Deutschlandfunk Kultur, ZDF und "Die Zeit" präsentieren gemeinsam die stärksten Sachbücher des Monats. Gekürt werden die Titel von einer Jury aus 30 Kritikerinnen und Kritikern.
1 (-) Barack Obama: "Ein verheißenes Land"
Aus dem Englischen von Sylvia Bieker, Harriet Fricke, Stephan Gebauer, Stephan Kleiner, Elke Link, Thorsten Schmidt und Henriette Zeltner-Shane
Penguin Verlag, München 2020
1024 Seiten, 42 Euro
Barack Obama, "Ein verheißenes Land"© Penguin / Deutschlandradio
Lange war es ruhig um Barack Obama. Jetzt, nach Ende der Trump-Jahre und dem Sieg Joe Bidens, ist die mit Spannung erwartete Autobiografie des Ex-Präsidenten erschienen. Obama schreibt von der Last der Präsidentschaft, den von Trump geförderten Rassismus. Der Ton ist manchmal cool, manchmal nachdenklich – und nicht frei von Selbstzweifeln. 85 Punkte
2 (-) Philippe Sands: "Die Rattenlinie – ein Nazi auf der Flucht. Lügen, Liebe und die Suche nach der Wahrheit"
Aus dem Englischen von Thomas Bertram
S. Fischer, Frankfurt am Main 2020
25 Euro, 544 Seiten
Philippe Sands: "Die Rattenlinie – ein Nazi auf der Flucht: Lügen, Liebe und die Suche nach der Wahrheit© S. Fischer / Deutschlandradio
Als "Rattenlinien" bezeichneten US-Agenten nach dem Krieg Fluchtrouten für Nazis. Einer jener flüchtigen NS-Verbrecher war Otto Wächter. Nach einer Begegnung mit dessen Sohn erzählt Philippe Sands, britischer Anwalt und Bestsellerautor, Wächters Leben. Eine Geschichte von Liebe, Intrigen, Spionage – und den Verstrickungen der katholischen Kirche. 55 Punkte
3 (-) Bettina Stangneth: "Sexkultur"
Rowohlt, Hamburg 2020
288 Seiten, 22 Euro
Bettina Stangneth: "Sexkultur"© Rowohlt / Deutschlandradio
Sex ist so natürlich, wie er Spaß machen kann. Und trotzdem: Im 21. Jahrhundert empfinden wir unsere Sexualität vor allem als Problem: als Ursache von Missbrauch und Unzufriedenheit. Die Philosophin Bettina Stangneth plädiert für einen ehrlichen, einen positiven Blick auf die schönste Sache der Welt. Ein Hohelied auf die leidenschaftliche Liebe. 48 Punkte
4 (-) Corine Pelluchon: "Manifest für die Tiere"
Aus dem Französischen von Michael Bischoff
C. H. Beck, München 2020
125 Seiten, 12 Euro
Corine Peluchon: Das "Manifest für die Tiere". © C. H. Beck / Deutschlandradio
"Wie wir Menschen Tiere behandeln, betrifft im Kern die Frage nach unserer Menschlichkeit." Von dieser Prämisse aus fragt die Philosophin Corine Pelluchon: Wie lassen sich auch heutige Fleischesser für den Kampf gegen die Seelenzerstörung gewinnen? Sie zieht Parallelen zur Abschaffung der Sklaverei – und macht Vorschläge für eine Zeit nach dem Speziesismus. 45 Punkte
4 (-) Baltasar Gracián: "Handorakel und Kunst der Weltklugheit"
Aus dem Spanischen von Hans Ulrich Gumprecht
Reclam, Ditzingen 2020
302 Seiten, 25 Euro
Gracián Baltasar: "Handorakel und Kunst der Weltklugheit"© Reclam / Deutschlandradio
Das vor 350 Jahren erschienene Handorakel ist die Urgroßmutter aller Lebensratgeber und hat Intellektuelle stets fasziniert: 300 Aphorismen, in denen der spanische Prediger Baltasar Gracián beschreibt, wie man am Hof Erfolg hat. Psychologisch fundiert, pointiert und oft boshaft: ein Klassiker in der zeitgemäßen Neuübersetzung von Hans-Ulrich Gumbrecht. 45 Punkte
6 (-) Robert Bellah: "Der Ursprung der Religion"
Aus dem Englischen von Christine Pries
Herder, Freiburg 2020
904 Seiten, 99 Euro
Robert Bellah: "Der Ursprung der Religionen. Vom Paläolithikum bis zur Achsenzeit" © Herder / Deutschlandradio
Der vor sieben Jahre verstorbene Soziologe Robert N. Bellah wurde vor allem für den Begriff der "Zivilreligion" bekannt. In seinem Spätwerk, das nun erstmals auf Deutsch erscheint, rekonstruierte Bellah den Ursprung alles Religiösen. Er zeigt: Die Grundlagen unserer heutigen Weltreligionen reichen zurück bis in die Steinzeit. 35 Punkte
6 (-) Christina Pareigis: "Susan Taubes. Eine intellektuelle Biographie"
Wallstein, Göttingen 2020
472 Seiten, 29 Euro
Christina Pareigis: "Susan Taubes. Eine intellektuelle Biographie"© Wallstein / Deutschlandradio
1939 erreichte Susan Taubes als Elfjährige New York. Vor ihr lag ein kurzes Leben, verstreut auf der Welt: Sie lebte in Harvard, Jerusalem oder Paris. Wie diese Ortlosigkeit des jüdischen Exils das unbedingt wiederzuentdeckende Werk dieser Intellektuellen prägte, zeigt diese Biografie. Dabei blieb Taubes’ Fluchtpunkt immer Budapest, die Stadt ihrer Kindheit. 35 Punkte
8 (-) Ute Frevert: "Mächtige Gefühle. Von A wie Angst bis Z wie Zuneigung – Deutsche Geschichte seit 1900"
S. Fischer, Frankfurt am Main 2020
496 Seiten, 28 Euro
Ute Frevert: "Mächtige Gefühle, Von A wie Angst bis Z wie Zuneigung – Deutsche Geschichte seit 1900"© S. Fischer / Deutschlandradio
Seit Langem ist die Historikerin Ute Frevert eine Expertin für die Wirkung von Emotionen in modernen Gesellschaften. Jetzt hat sie den Gefühlshaushalt der Deutschen analysiert. Ob Wut, Solidarität, Freude, Hass, Stolz oder Empörung: Empfindungen prägen die Geschichte des Landes – von Hitlers Aufstieg über Brandts Kniefall bis zur Willkommenskultur. 31 Punkte
9 (-) Katharina Pistor: "Der Code des Kapitals. Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft"
Aus dem Englischen von Frank Lachmann
Suhrkamp, Berlin 2020
440 Seiten, 32 Euro
Katharina Pistor: "Der Code des Kapitals. Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft"© Suhrkamp / Deutschlandradio
Wie entsteht Kapital? Karl Marx hatte eine Antwort: Indem Kapitalisten die Arbeitskraft ihre Beschäftigten ausbeuten. Die Juristin Katharina Pistor sieht das anders: "Nicht ein physischer Produktionsprozess, sondern die rechtliche Codierung ist das Entscheidende." Kapital wird also nicht in Fabriken geschaffen, sondern hinter den Türen der Anwaltskanzleien. 30 Punkte
10 (10) Yuval Noah Harari: "Sapiens"
Illustriert von Daniel Casanave und David Vandermeulen
Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn
C. H. Beck, München 2020
248 Seiten, 25 Euro
Yuval Noah Harari: "Sapiens"© C. H. Beck / Deutschlandradio
Sein Bestseller "Eine kurze Geschichte der Menschheit" machte Harari weltberühmt. Nun gibt es die Hochgeschwindigkeitsreise durch die Zeit auch als Graphic Novel. Im ersten der vier Teile nimmt der gezeichnete Harari seine Nichte Zoe genauso väterlich an die Hand wie sonst seine Leser – und erklärt ihr den Aufstieg des schwächlichen Sapiens zum König der Tiere. 27 Punkte
So funktioniert die Abstimmung:
Jedes Jurymitglied vergibt an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste:
René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur)
Peter Arens (ZDF)
Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur)
Ralph Bollmann (FAS)
Stefan Brauburger (ZDF)
Alexander Cammann (DIE ZEIT)
Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel)
Heike Faller (DIE ZEIT)
Daniel Fiedler (ZDF)
Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch)
Manuel J. Hartung (DIE ZEIT)
Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur)
Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur)
Inge Kutter (DIE ZEIT)
Hannah Lühmann (DIE WELT)
Ijoma Mangold (DIE ZEIT)
Susanne Mayer (DIE ZEIT)
Tania Martini (taz)
Catherine Newmark (Deutschlandfunk Kultur)
Jutta Person (freie Literaturkritikerin)
Bettina von Pfeil (ZDF)
Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung)
Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur)
Anne Reidt (ZDF)
Anna Riek (ZDF)
Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte)
Hilal Sezgin (freie Autorin)
Catrin Stövesand (Deutschlandfunk)
Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)
Julia Voss (Leuphana-Uni Lüneburg)