Isabel Kranz: "Sprechende Blumen", Ein ABC der Pflanzensprache
Mit zahlreichen farbigen Abbildungen
Matthes & Seitz Berlin, Berlin 2014
172 Seiten, 32 Euro
Wenn die Blumen reden
Im 18. Jahrhundert waren Blumensprachenbücher sehr populär. Isabel Kranz knüpft daran an, ihr Werk verrät, was uns all die Pflanzen sagen könnten und blickt auf ihre Bedeutung in der Kulturgeschichte. Warum etwa waren die Komiker von Monty Python hinter Lupinen her?
In der Literatur und anderen Künsten kommt es des öfteren vor, dass Menschen sich mit Blumen unterhalten: In Heinrich Heines Buch der Lieder etwa irrt der liebeskranke Dichter durch den Garten und lässt sich von den Blumen Trost zusprechen. In Lewis Carrolls Alice im Wunderland plaudert die Titelheldin mit einer Tigerlilie. Und in der Musicalkomödie Der kleine Horrorladen kann eine Venusfliegenfalle sogar singen und sagen, wann sie Hunger auf frisches Fleisch hat.
In der Welt außerhalb der Kunst sind dergestalt begabte Blumen eher spärlich gesät. Neueren naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge können sie zwar sehen, riechen, hören, fühlen und haben einen Ortssinn – über Sprache im Sinn einer symbolischen, lautlichen Kommunikation verfügen sie jedoch nicht. Wenn Blumen sprechen, dann stets im Dienste eines Menschen, der ihnen bestimmte Bedeutungen zuschreibt. Aber welche?
Blumen sprechen im Dienste der Menschen
Mit Sprechende Blumen legt die Berliner Literaturwissenschaftlerin Isabel Kranz ein gleichermaßen illustres wie prächtig illustriertes Kompendium der Pflanzensprache vor. Von A wie Abécédaire (zu Deutsch: Parakresse) bis Z wie Zyklamen (Alpenveilchen) beschreibt sie in knapp achtzig Einträgen, was man mit Blumen alles sagen kann. Auf eine kurze botanische Beschreibung folgt jeweils ein Zitat aus einem Blumensprachenbuch, wie sie seit Ende des 18. Jahrhunderts in Europa und Nordamerika populär waren. Das Herzstück jedes Eintrags bildet ein pointierter Essay, in dem Kranz meist ein oder zwei Werke der Moderne − Romane, Theaterstücke, Filme − aus dem florilegischen Blickwinkel unter die Lupe nimmt. Was sucht Effi Briest beim Heliotrop? Welches Geheimnis bergen die gepressten Rubinetten in Stieg Larssons Verblendung? Und warum ist der maskierte Rächer der Enterbten in einem Sketch der Komikertruppe Monty Python hinter Lupinen her?
"E" wie Eisblume
Bei aller Strenge der alphabetischen Ordnung ist die Anordnung der Einträge angenehm eigenwillig und spielerisch. So ist unter dem Buchstaben E ein Abschnitt zur Eisblume zu finden. Doch der Eintrag zur Venusfliegenfalle steht nicht etwa unter V, sondern unter A wie Audrey, weil dies der Vorname der fleischfressenden Pflanze aus dem Kleinen Horrorladen ist. Offensichtlich geht es der Autorin nicht darum, ein wissenschaftlich präzises Nachschlagewerk vorzulegen, sondern produktiv zu verwirren und zum Weiterlesen und -betrachten einzuladen. Ihr Buch ist kein Naturkundemuseum, sondern eine Wunder- und Echokammer.
Viele der darin widerhallenden Stimmen erfreuen durch ihren anekdotisch-kuriosen Charakter: Wer hätte zum Beispiel gewusst, dass in der Blumensemiotik des neunzehnten Jahrhunderts die Orchidee für "Kritik" stand und die Duftwicke für "Abreise"? An anderen Stellen fällt es einem wie Blütenblätter von den Augen, etwa wenn Kranz darlegt, dass die Kameliendame aus dem Roman von Alexandre Dumas 'Marguerite' heißt. In der gleichnamigen exotisch-eleganten Zierpflanze auf der einen, der profanen Wald- und Wiesenblume auf der anderen Seite ist bereits die ganze Zerrissenheit der Frauenfigur angelegt. Andere Einträge, vor allem jene, in denen sich die Autorin appellativ an den Leser wendet, sind weniger überzeugend. Hier helfen aber meist ein paar tröstende Worte von den Blumen, die den Texten in vierfarbigen Abbildungen gegenüber gestellt sind.