Sachhörbuch

20 Minuten für den Ersten Weltkrieg

Historisches Telefon mit Wählscheibe
Historisches Telefon mit Wählscheibe (dpa / picture alliance / Lehtikuva Pekka Sakki) © dpa / picture alliance / Lehtikuva Pekka Sakki
Von Wolfgang Schneider |
Eine geglückte Verbindung von Unterhaltung und Bildungserlebnis belebt die vernachlässigte Sparte des Sachhörbuchs: Weltgeschichte, Alltagskultur und Wissenschaften auf 23 CDs – verpackt in spannenden Hörspieleinlagen und lehrreichen Expertentexten.
"Im Großen und Ganzen darf man mit etwas Humor sagen: Bleiben Sie so wie Sie sind – es bleibt Ihnen ohnehin nichts anderes übrig."
Der Hirnforscher Gerhard Roth erläutert die Hauptkomponenten der Persönlichkeit: das Temperament, mit dem der Mensch schon geboren wird, und der in den ersten Lebensjahren erworbene Charakter, der sich später noch ein wenig nachmodellieren lässt. Große Veränderungen des eigenen Wesens aber sind nicht möglich. Das kann man bedauern, aber es ist zugleich die Basis des gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Gerhard Roth: "Wir verlassen uns doch darauf, dass Menschen sich nicht jeden Tag vollkommen in ihrer Persönlichkeit ändern. Wie sollte denn eine verlässliche Partnerschaft aussehen? Sondern eher – das was wir beklagen ist auch das Positive: Dass man sich auf Menschen, im Guten wie im Schlechten, verlassen kann."
Ein verlässliches Hörvergnügen ist diese Edition des Wissens. Man kann vom"Glauben der Inkas" zum"Imperium des Walt Disney" wechseln, von der "Geschichte der Atomkraft" zu "Thomas Cook – Pionier des Pauschaltourismus". Die erste von Cook organisierte Reise fand 1841 im alkoholismusgeplagten England statt. Sie führte ganze sechzehn Kilometer weit von Leicester nach Loughborough und beförderte die Teilnehmer zu einem Temperenzlertreffen:
Sprecherin: "Die 570 Ausflügler zwängten sich samt der Blaskapelle in die neuen Waggons. Und dann ging es los. Alle wurden schwarz vom Ruß, den die Lokomotive ausstieß. Denn die Wägen waren nicht überdacht. Auch Sitze gab es keine, aber das machte nichts. Es herrschte Hochstimmung. Wo immer die Reisenden vorbeikamen, jubelte man ihnen zu."
Je schärfer umrissen das Thema, desto besser funktioniert das Format des Zwanzig-Minuten-Features."Hallo Seele! Die Entstehungsgeschichte der Psychologie" – das klingt spannend, ist aber überdimensioniert und kommt über Allgemeinheiten nicht hinaus. Andere Beiträge aus den Bereichen Psychologie, Neurobiologie und Verhaltensforschung können jedoch überzeugen, etwa der über "Lernende Tiere und denkende Pflanzen". Der Begriff der Intelligenz ist ja nicht mehr reserviert für Menschen, Affen, Delfine oder Kolkraben:
"So warnen Tomatenpflanzen ihre Nachbarn, wenn sich ein Fressfeind, zum Beispiel eine Raupe nähert. Andere Studien zeigen, dass auch Bäume untereinander kommunizieren."
"Da ist ein ununterbrochenes Murmeln in der Luft. Immer. Überall. Wir hören es nicht, aber es ist da, denn es ist ein Gemurmel via Duftstoffe."
Wechsel von Experten-O-Ton zu Hörspielelementen

Beim regelmäßigen Wechsel von Sprechertexten und Experten-O-Tönen, akustischen Assoziationen und hörspielerischen Momenten kommt keine Langeweile auf. Ein Feature widmet sich dem Klimawandel in der Erdgeschichte. Aus dieser Perspektive, in der 1000 Jahre wie ein Fingerschnippen sind, erscheint die aktuelle Debatte um ein paar Grad Erderwärmung geradezu kleinkariert. Denn geändert hat sich das Klima ständig.
"Meistens war es jedoch um einiges wärmer als heute."
"In der Kreidezeit vor rund 100 Millionen Jahren zum Beispiel herrschte tropisches Klima."
"Dinosaurier konnten bis weit in den Norden und Süden vordringen."
"Denn die Pole waren eisfrei, wie fast immer in früheren Zeiten."
"Anders als heute, wo wir uns ausnahmsweise in einem Eiszeitalter befinden."
Die besten Beiträge verbinden Grundlagenwissen mit vertiefenden Einblicken. Wie hier ein riesiges Themenfeld wie der Erste Weltkrieg in zwanzig klarsichtigen Minuten abgehandelt wird – Respekt! Das Hörstück über die"Kulturgeschichte des Telefons" lässt es ordentlich klingeln. Man erfährt, dass das erste Berliner Telefonbuch vom Volksmund als "Buch der Narren" bezeichnet wurde, erschien die Erfindung anfangs doch als "amerikanischer Schnickschnack". Es gab noch keine Wählscheibe, wenn die Verbindung zum Amt erkurbelt war, musste dort von Hand vermittelt werden.
"Das neue Medium beschert vielen jungen Frauen einen neuen Job."
"Das Fräulein vom Amt wird geboren."
"Weil durch die höhere Stimmlage des weiblichen Organs die Schallwellen leichter verständlich sind. Und sodann weil der Teilnehmer friedlich wird, wenn ihm aus dem Telefon eine Frauenstimme entgegentönt…"
So jedenfalls die offizielle Begründung."Fasse dich kurz!", mahnten Plaketten in den ersten Telefonzellen. Aber je mehr Anschlüsse verfügbar waren, desto freundlicher wurden die Imperative, bis hin zum entspannten "Ruf doch mal an". Hör doch mal zu!, lässt sich bei dieser Wissens-Edition empfehlen. Sie bietet eine geglückte Verbindung von Unterhaltung und Bildungserlebnis.

Die ganze Welt des Wissens
Produktion Bayerischer Rundfunk
Der Hörverlag, München 2013, 23 CDs
1400 Minuten, 69,99 Euro

Mehr zum Thema