"Das Menschenleben ist eine große Tastatur"
35:36 Minuten
Eigentlich wäre Ute Lemper nun in Europa mit ihrem Programm "Rendezvous mit Marlene" unterwegs. Es ist eine Hommage an Marlene Dietrich, mit der die Sängerin immer wieder verglichen wurde. Die Pandemie aber sorgt dafür, dass sie Zeit in New York hat.
Sie ist ein Weltstar – Ute Lemper. Seit 20 Jahren lebt die gebürtige Münsteranerin in New York. Im Herzen sei sie aber Europäerin geblieben, sagt sie. Statt nun mit ihrem neuen Programm "Rendezvous mit Marlene" auf Tournee zu sein, ist sie seit März im Lockdown, sitzt zuhause, macht Homeschooling mit ihren Kindern und kann derzeit nicht auftreten. Das hat für die Künstlerin, die ihre Familie ernährt und nun Einbußen hinnehmen muss, nicht nur Nachteile.
"Noch nie habe ich so lange nicht mehr auf der Bühne gearbeitet, nicht mal für meine vier Schwangerschaften, da habe ich höchstens mal fünf Monate Pause gemacht. Aber ich muss sagen, dass diese Auszeit mir doch eine wunderbare Tür geöffnet hat für eine andere Realität, von der ich oft mal geträumt habe: einfach mal zuhause zu sein, nachts in meinem Bett zu schlafen, viel mehr Zeit zu haben für die Familie."
Lebensthema Marlene
Ute Lempers Karriere begann in den 1980er Jahren, der Durchbruch kam mit dem Muscial "Cats". Bald folgte "Cabaret" in Paris, wo sie als Sally Bowles große Erfolge feierte. Immer wieder wurde die junge Sängerin mit Marlene Dietrich verglichen. Das schmeichelte ihr zwar, war ihr aber auch etwas peinlich. Sie entschuldigte sich für den Vergleich in einem Brief an die 87-jährigen Diva, die in Paris tablettensüchtig und alkoholkrank im Bett lag. Daraufhin rief Marlene Dietrich bei ihr an. Drei Stunden dauerte das Gespräch.
"Das war eigentlich ein Monolog. Die Marlene hat geredet, ein Monolog. Ich war damals noch sehr jung, konnte das gar nicht richtig verarbeiten, aber einiges ist doch klebengeblieben: ihre Stimmung, ihre Bitterkeit, ihre Melancholie, ihre Traurigkeit bezüglich Deutschland und ihre gebrochene Beziehung zu Deutschland. Noch einmal tot im Sarg, sagte sie, möchte sie zurück nach Deutschland. Und dort wurde sie begraben."
1992 trat Ute Lemper als "Lola" in einer Inszenierung des "Blauen Engel" auf – ein Flop. Fast 30 Jahre später entwickelt die Sängerin eine Hommage an Marlene Dietrich, basierend auf dem Telefonat mit der gealterten Diva. Corona aber hat vorläufig einen Strich durch ihre Tournee "Rendezvous mit Marlene" gemacht.
Von Münster in die Welt
Ute Lemper wurde 1963 in Münster geboren und empfand das Leben dort als einengend. Gegen das katholische Elternhaus mit strengen Moralvorstellungen und sonntäglichem Kirchgang lehnte sie sich auf. Kinder, Küche, Kirche als Lebenskonzept – das wollte sie auf keinen Fall. Sie sei als Teenager wie "ein wildes Pferd" gewesen. Als Hobby wurden ihre künstlerischen Neigungen zwar gefördert, einen Beruf in diese Richtung lehnten ihre Eltern jedoch ab. Aber die Tochter brach aus und zog nach Wien.
"Ich habe es geliebt, Musik zu machen, Musik war eigentlich immer mein bester Freund. Feuer hat so sehr gebrannt, das musste weiterbrennen in mir."
Die deutsche Kritik hat es mit Ute Lemper nicht immer gut gemeint, ganz anders als die internationale. In Deutschland wurde sie verrissen, in Paris, London oder New York gefeiert.
Heute sei sie dankbar für das, was sie erlebt hat, sagt Ute Lemper. "Das Menschenleben ist eine große Tastatur", sagt sie. Und Zweifel gehören dazu: "Ich muss sagen, dass ich spätestens seit dem Jahr 2000 wieder eine Liebesbeziehung mit Deutschland habe, wie es auch am Anfang war. Da wurde ich ja sehr hochgejubelt in den 80er-Jahren. Ich bin jetzt liebend gern zurück in Deutschland, bin dort glücklich, auf der Bühne zu stehen, habe mein gewachsenes Publikum, das mit mir alt geworden ist."
Heute sei sie dankbar für das, was sie erlebt hat, sagt Ute Lemper. "Das Menschenleben ist eine große Tastatur", sagt sie. Und Zweifel gehören dazu: "Ich muss sagen, dass ich spätestens seit dem Jahr 2000 wieder eine Liebesbeziehung mit Deutschland habe, wie es auch am Anfang war. Da wurde ich ja sehr hochgejubelt in den 80er-Jahren. Ich bin jetzt liebend gern zurück in Deutschland, bin dort glücklich, auf der Bühne zu stehen, habe mein gewachsenes Publikum, das mit mir alt geworden ist."
(svs)