Sally Rooney: "Gespräche mit Freunden"
Aus dem Englischen von Zoë Beck
Luchterhand Literaturverlag, München 2019
382 Seiten, 20 Euro
Liebe, Affären und alles dazwischen
06:32 Minuten
Sally Rooney ist der neue Shootingstar der irischen Literatur. Warum sie so einen Hype ausgelöst hat, zeigt "Gespräche mit Freunden". Ihr Debütroman ist sprachlich überraschend, schlagfertig, ironisch, warmherzig - und ein riesiges Lesevergnügen.
Mit gerade einmal 28 Jahren hat sie schon zwei Romane veröffentlicht, auf der Longlist des Man Booker Prize gestanden, ist mit Lob überschüttet worden von der englischsprachigen Presse, während Prominente wie Sarah Jessica Parker oder Star-Autorin Zadie Smith sich als Fans outeten. Die BBC arbeitet an einer Verfilmung ihres zweiten Buches, und die Literaturwelt feiert sie seit dem Erscheinen ihres Debüts "Conversations with Friends" im Frühjahr 2017 als erste große Schriftstellerin der Millennial-Generation.
Doch Sally Rooney, geboren 1991 im irischen Castlebar, kann nicht nachvollziehen, warum dieser ganze Hype um sie gemacht wird – das sagt sie immer wieder bescheiden in Interviews. Dabei ist ein Abebben ihres Erfolgs ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Ihr Debütroman wird inzwischen in 30 Ländern verlegt und ist jetzt auch auf Deutsch erschienen, unter dem Titel "Gespräche mit Freunden".
Mit der Ex-Geliebten bei Poetry Nights
Die Ich-Erzählerin des Romans, Frances, ist Anfang 20 und studiert Literatur – so wie Sally Rooney am Trinity College in Dublin. Mit ihrer besten Freundin und Ex-Geliebten Bobbi tritt sie bei Poetry Nights auf. Zusammen tragen sie Gedichte vor, die Frances schreibt. Bei einer dieser Veranstaltungen wird eine Autorin auf die beiden aufmerksam. Die gut zehn Jahre ältere Melissa lädt die Studentinnen zu sich nach Hause ein, um ein Porträt über sie zu schreiben. Dort lernen sie Melissas Ehemann Nick kennen, einen depressiven, gutaussehenden Schauspieler, der schnell fasziniert von den beiden jungen Frauen ist.
Zwischen diesen vier Figuren spinnt Sally Rooney ein kompliziertes Beziehungsgeflecht aus Zuneigung, Abneigung, heimlichen und später offenen Affären. Es geht um Geld, Macht und den Kapitalismus, Krankheit, Liebe, Freundschaft, die vielen Abstufungen dazwischen, um Gefühle, die so stark sind, dass die Ich-Erzählerin sie nur ertragen kann, indem sie sich selbst physische Schmerzen zufügt. Davon erzählt Sally Rooney in einem sehr klaren, reduzierten Stil, der sich fast nie mit der Beschreibung von Orten oder dem Aussehen von Menschen aufhält. Wenn die Autorin aber ein vielsagendes Detail herausgreift, schildert sie es präzise: einen metallisch glänzenden Marienkäfer etwa, der über den Frühstückstisch krabbelt und in die Zuckerdose einsteigt.
Die Welt als zusammengeknüllte Zeitung
Sprachlich überzeugt Sally Rooney mit überraschenden Vergleichen – wenn Schiffe am Hafen "wie Ideen hinter dem Nebel" wirken oder Frances ihre "Mir doch alles egal"-Stimmung beschreibt: "Die Welt war für mich wie eine zusammengeknüllte Zeitung, etwas, das man herumschießen konnte." Passend zum Titel "Gespräche mit Freunden" besteht das Buch zum Großteil aus Dialogen – ohne dass Sally Rooney jemals ein einziges Anführungszeichen verwendet. In ihrer Schlagfertigkeit und Ironie kann sie mit den besten Screwball-Komödien mithalten, auch wenn es nicht viel zu lachen gibt in diesem mal traurigen, mal überdrehten, immer warmherzigen Buch.
Ständig vergleicht sich die Ich-Erzählerin mit ihrer besten Freundin Bobbi – und meint stets den Kürzeren zu ziehen, egal ob es um Schönheit oder Intelligenz geht. Sie tut alles dafür, um von ihrer Umgebung für cool, souverän und unabhängig gehalten zu werden: Gefühle unterdrücken, lügen, Chatnachrichten erst schreiben und dann doch wieder löschen. Dabei ist Frances viel zu selbstreflektiert, um nicht zu wissen, was sie damit sich und anderen antut.
So ist "Gespräche mit Freunden" am Ende auch ein Entwicklungsroman mit vielen aufrichtigen Entschuldigungen, eine authentische Bestandsaufnahme des Chaos, das menschliche Beziehungen verursachen, und ein riesiges Lesevergnügen.