Muslimische Kita soll schließen
09:05 Minuten

In Mainz gibt es den einzigen islamischen Kindergarten in Rheinland-Pfalz. Allerdings: Das Landesjugendamt will dem Trägerverein nun die Betriebserlaubnis entziehen, weil er "salafistischem Gedankengut" nahestehen soll. Der Verein widerspricht.
Zehn Jahre ist der Mainzer Al Nur-Kindergarten alt. Doch die Jubiläumsfeier für die einzige islamische Kita in Rheinland-Pfalz fiel aus. Der Al Nur-Kindergarten soll geschlossen werden. Für den Präsidenten des Landesjungendamtes Rheinland-Pfalz ist das zwingend.
"Es ist eine Kindeswohl-Gefährdung in dieser Einrichtung", begründet Detlef Placzek. Das Mainzer Verwaltungsgericht hat die Auffassung des Behördenchefs bestätigt. Unter Berufung auf Erkenntnisse des rheinland-pfälzischen Innenministeriums und des Landesverfassungsschutzes spricht das Gericht von einer Nähe des Al Nur-Trägervereins zur Muslimbruderschaft und salafistischen Strömungen.
"Es ist eine Kindeswohl-Gefährdung in dieser Einrichtung", begründet Detlef Placzek. Das Mainzer Verwaltungsgericht hat die Auffassung des Behördenchefs bestätigt. Unter Berufung auf Erkenntnisse des rheinland-pfälzischen Innenministeriums und des Landesverfassungsschutzes spricht das Gericht von einer Nähe des Al Nur-Trägervereins zur Muslimbruderschaft und salafistischen Strömungen.
Die Unzuverlässigkeit des Kita-Trägers könne die gesellschaftliche Integration als wesentlichen Teil des Kindeswohls beeinträchtigen. Der Präsident des Landesjugendamtes begrüßt die Entscheidung. Pädagogische Mitarbeiter seiner Behörde waren wiederholt in der muslimischen Kita, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Detlef Placzek räumt ein, dass es schwierig sei, bei solchen Besuchen die Gefahr fürs Kindeswohl auszumachen.
Richter haben Zweifel
"Eine Radikalisierung spielt sich ja nicht so ab, dass sie das am Hausschild erkennen, sondern dann müssen sie ganz tief in die Einrichtung hereingehen. Und dadurch, dass wir – also das geht ja gar nicht, dass wir ständig in dieser Einrichtung sind – kann man so etwas nicht beobachten. Aber das ist genau der gefährlichste Punkt, um den es geht. Wenn Kinder, bevor sie noch in die Schule gehen, schon mit radikalen Einflüssen konfrontiert werden und damit auch geworben wird, ist das etwas, was wir in unseren Kindertagesstätten nicht zulassen dürfen."
Dass ein Kindergarten-Träger Werte vertritt, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind, und damit quasi Teil einer Parallelgesellschaft wird – inakzeptabel. Das hat das Verwaltungsgericht Mainz bestätigt. Auch die Richter bezweifeln, dass der Arab Nil-Rhein-Verein die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland umfassend anerkennt.
Dass ein Kindergarten-Träger Werte vertritt, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind, und damit quasi Teil einer Parallelgesellschaft wird – inakzeptabel. Das hat das Verwaltungsgericht Mainz bestätigt. Auch die Richter bezweifeln, dass der Arab Nil-Rhein-Verein die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland umfassend anerkennt.
Doch der Mainzer Moscheeverein sieht sich zu Unrecht "in eine Ecke mit Islamisten und Salafisten gestellt". Er will Widerspruch einlegen und vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz erwirken, dass die Kita auch über Ende April hinaus offen bleibt. Zuvor hatten sich Eltern mit einer schriftlichen Stellungnahme zu Wort gemeldet.
"Akzeptieren nicht, dass wir als Salafisten betitelt werden"
"Wir, die Eltern des Al Nur-Kindergartens sind besorgt über die derzeitige polemische Debatte, die in den Medien über den Al Nur-Kindergarten geführt wird. Es wird über uns und unsere Kinder gesprochen, ohne dass jemand mit uns spricht. Es wird über uns geurteilt, aufgrund von Berichten, die einige Jahre zurück liegen.
Wir akzeptieren nicht, dass wir und unsere Kinder als Salafisten und Extremisten betitelt werden. Wir sind eine Elterninitiative mit pädagogischem Hintergrund und lehnen jegliche Form von Extremismus ab. Unsere Kita ist weltoffen und steht mit anderen Kindergärten in Kontakt. Als Eltern fühlen wir uns diskriminiert und fordern, dass die Debatte um unseren Kindergarten ein Ende nimmt."
Doch die Debatte ist in vollem Gang. Der Mainzer Moscheeverein Arab Nil-Rhein will nicht in die islamistische Ecke gestellt werden, doch genau da steht er laut Landesjugendamt. Die Behörde bemängelt außerdem, dass sich der Al Nur-Kindergarten nicht mit anderen Kitas austauscht, wie zugesichert. Dieser Austausch sei anfangs durchaus gepflegt worden, bestätigt Günter Meyer, Geographie-Professor an der Universität Mainz und bis 2015 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat, der den Al Nur-Kindergarten begleitet.
Stadt wollte Angebot annehmen
"Die gesamte Konzeption war darauf ausgerichtet, u.a. mit regelmäßigen Begegnungen mit anderen Kindergärten, das sah sehr positiv aus und war für die damaligen Ansätze beispiellos positiv zu beurteilen. Deshalb war die Stadt auch gern bereit, dieses Angebot anzunehmen."
Damals hatten Professor Meyer und seine Frau, eine Musikpädagogin, darauf gedrungen, dass musikalische Frühförderung ins Konzept aufgenommen wurde.
"Die musikalische Frühförderung ist ein ganz entscheidender Punkt, nicht nur, weil die Kinder ab drei Jahren zum größten Teil entweder nur Arabisch oder Türkisch sprachen und mit dem Erlernen von deutschen Kinderliedern auch einen wichtigen Ansatzpunkt der deutschen Sprache hatten. Dass es verpflichtend war, für alle Eltern zu unterschreiben, wenn sie sich bei diesem Kindergarten anmelden, dass die Teilnahme an der musikalischen Früherziehung verbindlich ist, das ist geradezu die entscheiden Barriere, das ist der entscheidende Test, um zu sehen, welche religiöse eventuell fundamentalistische Ausrichtung dieser Verein hat."
Damals hatten Professor Meyer und seine Frau, eine Musikpädagogin, darauf gedrungen, dass musikalische Frühförderung ins Konzept aufgenommen wurde.
"Die musikalische Frühförderung ist ein ganz entscheidender Punkt, nicht nur, weil die Kinder ab drei Jahren zum größten Teil entweder nur Arabisch oder Türkisch sprachen und mit dem Erlernen von deutschen Kinderliedern auch einen wichtigen Ansatzpunkt der deutschen Sprache hatten. Dass es verpflichtend war, für alle Eltern zu unterschreiben, wenn sie sich bei diesem Kindergarten anmelden, dass die Teilnahme an der musikalischen Früherziehung verbindlich ist, das ist geradezu die entscheiden Barriere, das ist der entscheidende Test, um zu sehen, welche religiöse eventuell fundamentalistische Ausrichtung dieser Verein hat."
"Da war klar, hier stimmt etwas nicht"
Denn ein musikalisches Angebot sei nur mit einer liberaleren Auslegung des Islams vereinbar. Meyers Ehefrau leitete die musikalische Früherziehung damals ehrenamtlich. Vor fünf Jahren aber habe der Träger-Verein die Verpflichtung einfach aus der Kita-Anmeldung gestrichen, erinnert sich der Professor als ehemaliges Beirats-Mitglied.
"Meine Frau hat bei der musikalischen Früherziehung festgestellt, dass immer weniger Kinder erschienen. Und viele Kinder erklärten: ´Ja, mein Papa hat mir das verboten.` Zum Teil erschienen die Kinder an dem Tag, an dem meine Frau die Früherziehung hatte, überhaupt nicht im Kindergarten, und als dann eine salafistische Mutter erklärte: ´Mein Kind kommt nicht in einen Musikunterricht, ich bin Salafistin.` Da war klar, dass hier etwas nicht stimmt."
Es kam zum Bruch, Günter Meyer verließ den wissenschaftlichen Beirat. Das war vor knapp fünf Jahren. Das Landesjugendamt bemängelt, der Trägerverein habe die Behörde nicht wie vereinbart über diese konzeptionellen und personellen Veränderungen informiert. Erst im vergangenen Herbst erfuhr das Landesjugendamt schließlich, dass der Moscheeverein mit der Islamic Online University Katar zusammenarbeitet, so Detlef Placzek,
"…wo im Hintergrund eindeutig radikale Islamisten stehen, die so radikal sind, dass sie auch aus Deutschland ausgewiesen sind."
"Meine Frau hat bei der musikalischen Früherziehung festgestellt, dass immer weniger Kinder erschienen. Und viele Kinder erklärten: ´Ja, mein Papa hat mir das verboten.` Zum Teil erschienen die Kinder an dem Tag, an dem meine Frau die Früherziehung hatte, überhaupt nicht im Kindergarten, und als dann eine salafistische Mutter erklärte: ´Mein Kind kommt nicht in einen Musikunterricht, ich bin Salafistin.` Da war klar, dass hier etwas nicht stimmt."
Es kam zum Bruch, Günter Meyer verließ den wissenschaftlichen Beirat. Das war vor knapp fünf Jahren. Das Landesjugendamt bemängelt, der Trägerverein habe die Behörde nicht wie vereinbart über diese konzeptionellen und personellen Veränderungen informiert. Erst im vergangenen Herbst erfuhr das Landesjugendamt schließlich, dass der Moscheeverein mit der Islamic Online University Katar zusammenarbeitet, so Detlef Placzek,
"…wo im Hintergrund eindeutig radikale Islamisten stehen, die so radikal sind, dass sie auch aus Deutschland ausgewiesen sind."
Kooperation mit Hass-Prediger
Namentlich der Begründer Bilal Philipps, als Hass-Prediger eines salafistischen Islams bekannt und als Verfechter der Todesstrafe für Homosexuelle berüchtigt. Nach Bekanntwerden dieser Kooperation hatte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig von der SPD kommentiert:
"Das muss man ernst nehmen, das bestätigt mich aber auch darin, dass es gut ist, dass wir das Prüfverfahren in Gang gesetzten haben."
Der Arab Nil-Rhein-Verein dementierte eine inhaltliche Zusammenarbeit mit der salafistischen Online-Universität. Man habe nur als externe Prüfstelle fungiert.
"Wir haben nichts mit dieser Uni zu tun. Wir kennen auch diese Personen nicht und das ist zum ersten Mal, dass ich höre, dass diese Uni jemandem gehört, der das und das und das gesagt hat",
…bekräftigte der Vorstandsvorsitzende Samy El Hagrasy auf einer Pressekonferenz nach dem Entzug der Kita-Betriebserlaubnis durchs Landesjugendamt. Doch ist das glaubwürdig? Immer wieder waren Kontakte des Vereins zur extremistischen Muslimbruderschaft bekannt geworden, Einladungen an salafistische Prediger ergangen. Immer wieder war der Verein davon abgerückt, sobald das bekannt geworden war. Oft berief er sich auf sein Unwissen. Der Chef des Landesjugendamtes aber erkennt darin ein Muster:
Der Arab Nil-Rhein-Verein dementierte eine inhaltliche Zusammenarbeit mit der salafistischen Online-Universität. Man habe nur als externe Prüfstelle fungiert.
"Wir haben nichts mit dieser Uni zu tun. Wir kennen auch diese Personen nicht und das ist zum ersten Mal, dass ich höre, dass diese Uni jemandem gehört, der das und das und das gesagt hat",
…bekräftigte der Vorstandsvorsitzende Samy El Hagrasy auf einer Pressekonferenz nach dem Entzug der Kita-Betriebserlaubnis durchs Landesjugendamt. Doch ist das glaubwürdig? Immer wieder waren Kontakte des Vereins zur extremistischen Muslimbruderschaft bekannt geworden, Einladungen an salafistische Prediger ergangen. Immer wieder war der Verein davon abgerückt, sobald das bekannt geworden war. Oft berief er sich auf sein Unwissen. Der Chef des Landesjugendamtes aber erkennt darin ein Muster:
Einzige muslimische Kinta scheint gescheitert
"Wir haben festgestellt, dass wenn solche Vorwürfe oder auch das Verteilen von jugendgefährdenden Schriften auf Ständen, wo der Verein präsent war – wenn der Verein damit konfrontiert ist, distanziert er sich in dem Moment davon. Und dieses legalistische Prinzip, dass man immer die Treue zur Bundesrepublik Deutschland beschwört, aber anders handelt und das Handeln erst dann verändert, wenn es aufgefallen ist, das ist Prinzip, was wir dort festgemacht haben. Und das summiert sich dann mit den Angelegenheiten aus der Vergangenheit."
Der erste und einzige muslimische Kindergarten in Rheinland-Pfalz scheint gescheitert. Bei seiner Eröffnung war das Ziel, daran erinnert der Arbeitskreis Mainzer Muslime, Kinder in der Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen, auch hinsichtlich ihrer muslimischen Identität. Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor.
"Das wäre mir persönlich zu wenig. Denn es muss natürlich auch darum gehen, nicht nur junge muslimische Menschen in ihrem Selbstbewusstsein, in ihrem Selbstbild zu stärken. Es muss auch darum gehen, zu sagen, dass man mit diesem Empowerment gut gerüstet ist für das Zusammenleben in einer multireligiösen einer multikulturellen Gesellschaft. Das müsste eigentlich das übergeordnete Ziel noch sein."
Der erste und einzige muslimische Kindergarten in Rheinland-Pfalz scheint gescheitert. Bei seiner Eröffnung war das Ziel, daran erinnert der Arbeitskreis Mainzer Muslime, Kinder in der Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen, auch hinsichtlich ihrer muslimischen Identität. Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor.
"Das wäre mir persönlich zu wenig. Denn es muss natürlich auch darum gehen, nicht nur junge muslimische Menschen in ihrem Selbstbewusstsein, in ihrem Selbstbild zu stärken. Es muss auch darum gehen, zu sagen, dass man mit diesem Empowerment gut gerüstet ist für das Zusammenleben in einer multireligiösen einer multikulturellen Gesellschaft. Das müsste eigentlich das übergeordnete Ziel noch sein."