn man dem Primat des Ökonomischen folgt, dann sind sinnvolle und kluge Legalisierung plus flankierende Maßnahmen das, was kriminelle Profite am meisten schmälert.
Bleibt allerdings die unbehagliche Frage, warum solche Ansätze politisch deutlich nicht gewünscht sind und oft wider besseres Wissen an der Prohibition festgehalten wird. Betrachtet man, was Tom Wainwright leider nicht tut, das War-on-Drugs-Business unter seinen eigenen ökomischen Strukturen (Arbeitsplätze, Material, Profitinteressen etc.), könnte man vermutlich nachdenklich werden.