Sachsen empfiehlt Corona-Impfung ab 12 Jahren
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Anders als die Ständige Impfkommission rät die Sächsische Impfkommission, Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren generell gegen das Coronavirus zu impfen. Der politische Druck auf die Stiko wächst. Ärztinnen und Ärzte kritisieren das scharf.
Die Sächsische Impfkommission (Siko) empfiehlt ab jetzt generell Corona-Impfungen für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren. Sie spricht damit eine andere Empfehlung aus als die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert Koch-Instituts: Die Stiko empfiehlt die Impfungen bislang nur für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren mit bestimmten Vorerkrankungen. Möglich sind sie aber auch auf Wunsch nach individueller ärztlicher Beratung.
Die Siko ist die einzige Impfkommission auf Länderebene, in Sachsen sollen sich Ärztinnen und Ärzte nach ihren Empfehlungen richten. Der Siko-Vorsitzende Thomas Grünewald erklärt, dass die Entscheidung auf neuen Daten aus den USA und Israel beruhe. Diese zeigten, dass die Impfung für Kinder ab 12 Jahren sicher sei und ihnen auch einen individuellen Schutz biete:
"Es ist nicht nur die Tatsache, dass es ein epidemiologischer Schutz ist – das heißt, die anderen sind geschützt durch die Impfung –, auch die Kinder selber haben einen Vorteil durch die Impfung."
Die Siko habe dieselben Daten wie die Stiko vorliegen, sagt Grünewald. "Wir haben vielleicht die Möglichkeit, etwas schneller zu reagieren." Die Datenbasis für die Einschätzung der Siko seien 6,1 Millionen Impfungen von 12- bis 17-Jährigen in den USA sowie eine hohe sechsstellige Zahl solcher Impfungen in Israel.
Politischer Druck auf die Stiko
Durch die fehlende Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche gerät die Stiko vermehrt in die Kritik. Zuletzt drängte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die Stiko dazu, ihre Einschätzung zu revidieren. "Wenn die europäische Zulassungsbehörde zwei Corona-Impfstoffe für sicher und wirksam auch für Kinder ab zwölf Jahren erklärt, spricht aus meiner Sicht sehr viel dafür, die Vakzine auch für diese Gruppe breit zu nutzen", sagte der CDU-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Gegen politische Einflussnahme wehrt sich die Stiko, zuletzt nach Kritik von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Ziel sei das Erarbeiten der bestmöglichen Impfempfehlung für einzelne Menschen und für die Gemeinschaft: "Dies erfolgt unabhängig von Meinungen und Wünschen von Politikern und der pharmazeutischen Industrie", teilte das unabhängige Gremium mit.
Hausärztin: "Eine Art Stimmungsmache"
Manja Dannenberg von der Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte betrachtet mit Sorge, dass die Politik versucht, auf Expertengremien wie die Stiko Einfluss zu nehmen.
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"Das ist etwas, das wir bis jetzt hauptsächlich von den Arzneimittelherstellern kennen", sagt die Hausärztin. In dieser Form kenne sie das von der Politik noch nicht. Die Mechanismen seien jedoch ähnlich. Sie beobachte "eine Art Stimmungsmache", es werde suggeriert, dass Kinder häufiger von schweren Verläufen bedroht seien: "Das macht natürlich Angst."
Der Beobachtungszeitraum sei für Studien noch sehr kurz. "Wollen wir wirklich Kinder und Jugendliche einem noch nicht erfassten Risiko aussetzen?", fragt sie. Als Ärztin müsse sie die Risiken immer im Blick haben: "Und die kennen wir hier einfach noch nicht."