War der Mauerfall für Sie ein Glücksfall?
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ist trotz ihrer radikalen Ansichten zum Politstar geworden. Selbst die konservative "FAZ" schätzt ihre Klugheit. Wir wollen wissen, ob der Mauerfall ein Glücksfall für sie war - und was ihr Freiheit bedeutet.
Sahra Wagenknecht war 20 Jahre alt, als die DDR zusammenbrach. Kurz vorher war sie in die SED eingetreten. Ihr politisches Engagement setzte sie auch im vereinten Deutschland fort: Zwei Jahre später saß sie im Parteivorstand der SED-Nachfolgerpartei PDS, fünf Jahre vertrat sie die Linke im Europaparlament, seit 2009 ist sie Bundestagsabgeordnete und bekleidet hohe Parteiämter der Linken.
Politik, Doktorarbeit und sieben Bücher
Die schöne Kluge mit den radikalen politischen Ansichten ist 25 Jahre nach dem Mauerfall zum Politstar geworden: Die Illustrierte "Gala" stylte sie im Vorjahr für eine Fotostrecke wie die mexikanische Malerin Frida Kahlo, selbst die konservative "FAZ" schätzt die Klugheit der Kommunistin, und ihre Talkshowpräsenz ist einzigartig. Neben ihrer Politkarriere schrieb Wagenknecht in den vergangenen Jahren auch noch ihre Doktorarbeit und sieben Bücher.
In den vergangenen 25 Jahren hat sie viel erreicht. War der Mauerfall für Sie persönlich ein Glücksfall? Wenn man ihre Biografie rückwirkend sehe, würde man dies wahrscheinlich so sagen, sagte die 45-Jährige im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Andererseits lasse sich Historie im Rückblick auch nicht anders schreiben: "Man kann nicht sagen, was wäre wenn und was wäre anders geworden." Der rüde Kapitalismus, der nach dem Mauerfall Einzug gehalten habe, sei jedenfalls kein Glücksfall gewesen.
Trotzdem gebe sie ehrlich zu, dass auch sie damals gespalten gewesen sei, so Wagenknecht: "Ich habe zum Beispiel sehr gern Goethe gelesen." Als sie die "Italienische Reise" gelesen habe, habe sie gedacht: "Da kannst Du nie hin. Das ist ja der ganze Weg über die Alpen, dann über Venedig bis nach Rom. Natürlich wollte ich damals solche Reisen machen können."
Auch sie fand die DDR seinerzeit "nicht rosig", sondern "unendlich weit hinter dem zurückgeblieben, was der Anspruch eines sozialistischen Landes sein sollte". Der Staat habe politisch nicht aus der Mitgestaltung der Menschen gelebt. Mit der Bezeichnung 'Unrechtsstaat' tue sie sich dennoch schwer, so Wagenknecht. Der Begriff stehe für die Charakterisierung des Nationalsozialismus. "Bei allem Unrecht, das es in der DDR gab, bei aller Verfolgung und bei aller Repression - das ist nicht vergleichbar, also auch nicht in Ansätzen vergleichbar mit dem Faschismus."