Die Möhre als Mikrofon
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Bekannt wurde sie mit den legendären Lassie Singers. Inzwischen tritt die Pop-Sängerin Christiane Rösinger unter eigenem Namen auf. Wenn sie nicht gerade auf der Bühne steht, schreibt sie Bücher oder Musicals und gibt Deutschkurse für Geflüchtete.
Die Tourneesaison 2020 beginnt für Christiane Rösinger direkt unter dem Zeichen von Corona – das heißt, sie fällt komplett aus.
Eigentlich wäre sie jetzt gemeinsam mit der Autorin Stefanie Sargnagel und der Comedienne Denice Bourbon als "Legends of Entertainment" zu einer Tour aufgebrochen. Doch die findet, wie so viele andere kulturellen Veranstaltungen auch, nicht statt.
"Das ist eine Katastrophe", sagt Rösinger: "Man muss wissen, April, Mai ist für alle Musikerinnen der Haupttourneezeitraum."
Schreiben als zweites Standbein
Abgesagt wurden inzwischen auch die Deutschkurse, die Rösinger an der Volkshochschule gibt. Seit fünf Jahren unterrichtet sie Geflüchtete und andere Lernwillige. Über ihre Erfahrungen als Lehrerin hat sie das Buch "Zukunft machen wir später" geschrieben.
Das Schreiben ist verbunden mit den dazugehörigen Lesereisen, die sehr praktisch sind, denn "anders als bei der Musik muss man keinen Bus mieten und die Gage nicht mit der Band teilen".
Für Rösinger ist das Schreiben zu einem zweiten Standbein geworden. Vorher hatte sie bereits Werke zu so unterschiedlichen Themen wie den Vorteilen des Single-Daseins oder den Eurovision Song Contest verfasst.
Musical mit echten Mietern
Nach vier Büchern hat sie im letzten Jahr nun ihr erstes Musical komponiert. Dass die Wiederaufnahme dieses Musicals nun ebenfalls ausfallen muss, tut ihr besonders leid. Die ersten vier Aufführungen von "Stadt unter Einfluss" Ende letzten Jahres waren ein großer Erfolg.
In dem Stück geht es um hohe Mieten, Zwangsräumungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen – und all das auf durchaus lustige und unterhaltsame Art und Weise. Dabei sind nicht nur Profis am Werk:
"Es machen acht Musikerinnen mit, aber auch Aktivistinnen aus Neukölln und Kreuzberg. Bizim Kiez heißt diese Initiative, die sich seit ein paar Jahren gegen hohe Mieten wehrt. Ich bin auf diese Leute zugegangen und habe gefragt, ob sie nicht Lust hätten, bei einem Musical mitzumachen. Das sind alles Laien."
Gefallen am Theater
Generell kann sich Rösinger vorstellen, jetzt mehr fürs Theater zu arbeiten: "Ich habe am Theater sehr Gefallen gefunden. Ich hab auch gar nicht mehr so Lust, Musik zu machen, das mach ich jetzt auch schon lange genug."
Eine positive Erfahrung war ihr erster Einsatz als Schauspielerin. Und das gleich mit einer größeren Rolle im "Tatort". Dazu kam sie, weil der Regisseur Dietrich Brüggemann mit seiner Band "Theodor Shitstorm" in der von ihr organisierten Veranstaltungsreihe "Flittchen-Bar" auftrat.
Brüggemann arbeitet gern mit Musikern zusammen und fragte Rösinger, der man ihre badische Herkunft durchaus noch anhört, ob sie nicht in einem Stuttgarter "Tatort" mitmachen wolle. Nach anfänglichen Zweifeln merkte Rösinger bald, dass ihr die Aufgabe lag. "Es ist tatsächlich was geworden. Im Januar wurde das gedreht, in Karlsruhe, also ganz in der Nähe von meiner alten Heimat."
Mit 23 Jahren nach Berlin
Dieser badischen Heimat kehrte sie Mitte der 80er-Jahre mit 23 Jahren den Rücken zu, um in die Berliner Musikszene einzutauchen. Neben einem Studium, diversen Jobs und der Erziehung ihrer damals dreijährigen Tochter gründete sie die legendäre Frauenband "Lassie Singers" und erreichte bald mehr als nur lokale Prominenz.
Später folgte die Band "Britta", heute singt sie vor allem unter ihrem eigenen Namen. Dass sie das Singen zum Beruf machen wollte, wusste die Bauerntochter, die als Kind mit der ganzen Familie bei der Ernte half, schon früh:
"Ich wollte eigentlich immer Sängerin werden. Ich hab immer Sängerin gespielt, auf dem Karottenacker hab ich halt eine Karotte genommen, auf dem Rübenacker eine gelbe Rübe und auf dem Spargelacker den Spargel als Mikrofon."