Sachsens Kulturszene vor der Landtagswahl

Die unsichere Zukunft der Kunstfreiheit

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Auf einer Theaterbühne steht eine Frau im Matrosen-Look auf einem großen metallenen Schiffsrumpf und hält ein blaues Buch in die Höhe.
Werden sächsische Künstler noch ihr "Blaues Wunder" erleben? Szene aus dem gleichnamigen Stück am Staatsschauspiel Dresden. © Staatsschauspiel Dresden, Sebastian Hoppe
Von Alexandra Gerlach |
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Die AfD übernimmt in Sachsen die Regierung - diese Vorstellung hat das Staatsschauspiel Dresden schon auf die Bühne gebracht. Am Sonntag wird der Landtagswahl neu gewählt und das Bühnenspiel könnte Realität werden. Die Kulturszene ist beunruhigt.
"Was wäre, wenn die AfD in Sachsen regieren würde?" Das fragte Theaterregisseur Volker Lösch mit seinem vieldiskutierten Stück "Das Blaue Wunder", das er im Januar am Dresdner Staatsschauspiel auf die Bühne brachte. Das Theaterstück, basierend auf Zitaten und Texten aus Programmen der Neuen Rechten, ist eine Groteske, die zeigen will, was passieren könnte, wenn diese Forderungen aus dem "Blauen Buch" umgesetzt würden.

Künstler provozieren

Die künstlerische Provokation verfehlte ihr Ziel nicht. Die AfD protestierte und forderte, öffentliche Gelder für diese Art der politischen Kunst und Kultur nicht mehr bereitzustellen. Eine Forderung, die sich auch in ihrem aktuellen Parteiprogramm wiederfindet. Staatsschauspiel-Intendant Joachim Klement zitiert: "Wir wenden uns allerdings gegen ein vorrangig politisch motiviertes, propagandahaft-erzieherisches Musik- und Sprechtheater, wie es mitunter auch auf sächsischen Bühnen praktiziert wird."
Und er kommentiert: "Das sind sehr dehnbare Begriffe. Wir haben schon den Eindruck, dass unsere Arbeit damit gemeint ist, und können natürlich nur versprechen, dass wir im Rahmen der Freiheit der Kunst das machen, was wir für notwendig und richtig halten und uns das auch von keiner Partei vorschreiben lassen."
Ein Mann mit schwarzer Brille und grauem Haar schaut in die Kamera.
Joachim Klement ist seit der Spielzeit 2017/2018 Intendant des Staatsschauspiels Dresden. © picture alliance / dpa / Arno Burgi
Beunruhigt zeigen sich auch Museumsleute. In den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden macht sich Generaldirektorin Marion Ackermann Gedanken über die Zukunft der Kunstfreiheit, die eigentlich vom Grundgesetz besonders geschützt wird. Dennoch macht sich ein gewisses Unbehagen breit.

Warnung vor Einschränkung der Kunstfreiheit

Marion Ackermann betont: "Ja, wir müssen uns einfach dafür einsetzen, dass sie nicht in Gefahr gerät. Denn zur Freiheit der Kunst gehört natürlich dazu, dass Künstler sich immer auch mit den existentiellen Grenzerfahrungen auseinandersetzen, mit komplizierten Situationen. Wenn man das umstellt mit Verboten - es darf jetzt nur noch mit Sachsen zu tun haben, mit der eigenen Kultur, es darf nur einem bestimmten 'gesunden' Familienbild entsprechen, dann gibt es natürlich keine gute Kunst mehr. Wir müssen alles dafür tun, um das zu bewahren."
In einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" warnt Ackermann zudem, dass die Freiheit der Kunst, unabhängig von der Debatte um die AfD, derzeit ohnehin Einschränkungen durch eine "übertriebene political correctness" erfahre. Eine Einschätzung, die Sachsens Wissenschafts- und Kunstministerin Eva-Maria Stange von der SPD mit Blick auf den aktuellen Fall um den Künstler Axel Krause aus Leipzig teilt.
Marion Ackermann am 11.05.2016  im Residenzschloss in Dresden bei der Vorstellung als Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Marion Ackermann ist seit November 2016 Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.© epd-bild/Matthias Rietschel
"Wir nehmen mal das Beispiel", so Stange, "dass eine Jahresausstellung abgesagt wird, weil ein Künstler, dessen Kunstwerk von der Jury ausgewählt wurde, der AfD nahesteht. Ich habe das für den falschen Weg gehalten, diese Jahresausstellung abzusagen. Man muss sich damit auseinandersetzen, aber das ist erst einmal das gute Recht des Künstlers, sein Kunstwerk zu machen. Und ich weiß nicht und kann auch nicht bei jedem Kunstwerk erkennen, ob da nun jemand dabei ist, dessen politische Ansichten nicht meinen Ansichten entsprechen."

Besondere Stellung der Kunst im Osten

Gerade in den östlichen Bundesländern habe Kunst seit 1989 einen ganz besonderen Stellenwert, betont Stange: "Kunst und Kultur haben sich in den Jahren seit 1989 gerade in unserem Land dadurch entwickeln können, dass sie ein Korrektiv sind, dass sie gerade öffentliche Themen und Probleme der Menschen aufgreifen, auf die Bühne bringen oder ins Bild bringen und das auch in ihrer Freiheit machen können. Ich denke, hier sollten wir wirklich darauf achten. Wir haben ja aktuelle Beispiele, dass da keine Einschränkungen kommen."
Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) spricht mit erhobenem Zeigefinger.
Eva-Maria Stange (SPD) ist seit Dezember 2017 im Kabinett Kretschmer die Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst im Freistaat Sachsen. © dpa/picture alliance/Matthias Hiekel
In den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden fürchtet man angesichts der zu erwartenden geänderten politischen Kräfteverhältnisse nach der Landtagswahl einen gezielten Verlust der Internationalität. Generaldirektorin Marion Ackermann: "Zu leugnen, dass wir alle voneinander lernen können, auch in einem internationalen Zusammenhang. Dass wir auch die anderen Sprachen brauchen, nicht nur das Deutsche! Im Grünen Gewölbe haben Sie Führer in zehn Sprachen. Das gab es bereits im 18. Jahrhundert, da gab es hier Führungen in acht Sprachen. Das heißt, Internationalität war in Sachsen immer eingeschrieben. Wenn man jetzt einen Rückschritt vornimmt, dann weiß ich gar nicht, was wir dann noch sollen mit unseren Kulturinstitutionen."

Nächste Aufführung "Das Blaue Wunder":
Freitag, 20. September, 19.30 - 21.30 Uhr
Schauspielhaus Dresden
19.00 Einführung, im Anschluss Publikumsgespräch

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