Elisabeth Motschmann: Female Diplomacy - Frauen in der Außenpolitik
Herder Verlag, Berlin 2018
240 Seiten, 18 Euro
"Frauen sind besonders diplomatisch"
Wenn es um Krieg und Frieden geht, reden nur die Männer, kritisiert die CDU-Politikerin Elisabeth Motschmann den Mangel an Frauen in der deutschen Außenpolitik. Nun hat sie einen Sammelband über "Female Diplomacy" herausgegeben.
Die CDU-Politikerin Elisabeth Motschmann beklagt einen riesigen Mangel an Frauen in der deutschen Außenpolitik. "Ich war zum Beispiel auf der Münchener Sicherheitskonferenz, da sind maximal zehn Prozent Frauen", sagte die Abgeordnete, die selbst seit 2013 im Auswärtigen Ausschuss sitzt.
"Da sind Männer, Männer, Männer, und all die arabischen Großfürsten, die kommen da mit riesigen Entouragen, die männlich natürlich immer sind." Sie habe deshalb in ihrem Sammelband "Female Diplomacy" zahlreiche Texte von Frauen versammelt, die von ihren Erfahrungen berichteten, sagte die CDU-Frau im Deutschlandfunk Kultur.
Das Interview im Wortlaut:
Christian Rabhansl: Seit einhundert Jahren dürfen Frauen in Deutschland wählen. Endlich. Trotzdem dominieren Männer bis heute viele Politikfelder. Frauen dürfen sich dann um Themengebiete wie Kultur oder Familienpolitik oder Gedöns kümmern – wie der damalige Kanzler Schröder einst so dumm anmerkte, wobei er sich dafür später entschuldigt hat.
Trotzdem: Dass die Bundesrepublik neben einer Kanzlerin auch noch eine Verteidigungsministerin hat, das hat zumindest zu Beginn viele weitere dumme Sprüche hervorgerufen. Und was sie da alles zu hören bekommen hat – bezeichnenderweise nicht aus der Bundeswehr, sondern außerhalb –, das beschreibt Ursula von der Leyen in einem kurzen Text, der Teil eines Sammelbandes ist, ein Sammelband über Female Diplomacy, also über weibliche Diplomatie. Und die Herausgeberin dieses Buches, Elisabeth Motschmann, haben wir in die "Lesart" eingeladen. Guten Tag!
Elisabeth Motschmann: Guten Tag, Herr Rabhansl!
Rabhansl: Sie, Frau Motschmann, sind in der CDU, seit 15 Jahren Mitglied des Bundestages, Sie befassen sich dort auch mit der Außenpolitik. Was hat denn den konkreten Anstoß für dieses Buch gegeben?
Motschmann: Ich bin seit 2013 Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und habe gesehen, dass es ein riesiges Defizit an Frauen gibt in Bereichen, wo ich sie für unbedingt nötig halte, und das ist die Außenpolitik zum Beispiel. Und wenn es um Krieg und Frieden geht, wenn es um unsere Beziehung innerhalb von Europa oder in der Welt geht, reden Männer, erklären uns Männer die Welt, aber Frauen sind selten dabei. Ich war zum Beispiel auf der Münchener Sicherheitskonferenz, da sind maximal zehn Prozent Frauen. Da sind Männer, Männer, Männer, und all die arabischen Großfürsten, die kommen da mit riesigen Entouragen, die männlich natürlich immer sind.
Männer ziehen Männer nach
Rabhansl: Da deuten Sie schon an, das ist kein spezifisch deutsches Manko. Sie schreiben, egal ob in den Vereinten Nationen, ob in der Europäischen Union, aber auch in den Medien, wenn immer es um Außenpolitik geht, dann seien Frauen die Ausnahme. Haben Sie eine Erklärung gefunden, woran das liegt?
Motschmann: Na ja, es liegt zum einen sicherlich auch, aber ganz bestimmt nicht nur und an erster Stelle an den Frauen, die eben auch vorzugsweise auf Felder gehen, die Sie ja eben beschrieben haben – Familie, Frauen, Gesundheit, Kultur, Bildung –, aber es liegt auch daran, dass Männer Männer nachziehen oder dass Medienvertreter Männer einladen zu Themen der Außenpolitik.
Jeder sucht sich das, was er kennt, das, was ihm vertraut ist, aber kommt nicht auf den Gedanken, vielleicht auch mal eine Historikerin, eine ausgewiesene Politikwissenschaftlerin zu so einem Thema zu befragen. Deshalb hab ich das Buch gemacht, in der Hoffnung, dass es auf jedem Redaktionstisch liegt, wenn man jemand sucht für Außenpolitik, dass man auch mal drüber nachdenkt, eine Frau zu befragen.
Rabhansl: Es wird in Ihrem Buch auch zitiert die damalige Verfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach. Im Jahr 2000, da hat die schon notiert, im Auswärtigen Amt herrsche eine geradezu weibliche Übermacht, 98 Prozent Frauen, aber eben in den Vorzimmern, in den Schreibdiensten, und je höher die Hierarchie, desto niedriger der Frauenanteil. Das war vor 18 Jahren. Frustriert Sie das?
Motschmann: Das ist schon frustrierend. Ich hab, als ich sehr viel jünger war, immer gedacht, na ja, alles braucht seine Zeit, aber uns liegt die Welt zu Füßen, denn wir sind tadellos ausgebildet, wir haben die gleichen Praktika gemacht, wir haben gute Zeugnisse, oft bessere Zeugnisse als die Männer, und dann können wir auch jedes Amt ausfüllen.
Das hat sich so leider nicht bewahrheitet, und wir müssen an vielen Stellen – das betrifft nicht nur die Außenpolitik, die Wirtschaft, die Finanzpolitik, andere Politikfelder –, wo wir noch zu kämpfen haben, wo wir aber auch sagen müssen, hier sind wir, wir können das, wir wollen hier mitreden, mitdiskutieren, mitverhandeln, mitentscheiden, weil es wichtig ist, dass beide, Männer und Frauen, sich den Themen widmen.
Und wie gesagt, wenn es um so wichtige Themen geht wie zum Beispiel die Auslandseinsätze der Bundeswehr oder wie verhandeln wir mit einem Mann wie Donald Trump oder Erdogan oder Assad oder wem auch immer, dann finde ich schon, ist das unglaublich wichtig, dass man Frauen einbezieht, denn sie haben immer einen anderen Zugang zu den Themen und zu Menschen.
Lebendige Erfahrungen
Rabhansl: Jetzt sind Sie gerade schon nahtlos von der Frage, wie wenig Frauen in den entsprechenden Bereichen arbeiten, zu den Sachthemen gekommen, und das ist auch ein Kennzeichen Ihres Buches. "Female Diplomacy" heißt das Buch, aber es finden sich völlig unterschiedliche Texte drin. Ursula von der Leyen hab ich schon genannt, die schreibt tatsächlich über weibliche Karrierechancen bei der Bundeswehr. Es ist aber zum Beispiel auch die grüne Osteuropa-Fachfrau Marieluise Beck vertreten, die schreibt darüber, warum sie selber keine Pazifistin ist, Sie, Frau Motschmann, schreiben über das Verhältnis zu den USA unter Donald Trump. Das ist sehr breit gefächert, welchen Auftrag haben Sie Ihren Autorinnen gegeben?
Motschmann: Ich hab ihnen gesagt, sie sollen sich ein Feld suchen innerhalb der Außenpolitik, wobei wir Außenpolitik sehr breit definiert haben. Sie sollen einstricken persönliche Erlebnisse, dadurch werden die Beiträge sehr lebendig und sind nicht nur an einem Sachthema, an einem außenpolitischen Thema orientiert, sondern wie bin ich eigentlich da hingekommen, was hat mich gehindert, was hat mich vielleicht auch beflügelt, sodass wir mit Botschafterinnen, mit Thinktankerinnen, mit Journalistinnen, mit Politikerinnen sehr, sehr unterschiedliche Frauen haben, die geschrieben haben. Ich wollte sie so wenig wie möglich festlegen und nicht so viel wie möglich – dann kriegen sie gestanzte Beiträge, die dann vielleicht nicht so spannend sind.
Weibliche Diplomatie
Rabhansl: So sind sehr unterschiedliche Beiträge entstanden. Da geht es um Fragen wie, ob es eine spezifische weibliche Art der Diplomatie gibt, ob es einen weiblichen Blick auf Politik gibt, es geht aber auch um die Frage zum Beispiel, ist weibliche Außenpolitik, wenn die Menschenrechte von Frauen und Mädchen im Fokus der Außenpolitik stehen. Das ist sehr vielfältig, hat mich aber am Ende ein bisschen auch ratlos gemacht, wofür eigentlich der Begriff "Female Diplomacy" in Ihren Augen steht. Wofür steht der?
Motschmann: Das war ein Arbeitstitel, den der Verlag dann übernommen hat, und man muss den Untertitel dazu nehmen, "Frauen in der Außenpolitik". Weibliche Diplomatie, da werde ich oft gefragt, ist die eigentlich anders als männliche Diplomatie. Das ist schwer zu beantworten, aber ich finde schon, dass man Frauen zusprechen muss, dass sie besonders diplomatisch sind, dass sie sehr konsensorientiert sind, zielorientiert auch, und auch ein ausgleichendes Wesen häufig haben – nicht alle, muss man immer dazusagen. Wir dürfen weder bei den Männern verallgemeinern noch bei den Frauen, und trotzdem gibt es Eigenschaften, die ich ganz besonders auch sehe bei Frauen, und die müssen in dieses Geschäft hinein.
Rabhansl: Vor ein paar Tagen, da hat in Österreich die Hochzeit der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl für Aufsehen gesorgt, denn die hat den russischen Präsidenten Putin eingeladen. Sie hat mit dem Machthaber getanzt und hat im Rahmen dieses Tanzes einen tiefen, tiefen Knicks gemacht, also wirklich vor ihm in die Knie gegangen. Der Vizekanzler und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat gesagt, das sei Hochzeitsdiplomatie in positivem Sinne. Was geht in Ihnen vor, wenn ein Kniefall – sag ich jetzt überspitzt – vor dem russischen Präsidenten als irgendwie weibliche Diplomatie gilt?
Motschmann: Also das habe ich ganz sicher nicht gemeint, und ich finde es auch unmöglich, um es mal deutlich zu sagen. Der Umgang mit Putin kann nicht mit Kniefall und Hochzeitstanz gemacht werden, da ist mir die Art von Angela Merkel wirklich wesentlich lieber. Dieses Beispiel hätte ich nie genommen, nie, ich hätte die nie gebeten mitzuschreiben, sondern ich habe Frauen gebeten mitzuschreiben, die ernsthaft nachdenken auf ihre Weise, vielleicht auf andere Weise über Fragen der Außenpolitik. Aber es gibt immer auch alberne Formen, und das würde ich als eine solche bezeichnen. Ich würde keinen Kniefall vor Herrn Putin machen, da können Sie ganz, ganz sicher sein.
Viele Chauvi-Witze
Rabhansl: Die Autorinnen Ihres Bandes, die kommen zu sehr unterschiedlichen Antworten, ob es denn eigentlich so was wie eine weibliche Außenpolitik gibt. Sie selbst haben gerade schon gesagt, Sie glauben schon, es gibt da eine andere Art des Verhandelns. Können Sie das ein bisschen erklären, was, glauben Sie, machen Frauen anders?
Motschmann: Ich glaube, dass Frauen nicht so stark auf Konfrontation gehen, sondern eher versuchen, auszugleichen und auf diplomatische Weise ihre Ziele erreichen wollen. Sie haben oft ganz ähnliche oder die gleichen Ziele wie Männer, aber sie kommen da anders hin. Und man merkt es schon auch, ich bin ja sehr lange auch in der Politik, und als ich angefangen habe, wie der Ton in manchen Sitzungen sich verändert hat im Laufe der Zeit. Ich möchte nicht wissen, wie viele Chauvi-Witze, dämliche Witze ich mir habe anhören müssen, die ja auch immer Frauen klein machen oder lächerlich machen.
Ich bin keine Spaßbremse, ich kann Spaß verstehen, alles, aber es gibt Grenzen, und es gibt Reden der Männer über Frauen, die uns schaden und die auch nicht in Ordnung sind und die uns lächerlich machen, klein machen, so als wenn man etwas mit uns machen kann, was man mit Männern nicht machen würde. Also, Frauen sind zielorientiert, sachorientiert, ganz sicher pragmatisch, aber sie sind eben auch – sie lassen ihre Empathie nicht völlig aus dem Spiel, schildert die Liechtensteiner Außenministerin sehr, sehr gut. Sie lassen zu, dass man auch vielleicht mal emotional argumentiert.
Rabhansl: Und da ist sie nicht die Einzige. Michelle Müntefering zum Beispiel, Staatsministerin für Kultur im Auswärtigen Amt, die schildert auch, wie sie emotional durchaus empathisch reagiert, sie will das Männern nicht abstreiten, aber – auch das finde ich dann interessant – sie fragt sich, ob es so eine Art weibliches Friedensgen gäbe. Das wird nicht beantwortet in dem Text, mit der Begründung, es gäbe bislang schlicht und ergreifend zu wenig Frauen in außenpolitischer Verantwortung, um das irgendwie untersuchen zu können. Darf ich mal böse dagegenhalten? Wenn man andersrum fragen würde, ob es ein männliches Kriegsgen gäbe, das würde als sexistisch abgetan.
Motschmann: Das würde sexistisch sein, ich hab auch kein Kampfbuch gegen die Männer geschrieben, aber mit diesem Friedensgen ist schon etwas angesprochen, was ich spannend finde. Wenn Sie sich ansehen, wo finden Kriege statt, wer veranlasst sie, wer gibt die Einsatzbefehle, dann sind da ganz sicher kaum Frauen dabei – auch da gibt es immer Ausnahmen –, sodass ich schon glaube, dass Frauen viel, viel stärker Frieden schaffen wollen, weil wenn man auch Söhne hat, ich hab ja auch zwei Söhne, die auch gedient haben beide, und bei manchem Auslandseinsatz – ich hab für viele im Bundestag geredet – fragt man sich, was wäre eigentlich, wenn dein eigener Sohn dabei wäre. Einmal ist es auch sehr nah an mich herangerückt, das betraf nicht meine Söhne, aber einen Neffen, der in Mali war, oder auch jemand anders aus der Familie, der in Afghanistan war.
Da entsteht wirklich eine Leidenschaft für das Feld der Außenpolitik, weil man beseelt ist von dem Gedanken, wir müssen es doch schaffen, Frieden zu schaffen über unsere eigene kleine Welt oder über Deutschland und Europa hinaus. Selbst da schaffen wir es ja schon nicht, wenn ich an die Ukraine denkt. Also, dieses Friedensgen, was Michelle Müntefering da angesprochen hat, das müsste man beobachten, das müssen Sie auch als Journalist mal weiter ein bisschen beobachten.
Distanz zum Pazifismus
Rabhansl: Trotzdem, um keinen falschen Eindruck zu erwecken, das Schlusswort, das geben Sie Marieluise Beck, dieser grünen Osteuropa-Expertin, -Fachfrau, die sehr dezidiert schreibt, der Pazifismus der Post-68er, den findet sie naiv, den findet sie falsch, und sie schreibt: Ich bin keine Pazifistin. Ist das, dass das das Schlusswort ist, auch ein Statement Ihrerseits, Frau Motschmann?
Motschmann: Dieser Beitrag kam zusätzlich, sie hat ja auch noch einen anderen Beitrag geschrieben, und er fiel so ein bisschen aus dem Gesamtrahmen heraus. Und da haben wir gedacht, das nehmen wir an den Schluss, aber ich hab nie darüber nachgedacht, dass das das Resümee des Buches sein könnte. Nein, das ist es sicher nicht. Es hat nichts damit zu tun, dass ich glaube, dass grundsätzlich Frauen alle von sich sagen würden, bin keine Pazifistin, wir wollen für den Frieden arbeiten. Und dass man das Frauen bisher nicht zutraut und nicht zulässt, das finde ich skandalös, muss ich so sagen.
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