Deutschlandfunk Kultur, ZDF und "Die Zeit" präsentieren gemeinsam die stärksten Sachbücher des Monats. Gekürt werden die Titel von einer Jury aus 30 Kritikerinnen und Kritikern.
1 (-) Stephan Malinowski: "Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration"
Propyläen, Berlin 2021
784 Seiten, 35 Euro
Stephan Malinowski: "Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration" © Deutschlandradio / Ullstein
Die Hohenzollern Opfer der Nazis? So sieht es zumindest das preußische Adelsgeschlecht – und fordert Entschädigung für die Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Historiker Stephan Malinowski zeigt hingegen: Familienoberhaupt Wilhelm von Preußen unterstützte die NS-Bewegung, und die Hohenzollern wirkten als antidemokratische Projektionsfläche. 82 Punkte
2 (7) Daniel Schreiber: "Allein"
Hanser Berlin, Berlin 2021
108 Seiten, 20 Euro
Daniel Schreiber: "Allein"© Deutschlandradio / Hanser Berlin
"Einsamkeit ist ein Gefühl, das jede und jeden von uns früher oder später einholen wird", findet Daniel Schreiber. Schließlich leben wir heute individualisierter denn je. Warum aber ist das Alleinsein so negativ besetzt? Mit Anekdoten und philosophischer Reflexion ergründet er das Spannungsfeld aus Rückzugswunsch und Sehnsucht nach Zugehörigkeit. 78 Punkte
Elizabeth Kolbert: "Wir Klimawandler. Wie der Mensch die Natur der Zukunft erschafft""© Deutschlandradio / Suhrkamp
Das Paradoxon der Klimakrise: Eingriffe in die Natur haben uns an den Rand der Katastrophe geführt. Nur weitere Eingriffe können sie noch abwenden. Elizabeth Kolbert stellt kühne Ideen der Weltrettung vor, etwa in die Luft gepusteten Diamantenstaub, der das Sonnenlicht abschwächt. Sie findet: Wenn der Mensch schon Gott spielt, dann bitte besser als bisher! 46 Punkte
4 (8) Golo Maurer: "Heimreisen. Goethe, Italien und die Suche der Deutschen nach sich selbst"
Rowohlt, Hamburg 2021
497 Seiten, 28 Euro
Golo Maurer: "Heimreisen. Goethe, Italien und die Suche der Deutschen nach sich selbst"© Deutschlandradio / Rowohlt
"Dem denkenden und fühlenden Menschen geht ein neues Leben, ein neuer Sinn auf, wenn er diesen Ort betritt", heißt es bei Goethe. Seit seiner "Italienischen Reise" ist das Land südlich der Alpen Sehnsuchtsort deutscher Intellektueller. Golo Maurer begibt sich auf die Spuren der "Italienschwärmer" und stößt auch auf Abgründe, bis zum "Flirt mit dem Faschismus". 30 Punkte
5 (-) Andreas Reckwitz/Hartmut Rosa: "Spätmoderne in der Krise"
Suhrkamp, Berlin 2021
310 Seiten, 28 Euro
Andreas Reckwitz/Hartmut Rosa: "Spätmoderne in der Krise. Was leistet die Gesellschaftstheorie?"© Deutschlandradio / Suhrkamp
Die Soziologen Andreas Reckwitz und Hartmut Rosa haben beide in großen Werken die krisenhafte Gegenwart untersucht – ihre Vorstellungen darüber unterscheiden sich grundsätzlich. Jetzt legen sie ein gemeinsames Buch vor, in dem sie ihre Ideen von Theorie und Gesellschaft miteinander diskutieren, auf der Suche nach Ähnlichkeiten in der Differenz. 28 Punkte
6 (-) Günther Rühle: "Ein alter Mann wird älter. Ein merkwürdiges Tagebuch"
Alexander Verlag, Berlin 2021
232 Seiten, 22,90 Euro
Günther Rühle: "Ein alter Mann wird älter: Ein merkwürdiges Tagebuch" © Deutschlandradio / Alexander Verlag
Wer Theaterstücke inszeniert, reflektiert die Gesellschaft kontinuierlich. Für Selbstreflexion dagegen blieb lange keine Zeit, beklagt Günther Rühle, Journalist und Ex-Intendant des Schauspiels Frankfurt. Mit Mitte 90 horcht er in sich hinein und nimmt dabei Merkwürdiges wahr, auch die Angst vor sich selbst. Eine innere Erkundungsreise, schonungslos ehrlich. 27 Punkte
7 (-) Wolfgang Schivelbusch: "Die andere Seite. Leben und Forschen zwischen Berlin und New York"
Rowohlt, Hamburg 2021
336 Seiten, 26 Euro
Der Kulturhistoriker Wolfgang Schivelbusch erzählt von seinem durch Amerika geprägten Leben. Als Kind bewunderte er die GIs im Frankfurter Schwimmbad, später lebte er abwechselnd in Berlin und New York; aus seiner Wohnung schaute er aufs World Trade Center. Eine Gesprächs-Biografie, die zugleich die komplizierte transatlantische Beziehung analysiert. 25 Punkte
8 (-) David Baddiel: "Und die Juden?"
Aus dem Englischen von Stephan Kleiner
Hanser, München 2021
136 Seiten, 18 Euro
David Baddiel: "Und die Juden?© Deutschlandradio / Hanser
"Jews Don't Count" lautet der englische Originaltitel des nun auf Deutsch erschienenen Buches von David Baddiel – "Juden zählen nicht". Der britische Autor und Comedian moniert: Wenn Linke Minderheiten ermächtigen wollen, sind jüdische Menschen meist nicht mitgemeint. Ein entlarvender Blick auf die Inkohärenzen der Identitätspolitik. 21 Punkte
9 (-) Harald Welzer: "Nachruf auf mich selbst. Die Kultur des Aufhörens"
S. Fischer, Frankfurt am Main 2021
288 Seiten, 22 Euro
Harald Welzer: "Nachruf auf mich selbst. Die Kultur des Aufhörens"© Deutschlandradio / S. Fischer
Was hat der Klimawandel mit unserem Verhältnis zum Tod zu tun? Sehr viel, meint Harald Welzer: Wir sind unfähig, uns mit Endlichkeit zu arrangieren, daher drehen wir das Rad des Wachstums immer weiter. Welzer plädiert für ein Wiedererlernen des "Aufhörens". Wie das geht? Indem man in einem "Nachruf auf sich selbst" überlegt, wie man gelebt haben will. 20 Punkte
10 (-) Florian Illies: "Liebe in Zeiten des Hasses. Chronik eines Gefühls, 1929–1939"
S. Fischer, Frankfurt am Main 2021
432 Seiten, 24 Euro
Florian Illies, "Liebe in Zeiten des Hasses"© Deutschlandradio / S. Fischer
In seinem Bestseller 1913 porträtierte Florian Illies den Vorsommer des Ersten Weltkrieges. Sein neues Buch kreist um das Jahr 1933 und die privaten Lieben jener Zeit, als die Goldenen Zwanziger zu Ende gingen und die Nazis die Macht übernahmen. Ob emigrierte Intellektuelle oder amerikanische Stars: ein Panorama der großen Gefühle im Angesicht der Katastrophe. 18 Punkte
So funktioniert die Abstimmung:
Jedes Jurymitglied vergibt an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste:
René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur)
Peter Arens (ZDF)
Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur)
Ralph Bollmann (FAS)
Stefan Brauburger (ZDF)
Alexander Cammann (DIE ZEIT)
Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel)
Heike Faller (DIE ZEIT)
Daniel Fiedler (ZDF)
Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch)
Manuel J. Hartung (ZEIT-Stiftung)
Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur)
Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur)
Inge Kutter (DIE ZEIT)
Hannah Lühmann (DIE WELT)
Ijoma Mangold (DIE ZEIT)
Susanne Mayer (DIE ZEIT)
Tania Martini (taz)
Catherine Newmark (Deutschlandfunk Kultur)
Jutta Person (freie Literaturkritikerin)
Bettina von Pfeil (ZDF)
Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung)
Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur)
Anne Reidt (ZDF)
Anna Riek (ZDF)
Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte)
Hilal Sezgin (freie Autorin)
Catrin Stövesand (Deutschlandfunk)
Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)
Julia Voss (Leuphana Uni Lüneburg)