Sachbuchbestenliste November

    Wie die große Welt ins Dorf kommt

    05:20 Minuten
    Coverabbildung der Bücher Uta Ruge "Bauern, Land", Corine Pelluchon: "Wovon wir leben" und Tobias Roth: "Welt der Renaissance".
    Auf Platz drei im November: Tobias Roths großflächiges Epochenporträt "Welt der Renaissance". © Deutschlandradio / Kunstmann / wbg Academics / Galiani
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    Die Kluft zwischen Stadt und Land, ein gesellschaftlicher Großkonflikt unserer Zeit, aus Sicht des Dorfes und seiner Bewohner: Uta Ruges "Bauern, Land" ist das beste Sachbuch des Monats. Auf Platz 2: Corine Pelluchons "Wovon wir leben".
    Deutschlandfunk Kultur, ZDF und "Die Zeit" präsentieren gemeinsam die stärksten Sachbücher des Monats. Gekürt werden die Titel von einer Jury aus 30 Kritikerinnen und Kritikern.

    1 (-) Uta Ruge: "Bauern, Land. Die Geschichte meines Dorfes im Weltzusammenhang"
    Kunstmann, München 2020
    480 Seiten, 28 Euro

    Coverabbildung Uta Ruge: "Bauern, Land"
    Uta Ruge: "Bauern, Land"© Deutschlandradio / Kunstmann
    Uta Ruge ist auf einem Bauernhof im Kreis Cuxhaven aufgewachsen, später arbeitete sie als Journalistin in Berlin. Nun kehrt sie zurück auf den Hof ihrer Jugend, den ihr Bruder übernommen hat. Sie zeigt, wie das Weltgeschehen das Leben dort verändert – und wie groß die Kluft zwischen Stadt und Land inzwischen ist. 58 Punkte

    2 (-) Corine Pelluchon: "Wovon wir leben"
    Aus dem Französischen von Heinz Jatho unter Mitarbeit von Sophie Dahmen
    Wbg Academic, Darmstadt 2020
    416 Seiten, 50 Euro

    Coverabbildung Corine Pelluchon: "Wovon wir leben"
    Corine Pelluchon: "Wovon wir leben"© Deutschlandradio / wbg Academic
    "Was ändert sich in Ethik und Politik, wenn wir in unserem Denken vom Körper statt vom Geist ausgehen?", fragt die Philosophin Corine Pelluchon. Der Körper braucht Nahrung, er friert, er will berührt, will geliebt werden. Pelluchons Materialismus soll den Blick erweitern – hin zu einer Existenzialphilosophie, die auch Tierwohl und Umweltschutz mitdenkt. 51 Punkte

    3 (-) Tobias Roth: "Welt der Renaissance"
    Galiani, Berlin 2020
    640 Seiten, 89 Euro

    Coverabbildung Tobias Roth: "Welt der Renaissance"
    Tobias Roth: "Welt der Renaissance"© Galiani / Deutschlandradio
    Mehrere Jahre saß der Lyriker Tobias Roth an seinem Sammelband über die italienische Renaissance. Er hat 350 zeitgenössische Texte zusammengetragen, übersetzt und eingeordnet. Noch nie gab es einen so vollständigen Überblick über die Geburtsstunde des modernen Europas. Darunter manche Kuriosität – wie die "Geschlechtsteilforschung" des Dichters Antonio Vignali. 44 Punkte

    4 (-) Christoph Möllers: "Freiheitsgrade. Elemente einer liberalen politischen Mechanik"
    Suhrkamp, Berlin 2020
    343 Seiten, 18 Euro

    Coverabbildung Christoph Möllers: "Freiheitsgrade"
    Christoph Möllers: "Freiheitsgrade"© Suhrkamp / Deutschlandradio
    Wie erklärt man heute Liberalismus? Der Rechtsphilosoph Christoph Möllers wählt eine Analogie aus der Mechanik: die Freiheitsgrade. Je mehr es von ihnen gibt, desto größer ist das Bewegungsspektrum eines Körpers. Nicht um das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft geht es Möllers, sondern um die Ergebnisoffenheit politischer Prozesse. 36 Punkte

    5 (2) Omri Boehm: "Israel – eine Utopie"
    Aus dem Englischen von Michael Adrian
    Propyläen, Berlin 2020
    256 Seiten, 20 Euro


    "Lasst das Licht der öffentlichen Debatte dazu beitragen, ein rationales Urteil über den jüdischen Staat zu fällen", sagt der Philosoph Omri Boehm. Er unterscheidet in Bezug auf Israel Selbstbestimmung und Souveränität: Das israelische Volk habe ein Recht auf Selbstbestimmung, aber keines auf eine Souveränität, die Minderheiten oder andere Völker unterdrücke. Boehm benennt Demokratiedefizite, ganz ohne Polemik. 31 Punkte
    Das Buchcover, von Omri Boehm: "Israel – eine Utopie", Propyläen Verlag, 2020.
    Omri Boehm: "Israel – eine Utopie"© Propyläen Verlag / Deutschlandradio

    5 (-) Johny Pitts: "Afropäisch"
    Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm
    Suhrkamp, Berlin 2020
    461 Seiten, 26 Euro


    Er reise im Namen derer, die nicht reisen konnten oder wollten, sagt Johny Pitts, britischer Radiomoderator und Sohn eines Afroamerikaners. In Paris, Berlin, Amsterdam, Brüssel sucht Pitts seine eigene Identität im postkolonialen Europa. Eine Frage treibt ihn dabei besonders um: Wie lässt sich eine solche Identität definieren, ohne Klischees zu reproduzieren? 31 Punkte

    7 (1) Hedwig Richter: "Demokratie. Eine deutsche Affäre"
    C.H. Beck, München 2020
    400 Seiten, 26,95 Euro


    Viele warnen heute vor dem Untergang der Demokratie. Aber ist es wirklich so ernst? Die Historikerin Hedwig Richter reist in die Vergangenheit, erzählt die Geschichte der deutschen Demokratie als eine Chronologie von Fehlern, Zufällen und Lernprozessen, in deren Zentrum der Zivilisationsbruch des Holocausts steht. Ein Buch, das trotz allem viel Hoffnung weckt. 26 Punkte
    Coverabbildung des Buches "Demokratie. Eine deutsche Affäre" von Hedwig Richter.
    Hedwig Richter: "Demokratie. Eine deutsche Affäre"© C.H. Beck / Deutschlandradio

    8 (-) Heike Behrend: "Menschwerdung eines Affen"
    Matthes & Seitz, Berlin 2020
    278 Seiten, 25 Euro

    Coverabbildung Heike Behrend: "Menschwerdung eines Affen"
    Heike Behrend: "Menschwerdung eines Affen"© Deutschlandradio / Matthes & Seitz
    Affe, Närrin, Clown, böser Geist, Hexe, Spionin, Kannibale. Die Namen, die die Ethnologin Heike Behrend in Afrika bekommen hat, sind wenig schmeichelhaft. Jetzt betreibt Behrend in ihrer Autobiografie Feldforschung an sich selbst: Was lernen wir über uns, wenn die Konfrontation mit dem Fremden unser eigenes koloniales Selbstverständnis erschüttert? 25 Punkte

    8 (-) Eva von Redecker: "Revolution für das Leben. Philosophie der neuen Protestformen"
    S. Fischer, Frankfurt/Main 2020
    320 Seiten, 23 Euro

    Coverabbildung Eva von Redecker: "Revolution für das Leben"
    Eva von Redecker: "Revolution für das Leben"© S. Fischer / Deutschlandradio
    Aus Sicht der Philosophin Eva von Redecker verbindet die großen Protestbewegungen der Gegenwart allesamt das Ziel, Leben zu retten – gegen einen angeblich lebensfeindlichen Kapitalismus. Rassismus, Klimakatastrophe oder Geschlechterungleichheit ließen sich auf die alte Eigentumsfrage herunterbrechen. Von Redecker hofft darum auf eine Revolution. 25 Punkte

    10 (-) Benjamin Moser: "Sontag. Die Biografie"
    Aus dem Englischen von Hainer Kober
    Penguin, München 2020
    928 Seiten, 40 Euro

    Zu sehen ist das Cover des Buches "Sontag. Eine Biografie" von Benjamin Moser.
    Benjamin Moser "Sontag. Eine Biografie"© Penguin Verlag / Deutschlandradio
    Auf rund 900 Seiten hat der US-amerikanische Schriftsteller Benjamin Moser wohl alles zusammengetragen, was es über die New Yorker Intellektuelle Susan Sontag an Material gibt. Dafür gewann er dieses Jahr den Pulitzerpreis. Dabei ist Moser in der Bewertung der 2004 verstorbenen Ikone alles andere als zimperlich. 24 Punkte

    So funktioniert die Abstimmung:

    Jedes Jurymitglied vergibt an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.

    Die Jury der Sachbuch-Bestenliste:

    René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur)
    Peter Arens (ZDF)
    Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur)
    Ralph Bollmann (FAS)
    Stefan Brauburger (ZDF)
    Alexander Cammann (DIE ZEIT)
    Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel)
    Heike Faller (DIE ZEIT)
    Daniel Fiedler (ZDF)
    Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch)
    Manuel J. Hartung (DIE ZEIT)
    Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur)
    Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur)
    Inge Kutter (DIE ZEIT)
    Hannah Lühmann (DIE WELT)
    Ijoma Mangold (DIE ZEIT)
    Susanne Mayer (DIE ZEIT)
    Tania Martini (taz)
    Catherine Newmark (Deutschlandfunk Kultur)
    Jutta Person (freie Literaturkritikerin)
    Bettina von Pfeil (ZDF)
    Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung)
    Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur)
    Anne Reidt (ZDF)
    Anna Riek (ZDF)
    Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte)
    Hilal Sezgin (freie Autorin)
    Catrin Stövesand (Deutschlandfunk)
    Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)
    Julia Voss (Leuphana-Uni Lüneburg)

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