Sachbuchbestenliste Mai

    Von Moral, Recht und Realität

    06:12 Minuten
    Die Cover der Top drei der Sachbuchbestenliste von links nach rechts: Bénédicte Savoys "Afrikas Kampf um seine Kunst",  Mai Thi Nguyen-Kims "Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit" und  Christine M. Korsgaards "Tiere wie wir".
    Die Cover der Top drei der Sachbuchbestenliste: Mai Thi Nguyen-Kims "Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit" ist neu in den Top drei. © Deutschlandradio / Verlag C.H. Beck, Droemer, Verlag C.H. Beck
    28.04.2021
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    Bénédicte Savoy erklimmt mit "Afrikas Kampf um seine Kunst" den ersten Platz und zeigt, wie lange schon um Restitution gestritten wird. Neuzugang David Goodhart fordert, körperliche Arbeit aufzuwerten, also Berufe "der Hand und des Herzens".
    Deutschlandfunk Kultur, ZDF und "Die Zeit" präsentieren gemeinsam die stärksten Sachbücher des Monats. Gekürt werden die Titel von einer Jury aus 30 Kritikerinnen und Kritikern.

    Das Cover von Bénédicte Savoys Buch "Afrikas Kampf um seine Kunst: Geschichte einer postkolonialen Niederlage" auf orange-weißem Hintergrund.
    Bénédicte Savoy: "Afrikas Kampf um seine Kunst: Geschichte einer postkolonialen Niederlage"© Deutschlandradio / C. H. Beck
    Gebt koloniale Raubkunst zurück! Diese Forderung vernahm man zuletzt häufiger von Bénédicte Savoy. In ihrem neuen Buch zeigt die in Berlin lebende Kunsthistorikerin nun, dass dieser Kampf ein alter ist. Schon in den 1960er-Jahren drängten die neugegründeten Staaten Afrikas auf eine Rückführung – erfolglos. Die Gegenargumente von damals ähneln denen von heute auf frappierende Weise. 76 Punkte

    2 (8) Mai Thi Nguyen-Kim: "Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit: Wahr, falsch, plausibel - die größten Streitfragen"
    Droemer, München 2021
    368 Seiten, 20 Euro

    Das Cover von Mai Thi Nguyen-Kims Buch "Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit: Wahr, falsch, plausibel - die größten Streitfragen" auf orange-weißem Grund.
    Mai Thi Nguyen-Kim: "Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit: Wahr, falsch, plausibel - die größten Streitfragen"© Deutschlandradio / Droemer
    Spätestens seit ihrem millionenfach geklickten Youtube-Video über das Coronavirus gilt Mai Thi Nguyen-Kim als die junge Stimme der Wissenschaft. In ihrem neuen Buch geht es um alles, worüber wir uns gerne streiten: Klimawandel, Gender Pay Gap und Drogenlegalisierung. Doch was ist bloße Meinung – und was unbestreitbarer Fakt? Leichtfüßig bringt die Wissenschaftsjournalistin Licht ins Dunkel des postfaktischen Diskurses. 50 Punkte

    3 (1) Christine M. Korsgaard: "Tiere wie wir: Warum wir moralische Pflichten gegenüber Tieren haben"
    Aus dem Englischen von Stefan Lorenzer
    C. H. Beck, München 2021
    346 Seiten, 29,95 Euro

    Das Cover von Christine M. Korsgaards Buch "Tiere wie wir: Warum wir moralische Pflichten gegenüber Tieren haben" auf orange-weißem Hintergrund.
    Christine M. Korsgaard,:"Tiere wie wir: Warum wir moralische Pflichten gegenüber Tieren haben"© Deutschlandradio / C. H. Beck
    Hat das Leben eines Tieres denselben Wert wie das eines Menschen? Ja, sagt Christine M. Korsgaard. Die Harvard-Philosophin argumentiert mit Kant, warum Tiere weder benutzt noch gegessen werden dürfen. Als bewusste Wesen seien sie "Zweck an sich selbst". Eine der radikalsten Streitschriften seit Peter Singers "Animal Liberation". 49 Punkte

    4 (-) Tom Holland: "Herrschaft. Die Entstehung des Westens"
    Aus dem Englischen von Susanne Held
    Klett-Cotta, Stuttgart 2021
    624 Seiten, 28 Euro

    Das Cover von Tom Hollands Buch "Herrschaft. Die Entstehung des Westens" auf orange-weißem Hintergrund.
    Tom Holland: "Herrschaft. Die Entstehung des Westens" © Deutschlandradio / Klett-Cotta
    Die Geschichte des Westens ist die Geschichte des Christentums, meint Tom Holland. Alles Denken – selbst das naturwissenschaftliche und säkulare – sei eine Folge des christlichen Glaubens. Geschickt spannt der Historiker einen Bogen über die Jahrtausende: von der Liebesbotschaft des Kirchenvaters Augustinus bis zum Beatles-Song "All You Need Is Love". 46 Punkte

    Das Buchcover "Ein anderer Krieg" von Dan Diner ist vor einem grafischen Hintergrund zu sehen.
    Dan Diner: "Ein anderer Krieg"© Deutschlandradio / DVA / Random House
    Hitlers Überfall auf Polen oder Russland, die Schlacht um Berlin oder im Pazifik: Die Geschichtsschreibung des Zweiten Weltkriegs entwickelt sich meist entlang dieser Wendepunkte. Der Historiker Dan Diner lenkt den Blick woanders hin: auf den Nahen Osten und sein Öl. Denn das Schicksal Palästinas war eng verwoben mit diesem Krieg. 43 Punkte

    6 (-) Joseph Melzer: "Ich habe neun Leben gelebt"
    Westend, Frankfurt 2021
    336 Seiten, 24 Euro

    Das Cover von Joseph Melzers Buch "Ich habe neun Leben gelebt" vor orange-weißem Hintergrund.
    Joseph Melzer: "Ich habe neun Leben gelebt"© Deutschlandradio / Westend
    Der Verleger Joseph Melzer sagte einmal, er habe "die Nazis erlebt, die Kommunisten überlebt, die Zionisten erduldet und den Sozialisten geholfen". Melzer war aus Deutschland geflohen und wurde später als Spion in der Sowjetunion verhaftet. Bevor er 1984 starb, schrieb er seine Lebensgeschichte: über die Liebe zu Büchern und die Irrwege des 20. Jahrhunderts. 42 Punkte

    7 (-) David Goodhart: "Kopf, Hand, Herz. Das neue Ringen um Status: Warum Handwerks- und Pflegeberufe mehr Gewicht brauchen"
    Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer
    Penguin, München 2021
    400 Seiten, 22 Euro


    Der Kopf ist zu einflussreich geworden, findet der britische Journalist David Goodhart. Denn ob Verkäuferinnen oder Pflegekräfte: Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie wichtig körperliche Arbeit ist. Die größte Wertschätzung bekämen aber Jobs mit akademischer Ausbildung. Goodhart fordert daher, die Berufe "der Hand und des Herzens" endlich aufzuwerten. 36 Punkte
    Das Cover von David Goodharts Buch "Kopf, Hand, Herz, Das neue Ringen um Status: Warum Handwerks- und Pflegeberufe mehr Gewicht brauchen" auf orange-weißem Hintergrund.
    David Goodhart: "Kopf, Hand, Herz, Das neue Ringen um Status: Warum Handwerks- und Pflegeberufe mehr Gewicht brauchen"© Deutschlandradio / Penguin

    8 (-) Michael Jaeger: "Goethes Faust"
    C. H. Beck, München 2021
    128 Seiten, 9,95 Euro

    Das Cover von Michael Jaegers Buch "Goethes Faust" auf orange-weißem Hintergrund.
    Michael Jaeger: "Goethes Faust"© Deutschlandradio / C.H.Beck
    Sein Werk bestehe aus "Bruchstücken einer großen Konfession", schrieb Goethe einmal. Von diesem Prozess des Bruchstückhaften erzählt der Philologe Michael Jaeger: Goethe arbeitete mit Fragmenten, die er in jahrzehntelanger Arbeit zu seinem Monumentalwerk "Faust" zusammen führte. Jaeger beobachtet den Dichter im Kontext dieser Zeit. Eine Zeit, in der Europa sich in Richtung Moderne transformiert. 35 Punkte

    9 (-) Rebekka Endler: "Das Patriarchat der Dinge. Warum die Welt Frauen nicht passt"
    Dumont, Köln 2021
    336 Seiten, 22 Euro

    Das Cover von Rebekka Endlers Buch "Das Patriarchat der Dinge. Warum die Welt Frauen nicht passt" auf orange-weißem Hintergrund.
    Rebekka Endler: "Das Patriarchat der Dinge. Warum die Welt Frauen nicht passt"© Deutschlandradio / Dumont
    "It’s a man’s world": Ob Sicherheitsgurte, die Dosierung von Medikamenten oder die Raumtemperatur – vieles in unserer Umwelt wurde von Männern für Männer normiert. Frauen frieren deshalb am Arbeitsplatz und haben ein höheres Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben. Rebekka Endler zeigt die Ungerechtigkeiten unserer materiellen Welt. 31 Punkte

    9 (7) Anne Applebaum: "Die Verlockung des Autoritären: Warum antidemokratische Herrschaft so populär geworden ist"
    Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer
    Siedler, München 2021
    208 Seiten, 22 Euro

    Buchcover zu "Anne Applebaum:Die Verlockung des AutoritärenWarum antidemokratische Herrschaft so populär geworden ist"
    Anne Applebaum: "Die Verlockung des Autoritären. Warum antidemokratische Herrschaft so populär geworden ist"© Deutschlandradio/Siedler
    Polen 1999: Anne Applebaum und ihr Ehemann, der liberale Politiker Radosław Sikorski, feiern Silvester. Es kommen Vertreter aller politischen Lager. Heute würden viele der Gäste keinen Fuß mehr über ihre Schwelle setzen, mutmaßt Applebaum. Wie viele in Europa sind sie aus Sicht der Historikerin der Verlockung des Autoritarismus erlegen. Was macht dessen Reiz aus? Ein Streifzug durch einen gespaltenen Kontinent. 31 Punkte

    9 (3) Jia Tolentino: "Trick Mirror: Über das inszenierte Ich"
    Aus dem Englischen von Margarita Ruppel
    S. Fischer, Frankfurt am Main 2021
    368 Seiten, 22 Euro

    Cover von Jia Tolentinos Buch "Trick Mirror: Über das inszenierte Ich" auf orange-weißem Grund
    Jia Tolentino: "Trick Mirror: Über das inszenierte Ich"© Deutschlandradio / S. Fischer
    Sie sei die "Susan Sontag der Millennials", schrieb die "Washington Post": Als "Trick Mirror" 2019 erstmals erschien, wurde Jia Tolentino in den USA zur Stimme ihrer Generation erklärt. Jetzt gibt es das Buch der heute 32-Jährigen erstmals auch auf Deutsch. In neun pointierten und wortgewandten Essays geht es vor allem um die beiden großen Themen dieser Zeit: Internet und Feminismus. 31 Punkte

    So funktioniert die Abstimmung:

    Jedes Jurymitglied vergibt an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.

    Die Jury der Sachbuch-Bestenliste:

    René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur)
    Peter Arens (ZDF)
    Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur)
    Ralph Bollmann (FAS)
    Stefan Brauburger (ZDF)
    Alexander Cammann (DIE ZEIT)
    Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel)
    Heike Faller (DIE ZEIT)
    Daniel Fiedler (ZDF)
    Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch)
    Manuel J. Hartung (DIE ZEIT)
    Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur)
    Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur)
    Inge Kutter (DIE ZEIT)
    Hannah Lühmann (DIE WELT)
    Ijoma Mangold (DIE ZEIT)
    Susanne Mayer (DIE ZEIT)
    Tania Martini (taz)
    Catherine Newmark (Deutschlandfunk Kultur)
    Jutta Person (freie Literaturkritikerin)
    Bettina von Pfeil (ZDF)
    Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung)
    Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur)
    Anne Reidt (ZDF)
    Anna Riek (ZDF)
    Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte)
    Hilal Sezgin (freie Autorin)
    Catrin Stövesand (Deutschlandfunk)
    Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)
    Julia Voss (Leuphana-Uni Lüneburg)

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