Sänger Gunter Gabriel

"Ich bin glücklich, ich möchte glücklich sterben!"

Der Countrysänger Gunter Gabriel sitzt im Studio von Deutschlandradio Kultur, daneben seine Gitarre.
Der Countrysänger Gunter Gabriel im Studio von Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio - Matthias Dreier
Moderation: Max Oppel |
Als Star will Gunter Gabriel nicht bezeichnet werden - und doch gilt der Country- und Schlagersänger vielen seit Jahrzehnten als genau das. Nach dem Auftritt im RTL-"Dschungelcamp" ist er zwar gesundheitlich angeschlagen, doch der 73-Jährige hat noch viel vor. Denn "Daumenlutscher" kann er nicht ausstehen.
Max Oppel: Heute machen wir in "Kompressor", was wir selten machen, ein Gespräch nur um einer Person willen, ein Star-Interview, obwohl dieser Star immer darauf besteht, nahbar zu sein, eben kein richtiger Star zu sein. Und das hat er eindrucksvoller als jeder andere bewiesen, nämlich in hunderten Wohnungen und Häusern in der gesamten Republik, Privatauftritte mit Countrymusik. Und auch früher, als die Karriere so richtig gedampft hat, da war er immer der Mann der normalen Leute, der in Songs verpackt, was alle denken, aber eigentlich kaum einer sagt, nämlich zum Beispiel: Hey Boss, ich brauche mehr Geld! Und spätestens jetzt wissen Sie, wen ich meine! Herzlich willkommen, Gunter Gabriel, im Studio!
Gunter Gabriel: Ich könnte weinen, ich könnte weinen, wie schön du das gesagt hast!
Oppel: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Gabriel: Ich bin ein Du-Mann, sind wir das schon mal los!
Oppel: Okay, das fällt mir schwer!
Gabriel: Warum eigentlich? Ich finde, wir sollten erst mal alle lernen, zueinander du zu sagen.
Oppel: Okay.
Gabriel: Behandle mich wie ein Sie, aber sprich du.
Oppel: Wie geht es dir?
Gabriel: Ja, mir geht es okay so weit. Ich bin ein bisschen lädiert durch diesen bescheuerten Dschungelapparat, den ich da blöderweise mitgemacht habe.
Oppel: "Dschungelcamp" von RTL.
Gabriel: RTL, ja. Und ich bin ein bisschen lädiert rausgekommen und habe darunter heute noch zu leiden, nach vier Monaten noch, weil ich da einen kleinen Gehirnschlag gekriegt habe. Nicht direkt im Dschungel, aber einen Tag später. Ich habe gemerkt, dass ich in den Bach gehe, und habe dann schnell die Reißleine gezogen. Aber das ist nun mal so und jetzt muss ich sehen, dass ich da wieder rauskomme.
Oppel: Ich frage auch, weil du morgen ins Krankenhaus gehst und …
Gabriel: Ja, ich gehe drei, vier Tage.
Oppel: Hat das damit zu tun?
Gabriel: Ja, ja, drei, vier Tage muss ich noch mal in die Diagnostik, weil wir nicht wissen, wie das kommt, dass ich so einen Kraftverlust habe, auch heute, und dass ich immer Balance … Also, mit dem Fahrrad zu fahren … Neulich bin ich am Ernst-Reuter-Platz mit meinem Rennrad gegen ein Laternenmast gefahren!
Oppel: Das passiert auch 20-Jährigen.
Gabriel: Ja, nur wenn sie betrunken sind. Aber es war so, als wenn ich betrunken gewesen wäre.
Oppel: Das kommt nie vor?
Gabriel: Ja, da bin ich auf den Zebrastreifen gestürzt mitsamt meinem Fahrrad … "Haben Sie sich was gebrochen, haben Sie sich was getan, haben Sie …" - Ich sage: "Nein, nein, ist schon gut!" Aber innerlich habe ich gedacht: Was für eine Scheiße!
Oppel: Ja, besser als wenn die Leute einen liegenlassen und Handyfotos machen! Du hast in den letzten Jahren ja ein unglaubliches Comeback hingelegt nach einem sehr tiefen psychischen Absturz und einem finanziellen Absturz auch. Dann hieß es, du bist wieder da und vor allem du bist schuldenfrei! Dennoch ist vor Kurzem im "Stern" zu lesen: "Ich habe denen vom Finanzamt gesagt, ich bin 75 Jahre alt, ich humpele, ich habe Hämorrhoiden" - und so weiter, noch ganz viele andere Ausdrücke, die ich nicht alle zitieren muss - "ich bin total im Arsch, da haben die mir schon mal 120.000 erlassen." Du hast immer betont, dass du nie Geld vom Staat willst und wolltest.
Gabriel: Nein, das werde ich auch nie.

"Das ist ja schrecklich, wenn ein Mann ein Weichei ist"

Oppel: Warum?
Gabriel: Ich bin so gestrickt, ich habe das nicht nötig. Weil, ich habe so viel Selbstvertrauen, auch so viele Ideen, dass ich das immer … Das würde ich niemals tun, never. Ich kriege auch keine Rente und will auch gar keine. Ich habe selber dafür gesorgt, dass ich klar bin. Und das ist mein Charakter. Ich komme aus dem Krieg, vergiss das nicht, ich bin 1942 geboren und ich bin erzogen worden durch die Leute wie Heuss und Erhard und Adenauer, durch meinen Volksschullehrer, der mir den Arsch vollgehauen habe, wenn ich nicht funktioniert habe, mit dem Rohrstock und so. Ich habe Schlosser gelernt, ich habe einen Hammer ins Kreuz gekriegt vom Schmied … Ich bin so aufgewachsen, ich kenne das, ich bin unerschrocken und ich fürchte mich nicht.
Oppel: Und du bist ein deutscher Countrymusik-Star auf jeden Fall.
Gabriel: Ja, Star, das möchte ich nicht hören. Weil, ganz ehrlich, ich bin ein Countrysänger. Und der singt, wie das schon in der Tradition von Willie Nelson, Will Jennings, Johnny Cash und diese Leute, Elvis war genauso! Wir waren immer mittendrin im Volk, aber wir sind nicht überm Volk gewesen. Wir waren mittendrin unter … Und das habe ich mir bis heute bewahrt. Und ich wäre verlogen, wenn ich nicht so wäre.
Oppel: Und ist die Musik heute so aktuell wie damals?
Gabriel: Das interessiert mich gar nicht. Das heißt, aktuell sind sie sowieso. Sie sind vielleicht nicht trendy, aber sie sind … Wenn ich heute so meine Songs höre - das gibt es nicht, wie bist du darauf gekommen? Die sind heute aktueller als je zuvor. Aber man muss natürlich ein Ohr haben dafür. Also, es gibt ja viele Leute, die sind Daumenlutscher, die werden mit meiner Musik natürlich nicht klar. Brauchen sie auch nicht. Ich muss doch nicht jedermanns Liebling sein! Ich muss nur das, was ich mache, auch wirklich so meinen.
Oppel: Dieses Daumenlutscher höre ich sehr oft aus deinem Mund, was ist das?
Gabriel: Aus meinem Mund? Ja, Daumenlutscher ist ja klar, ein Träumer natürlich, so ein Weichgespülter, der niemals kalt duscht. Ich dusche jeden Morgen kalt, ganz kalt.
Oppel: Den magst du nicht?
Gabriel: Nein, das kann man doch nicht … So Weicheier, das ist ja schrecklich, wenn ein Mann ein Weichei ist, der noch nicht mal schweißen kann und den Auspuff seiner Freundin nicht mal anschweißen kann! Das ist kein Mann für mich.
Oppel: Dann bin ich auch ein Daumenlutscher.
Gabriel: Ja, das glaube ich auch, dass du das bist, sofort. Aber das meine ich auch nicht bösartig, nur, ich mag das nicht!

"Ich kann nicht darauf warten, dasss ich totgehe"

Oppel: Gut, vertiefen wir das mal nicht zu sehr! Musikalisch sind … Konzerte stehen auf dem Programm weiter.
Gabriel: Ja klar, immer, immer, klar. Wir haben viel vor noch! Auch diese Geschichte mit dem Cash wahrscheinlich, hattest du vorhin drauf angespielt, das geht ja auch jetzt weiter. Auch im September spiele ich wieder im Renaissance-Theater, auch das ist natürlich großartig.
Oppel: Das [Johnny (Anm. d. Red.)]-Cash-Musical.
Gabriel: Ja, das ist ein Geschenk. Das … Ich war 30 Jahre mit dem befreundet. Ich habe mich niemals aufgedrängt, sondern diese Freundschaft kam mehr von ihm als von mir. Und dass ich nun zum Schluss meines eigenen Lebens sein Leben nachspielen kann und auch noch erfolgreich, das ist doch … Da kann man einfach nur demütig sein und dankbar sein, bin ich auch.
Oppel: Trotzdem bist du ja nicht nur ein Abklatsch von Cash, sondern bist eben Gunter Gabriel. Und trotz dieses Kraftverlusts, den wir vorhin erwähnt haben, machst du immer weiter. Und ich frage mich natürlich, wenn man sich krank fühlt, wenn man Kraftverlust bemerkt, warum dann immer weitermachen, weitermachen? Auch mit fast 75?
Gabriel: Ja, ich kann ja auch warten, dass ich totgehe. Aber darauf kann ich nicht warten. Da habe ich auch keinen Bock drauf. Weil, mein Hirn funktioniert ja noch. Nur die Mechanik, also das ist nicht in Ordnung. Und jetzt, dann verzage ich natürlich, dann frage ich mich: Warum ist das so? Kann man das abstellen? Darum geht es ja! Wenn der Wagen, der Motor stottert, dann kann es sein, dass eine Zündkerze abgebrochen ist, der Zündverteilerfinger kaputt ist oder du keinen Sprit mehr im Tank hast und der röchelt da auf den letzten paar Tropfen. Also, so ist es bei mir wahrscheinlich auch.
Oppel: Hast du Angst vorm Tod?
Gabriel: Nein, vorm Tod selber natürlich nicht. Das Beste wäre natürlich, wenn ich einfach nicht wieder aufwache. Aber ich habe noch zu tun. Ich habe noch zu tun, und deshalb bitte noch nicht!
Oppel: In den Stiefeln sterben, im Prinzip?
Gabriel: Bitte, was?
Oppel: In den Stiefeln sterben oder auf der Bühne?
Gabriel: Ja, das ist natürlich eine supergute Floskel. Ich will auf jeden Fall gerade stehen, Ärmel hoch und sagen: Gott sei Dank! Ich bin glücklich, ich möchte glücklich sterben! Und das werde ich auch.
Oppel: Was soll auf dem Grabstein stehen?
Gabriel: Es gibt keinen Grabstein für mich.
Oppel: Seebestattung?
Gabriel: Nein, auch nicht, das verrate ich nicht, was ich will, wie ich das will, das habe ich nämlich schon alles organisiert. Ich habe einen Freund, der ist Bestatter aus Wuppertal, der hat mich mal besucht und dem habe ich gesagt: Du bist Bestatter, das glaube ich nicht! Du siehst ja aus wie ein Zuhälter mit deinen Ketten und Tätowierungen! Der war Bestatter in Wuppertal und dann habe ich gesagt, pass mal auf, wir müssen uns was ausdenken, ich möchte unspektakulär sterben, ich will dieses ganze Theater nicht, dass danach … Er war doch so nett … Weißt du, dann am Grab … Er war so nett, so ein großes Herz … Das war doch ein Arschloch! Nein, der war so nett! – Und nach dem Tode will ich das alles gar nicht mehr hören, das ist sowieso alles verlogen, nein, das will ich nicht, lehne ich ab. Und deshalb auch kein Grabstein.

"Freiheit ist ein Abenteuer" nochmal mit der Tochter aufnehmen

Oppel: Du hast gesagt, du hast noch so viel vor. Andererseits habe ich auch diesen Satz im Ohr, das Leben sei eigentlich vollkommen sinnlos. Wenn man sich dieses "Dschungelcamp" ansieht, dann kann man das nur bejahen, aber sonst gibt es doch viel, wofür es sich zu leben lohnt, oder?
Gabriel: Ja, das meint man. Aber im Grunde, so gesehen vom Gesamt-Gesichtspunkt, was ist die Erde, wie lange gibt es die schon, da ist doch … - diese 70 oder 80 Jahre, die man gelebt hat, irgendwie total für den Arsch! Wozu? Weil du dir einen Porsche geleistet hast oder ein Haus oder Kinder gezeugt hast, wozu das denn?
Oppel: Genau, Kinder sind so ein Stichwort.
Gabriel: Ja, aber ich habe vier wunderbare Kinder und je älter ich werde, desto mehr liebe ich meine Töchter. Meine Töchter sind natürlich großartig, sie sehen sensationell gut aus, meine Älteste ist 50, überleg dir mal, 50 Jahre! Ich weiß ich noch genau, wie ich sie gezeugt habe, im 600er-Fiat auf der Rückbank.
Oppel: Und die Töchter, sind die auch dabei, wenn Konzerte gespielt werden, oder?
Gabriel: Früher, als junge Mädels habe ich die immer mitgenommen. Meine jüngste Tochter ist einfach großartig, wie die singt. Auch meine Älteste, mit der hatte ich einen Dreimillionen-Hit, "Hey, Yvonne, warum weint die Mammi". War ein großartiges Lied! Und jetzt nehme ich auch auf meiner neuen CD auch sie auf als erwachsene Frau auf und wir singen noch mal dieses Lied über Freiheit, das, was Joachim Gauck so liebt, der das gesagt hat: Das beste Lied, was ich kenne, ist von Gunter Gabriel "Freiheit ist ein Abenteuer" - was für ein Lied! Und das will ich jetzt mit meiner Tochter noch mal aufnehmen.
Oppel: Und werden wir das jetzt vielleicht hören in einer Einzelversion, ohne Tochter, hier im Studio?
Gabriel: Jetzt zur Gitarre? Wenn du das willst!
Oppel: Auf jeden Fall gerne!
Gabriel: Aha, ha, ha! Eine Herausforderung!
[spielt einen Ausschnitt aus "Freiheit ist ein Abenteuer"]
Oppel: Vielen Dank, Gunter Gabriel, für den Besuch hier im Studio, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.