Sachbuch

Von Gänseschnattern bis grüne Gentechnik

Besprochen von Johannes Kaiser |
Böden beackern, Viehwirtschaft betreiben: In ihrem sehr informativen Sachbuch zeigen Jutta Gay und Inga Menkhoff, was heute aus der Landwirtschaft geworden ist und vor welchen Problemen sie steht.
Blühende Bauerngärten vor Fachwerkfassaden, weidende Kühe unter Obstbäumen, Klatschmohnfeldraine – Landidylle pur. Mit der Wirklichkeit haben solche Bilder aus Hochglanzmagazinen wenig zu tun. Massentierhaltung, Monokulturen und maschinelle Aufrüstung – so sieht die Landwirtschaft zumindest in den Industrienationen aus.
Die beiden Autorinnen Jutta Gay und Inga Menkhoff haben in „Das große Buch der Landwirtschaft" einen allumfassenden, ausführlichen und beeindruckenden Überblick zusammengetragen. Zahlreiche Farbfotos veranschaulichen die Aussagen des Textes, der alle wichtigen Aspekte der Landwirtschaft vorstellt und kritisch abwägt. Das reicht von den Anfänge über die aktuellen Formen industrialisierten Anbaus bis zur Gentechnik, umfasst Ernährungswirtschaft und Biokraftstoffe ebenso wie Bioanbau und Selbstversorger. Ganzseitige Einschübe vertiefen so unterschiedliche Detailthemen wie Düngemittel, Sortenvielfalt, Patentstreit, städtische Biodiversität, Haustierrassen. Alles ist leicht verständlich aufbereitet und formuliert.
Die Autorinnen zeigen unter anderem, wie schwierig es heute ist, als selbständiger Bauer zu überleben. Enormer Preisdruck zwingt zu permanenter Rationalisierung und überlangen Arbeitstagen. Dabei liegt das Bruttoeinkommen bei Vollzeitlandwirten rund 600 Euro unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Ergebnis: Der Bauernstand schrumpft ständig. Von den zwei Millionen Bauernhöfen, nach 1945, sind keine 300.000 übrig geblieben. Die Devise heißt wachsen oder weichen.
Den Schweine werden die Schwänze abgeschnitten
In den Entwicklungsländern bietet sich ein anderes Bild. Dort überwiegt noch kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft. Doch sind auch hier Großunternehmen auf dem Vormarsch. Sogar Staaten kaufen sich in Entwicklungsländern Land, um dort für die eigene Bevölkerung Nahrungsmittel anzupflanzen – oftmals in der Form von Landraub.
Detailliert beschreiben die Autorinnen die industrialisierte Landwirtschaft mit Monokulturen und Massentierhaltung. So drängen sich hierzulande in 44 Prozent aller Schweinemastbetriebe mehr als 1000 Schweine. Denen müssen die Schwänze abgeschnitten werden, weil die Tiere in der Enge anfangen, einander zu attackieren. Hühner und Kühe haben es nicht besser.
Ausführlich wird die grüne Gentechnik mit ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt. Der Einsatz transgener Pflanzen steigt weltweit ständig. In den USA stammen heute gut 90 Prozent der Sojabohnen, des Mais, der Baumwolle und der Zuckerrüben aus gentechnisch verändertem Saatgut. 10 Konzerne beherrschen 75 Prozent des Marktes. Es tobt ein heftiger Kampf um Patente an Kulturpflanzen.
Die Autorinnen verleugnen nicht ihre Sympathien für den Bioanbau, der ihrer Überzeugung nach die industrialisierte Landwirtschaft durchaus ersetzen könnte, ohne dass die Menschheit hungern müsste. Mit Tipps für Selbstversorger endet das Buch. Es ist ein wahrer Augenöffner für alle, die das Landleben lieben.

Jutta Gay / Inga Menkhoff: Das große Buch der Landwirtschaft

Edition Fackelträger, Köln 2013

315 Seiten, 39,95 Euro

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