Deutschlandfunk Kultur, ZDF und "Die Zeit" präsentieren gemeinsam die stärksten Sachbücher des Monats. Gekürt werden die Titel von einer Jury aus 30 Kritikerinnen und Kritikern.
Steffen Mau: "Sortiermaschinen"© Deutschlandradio / C. H. Beck
Die Globalisierung macht Menschen mobiler? - Mobiler werden nur diejenigen, die privilegiert sind, schreibt der Soziologe Steffen Mau. Schwache, Bedrohte, Geringqualifizierte haben es schwerer denn je. Zur physischen Grenzmauer sind virtuelle Techniken hinzugekommen – mit verheerenden Folgen für die globale Wohlstandsverteilung. 95 Punkte
Elizabeth Kolbert: "Wir Klimawandler. Wie der Mensch die Natur der Zukunft erschafft""© Deutschlandradio / Suhrkamp
Das Paradoxon der Klimakrise: Eingriffe in die Natur haben uns an den Rand der Katastrophe geführt. Nur weitere Eingriffe können sie noch abwenden. Elizabeth Kolbert stellt kühne Ideen der Weltrettung vor, etwa in die Luft gepusteten Diamantenstaub, der das Sonnenlicht abschwächt. Sie findet: Wenn der Mensch schon Gott spielt, dann bitte besser als bisher! 56 Punkte
3 (-) Niall Ferguson: "Doom. Die großen Katastrophen der Vergangenheit und einige Lehren für die Zukunft"
Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer
DVA, München 2021
592 Seiten, 28 Euro
Niall Ferguson: "Doom: Die großen Katastrophen der Vergangenheit und einige Lehren für die Zukunft"© Deutschlandradio / DVA
Ob Corona oder Umweltextreme: Noch heute treffen uns Katastrophen unvorbereitet. Dabei wären viele von ihnen mit historischem Bewusstsein vermeidbar. Der britische Historiker Niall Ferguson analysiert vergangene Katastrophen wie den Reaktorunfall von Tschernobyl oder den Ausbruch des Vesuvs und erklärt, welche Lehren wir daraus ziehen müssen. 40 Punkte
Herfried Münkler: "Marx, Wagner, Nietzsche. Welt im Umbruch"© Deutschlandradio / Rowohlt Berlin
Drei Geister überragender Werke, zugleich: drei Stichwortgeber verheerender Ismen. Kaum jemand steht mehr für die Dynamiken und Widersprüche des 19. Jahrhunderts als Marx, Wagner und Nietzsche. Das Buch von Deutschlands wohl bekanntestem Politologen Herfried Münkler ist mehr als eine Dreifachbiografie – es ist ein Stück deutscher Mentalitätsgeschichte. 38 Punkte
Ursula Weidenfeld: "Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche" © Deutschlandradio / Rowohlt Berlin
Wäre Angela Merkel eine Stadt, sie wäre Haßloch, die pfälzische Musterstadt für Durchschnittsdeutschland. Als "Frau ohne Eigenschaften" beschreibt Ursula Weidenfeld die Kanzlerin: pragmatisch, zögernd und doch eine Streitfigur der Konservativen. Wie wurde Merkel zu dem, was sie ist? Wie hat sie das Land verändert? Eine Spurensuche entlang der 16 Merkel-Jahre. 37 Punkte
Per Leo: "Tränen ohne Trauer. Nach der Erinnerungskultur"© Deutschlandradio / Klett-Cotta
Wir Deutschen sind stolz auf unsere Erinnerungskultur. Doch kann es sein, dass wir uns nur selbst entlasten wollen? Per Leo, Mitautor des vieldiskutierten Bestsellers "Mit Rechten reden", schlägt vor, den Blick zu weiten: Wie stehen die USA, Israel oder Polen zu ihrer eigenen unaufgeräumten Geschichte? Ein Plädoyer für mehr Offenheit und Neugier – und gegen das Klischee. 31 Punkte
7 (-) Daniel Schreiber: "Allein"
Hanser Berlin, Berlin 2021
108 Seiten, 20 Euro
Daniel Schreiber: "Allein"© Deutschlandradio / Hanser Berlin
"Einsamkeit ist ein Gefühl, das jede und jeden von uns früher oder später einholen wird", findet Daniel Schreiber. Schließlich leben wir heute individualisierter denn je. Warum aber ist das Alleinsein so negativ besetzt? Mit Anekdoten und philosophischer Reflexion ergründet er das Spannungsfeld aus Rückzugswunsch und Sehnsucht nach Zugehörigkeit. 30 Punkte
8 (-) Aladin El-Mafaalani: "Wozu Rassismus. Von der Erfindung der Menschenrassen bis zum rassismuskritischen Widerstand"
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021
192 Seiten, 12 Euro
Aladin El-Mafaalani: "Wozu Rassismus, Von der Erfindung der Menschenrassen bis zum rassismuskritischen Widerstand"© Deutschlandradio / KiWi
"Rassismus benachteiligt, entwürdigt, macht krank", schreibt Aladin El-Mafaalani. So viel ist klar, wo aber liegen die Wurzeln des Rassismus? Und wie unterscheidet sich struktureller von institutionellem Rassismus? In seinem Buch beleuchtet der Soziologe El-Mafaalani die "menschenfeindliche Herrschaftsideologie". Das Übersichtswerk zu einer immer unübersichtlicheren Debatte. 27 Punkte
8 (-) Golo Maurer: "Heimreisen. Goethe, Italien und die Suche der Deutschen nach sich selbst"
Rowohlt, Hamburg 2021
497 Seiten, 28 Euro
Golo Maurer: "Heimreisen. Goethe, Italien und die Suche der Deutschen nach sich selbst"© Deutschlandradio / Rowohlt
"Dem denkenden und fühlenden Menschen geht ein neues Leben, ein neuer Sinn auf, wenn er diesen Ort betritt", heißt es bei Goethe. Seit seiner Italienischen Reise ist das Land südlich der Alpen Sehnsuchtsort deutscher Intellektueller. Golo Maurer begibt sich auf die Spuren der "Italienschwärmer" und stößt auch auf Abgründe, bis zum "Flirt mit dem Faschismus". 27 Punkte
10 (-) Ralf Konersmann: "Welt ohne Maß"
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021
310 Seiten, 26 Euro
Ralf Konersmann: "Welt ohne Maß"© Deutschlandradio / S. Fischer
Für den antiken Dichter Horaz war Mäßigung eine "Metatugend" – jede andere Tugend gehe aus ihr hervor. Die Moderne dagegen sei maßlos, behauptet der Philosoph Ralf Konersmann. Schuld daran sei der Aufstieg der Wissenschaft. Wo alles vermessbar ist, gibt es keinen Zweifel mehr und damit auch kein Maß. Eine materialreiche Ideengeschichte der Mäßigung. 25 Punkte
So funktioniert die Abstimmung:
Jedes Jurymitglied vergibt an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste:
René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur)
Peter Arens (ZDF)
Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur)
Ralph Bollmann (FAS)
Stefan Brauburger (ZDF)
Alexander Cammann (DIE ZEIT)
Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel)
Heike Faller (DIE ZEIT)
Daniel Fiedler (ZDF)
Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch)
Manuel J. Hartung (DIE ZEIT)
Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur)
Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur)
Inge Kutter (DIE ZEIT)
Hannah Lühmann (DIE WELT)
Ijoma Mangold (DIE ZEIT)
Susanne Mayer (DIE ZEIT)
Tania Martini (taz)
Catherine Newmark (Deutschlandfunk Kultur)
Jutta Person (freie Literaturkritikerin)
Bettina von Pfeil (ZDF)
Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung)
Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur)
Anne Reidt (ZDF)
Anna Riek (ZDF)
Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte)
Hilal Sezgin (freie Autorin)
Catrin Stövesand (Deutschlandfunk)
Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)
Julia Voss (Leuphana Uni Lüneburg)