Salzburger Festspiele: "The Exterminating Angel"

Schriller Kitsch - und nichts dahinter

Das Ensemble von "The Exterminating Angel" spielt eine Szene auf der Bühne.
Das Ensemble von "The Exterminating Angel" spielt eine Szene auf der Bühne. © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus
Von Franziska Stürz |
Der Komponist, Pianist und Dirigent Thomas Adès hat fast 15 Jahre an "The Exterminating Angel" gearbeitet, bei den Salzburger Festspielen hat die Oper nun die Weltpremiere erlebt. Auf unsere Kritikerin wirkte sie eher wie eine Opernparodie - mit hohem "Hurz-Faktor".
Der britische Komponist Thomas Adès hatte bereits vor 15 Jahren die Idee, aus Luis Bunuels Film "Der Würgeengel" eine Oper zu machen. Das Thema des Films ist die plötzlich und unerklärlich auftretende Unmöglichkeit für Menschen, aus einer selbst gewählten Situation wieder herauszugelangen. Eine feine Gesellschaft wird demontiert, durch existenzielle Bedrohung in den Wahnsinn getrieben – ein nach wie vor spannender Stoff.
Doch in dieser neuen Oper kommt trotz eines enormen Aufwands an künstlerischem Personal und trotz einer ambitionierten Musik, die alle Genres zu bedienen versucht, nichts Neues heraus: Adès und Tom Cairns haben zusammen aus dem Filmdrehbuch das englischsprachige Libretto destilliert – die Produktion wird schließlich auch nach London, New York und Kopenhagen gehen.

Immer wieder schrill

Die intensiven Dialoge des Films werden in der Oper zu sich überlagernden Riesenensembles, in denen die hohen, dramatischen Sopranstimmen immer wieder schrill herausstechen und sich mit den Klängen der Ondes Martenot im Orchester zu Psycho-Momenten mischen. Das wirkt auf Dauer eher wie eine Opernparodie mit hohem "Hurz-Faktor". Noch dazu gibt es mehrere Szenen, in denen Lämmer und ein Bär eine Rolle spielen.
Das beachtliche Sängerensemble aus Altstars wie John Tomlinson, Anne Sofie von Otter, Thomas Allen und außergewöhnlichen Stimmen wie der Koloratursopranistin Audrey Luna, Christine Rice oder Sally Matthews wird szenisch und stimmlich stark gefordert. Doch der dramaturgische Aufbau kann trotz des Wechsels zwischen kammermusikalisch-ruhigen Solopassagen und den martialisch, bedrohlich sich aufbauenden Ensembles, die mehr an Star-Wars Filmmusik erinnern, keine echte Spannung erzeugen. Sie illustriert nur das Geschehen.

Viel Lärm um nichts

Die Figuren in den 60er-Jahre Kostümen von Hildegard Bechtler bleiben eindimensional, es fehlt der Close-up, die Innenschau. Zu plakativ, zu kitschig wirkt dieser Niedergang der feinen Gesellschaft trotz dramatischer Sterbeszenen. Der große hölzerne Torbogen, der den mystischen Raum symbolisiert wird mit viel zu konkreter Inneneinrichtung vollgestopft, die am Ende als Häuflein Elend zurückbleibt, genau wie die Gesellschaft.
Musik spielt im Film "Der Würgeengel" eine große Rolle, obwohl Bunuel auf Filmmusik verzichtet hat. Man kommt aus einer Opernvorstellung, die Diva ist mit unter den Gästen und wird immer wieder zum Singen aufgefordert, es gibt einen Flügel im Salon, auf dem wird das Barockkomponist Paradisi gespielt. Thomas Adès zitiert ihn, man hört auch Wiener Melodien von Johann Strauß bis Richard Strauss, es gibt spanische Folklore zur Gitarre, ein zartes Liebesduett und dann immer wieder das sich zum archaischen Rausch aufbäumende Orchester.
Das ORF Radiosymphonieorchester unter der Leitung des Komponisten folgt diesem in alle Extreme und spielt äußerst differenziert. Viele einzelne in sich starke Elemente sind das, die aber zusammen kein überzeugendes Ganzes bilden. Viel Lärm um nichts war mein schaler Eindruck dieser Festspielpremiere, den auch die Adès – Fans im Publikum nicht wegjubeln konnten.
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