Leipziger Bauchgefühl
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Steffen Hildebrand zog nach der Wende von Frankfurt am Main nach Leipzig - und erlebte den Wandel der Stadt als Immobilienentwickler mit. Schon bald begann er zudem, sich in der Kunstszene umzusehen. Und wurde so zum leidenschaftlichen Sammler.
Mit zügigen Schritten und freundlichem Lächeln betritt Steffen Hildebrand die Kunsthalle. Er trägt einen dunkelblauen Anzug mit buntem Einstecktuch in der Brusttasche. Er nimmt auf einem schwarzen Ledersessel Platz, über dem Tisch daneben hängt eine Installation von Tomás Saraceno – natürlich ein Werk aus Hildebrands Sammlung. Er ist passionierter Kunstsammler. Angefangen hat alles vor rund 30 Jahren. Damals war er erst 20 Jahre alt – und wusste genau, was er wollte.
Ein Bild erzeugt Gänsehaut
"Da habe ich mir eine Arbeit gewünscht von meinen Eltern, die ich bei einem Bekannten meiner Eltern gesehen habe, den Künstler habe ich dort gesehen."
Er sah ein Werk von Jost Giese, ein Künstler aus der DDR, aus Leipzig, und wünschte sich ein anderes Bild von ihm. Noch heute hängt "King Lear" bei ihm zu Hause. Für Hildebrand eine "Gänsehaut-Story" wie er sagt.
"Ich konnte 1988 im Ansatz nicht erahnen, dass mich mein ganzes Leben nach Leipzig führen wird."
Nach der Wende kam Hildebrand von Frankfurt nach Leipzig, machte sich selbstständig als Immobilienentwickler und erlebte den Wandel der Stadt mit. Schon damals begann er, sich in der Leipziger Kunstszene umzusehen.
Heute ist der Schwerpunkt seiner Sammlung eindeutig die zeitgenössische Malerei, vor allem aus Leipzig. Viele Künstler arbeiten hier oder haben an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert.
Per Du mit den Großen der Szene
"Wir können gerne zu Neo Rauch gehen, gerne zu Hans Aichinger gehen, zu Christina Schuldt gehen. Ich bin da ganz flexibel. Neo Rauchs Arbeiten, seine Bilderwelt fasziniert mich seit ganz vielen Jahren und zieht mich wirklich in ihren Bann."
Ganz wichtig für Steffen Hildebrand ist das Bauchgefühl beim Kauf eines Werkes. Trotz seiner Passion wirkt Steffen Hildebrand bedacht. Denn Sammeln braucht Disziplin, sagt der 51-Jährige.
"Die Sammelleidenschaft geht öfter mit einem durch. Man ist gut beraten, darauf zu achten, dass das nicht zu häufig passiert. Gerade, wenn man den Fokus auch national und international ausrichtet, kann man schnell an seine Grenzen kommen."
Vom Wohnungsatelier zur eigenen Kunsthalle
Irgendwann stand er vor der Entscheidung, wie es weitergehen soll mit der Sammlung, wenn Büro und Wohnraum schon voll sind. Nur fürs Lager sei die Kunst zu schade.
"Kunst ist dafür da, gesehen zu werden. Kunst muss in den Raum, Kunst muss öffentlich sein."
Nach längerer Suche stieß er auf das alte Datenverarbeitungszentrum der DDR. Ein brutalistischer Bau im Leipziger Zentrum. Damals waren hier im dritten Stock die Decken noch abgehangen und Zwischenwände eingezogen. Doch mit etwas Fantasie sah Hildebrand seine Schätze schon an den hohen Wänden hängen.
Er kaufte das Gebäude und machte daraus die Kunsthalle, die verwinkelt und weitläufig zugleich ist, mit Sichtachsen von zum Teil 20 Metern. Er übergab sie in die Hände einer Direktorin: Anka Ziefer kümmert sich um die kuratorische Gestaltung und zeigt neben Werken der Sammlung auch Sonderausstellungen mit anderen Künstlern. Einmal im Jahr gibt es noch eine Ausstellung, die sie nur mit Werken der Sammlung von Steffen Hildebrandt bestückt.
"Bei jeder Ausstellung, die sie kuratiert, bin ich ganz gespannt. Wir haben hier eine ganz klare Aufgabenteilung: Ich sammle das, was mir gefällt, was ich möchte – lass mir dort auch in meine Sammlung nicht hineinreden – und Anka Ziefer darf alles das zeigen, was sie möchte."
Persönlicher Kontakt zu Künstlern ist wichtig
Die aktuelle Ausstellung zeigt: Hier ist weitaus mehr zu sehen als Leipziger Malerei. Etwa Fotografie oder Plastik, wie die von der Decke hängenden stählernen Quadratrahmen des Mexikaners Jose Dávila – oder ein fleischfarbener Spargel aus Silikon von Hannah Levy. Die Künstlerin hat Hildebrand erst neulich in New York beim "Studio visit" kennengelernt und mit ihr über ihre Arbeit gesprochen.
"Damit hat man natürlich im Nachgang eine andere Verbindung. Wann immer man eine Arbeit, in dem Fall von Hannah Levy sieht, dann hat man auch das Atelier, den Moment und den persönlichen Kontakt vor Augen."
Der Kontakt zu Künstlern ist ihm wichtig. Mit den Leipzigern gehe das natürlich gut:
"Zu den lokalen Künstlern habe ich eigentlich zu allen Kontakt und kenne eigentlich auch alle persönlich."
Die Art der Treffen variieren. "Das sind teilweise Atelierbesuche, das ist teilweise mal ein nettes Essen oder ein Treffen auf ein Bier oder einen Wein. Das ist ein Treffen bei einer Ausstellung."
Auf der Suche nach neuen Künstlern und Werken ist er immer. Wohin die Reise 2020 führen wird, das weiß er jetzt noch nicht. 2019 war er schon viel unterwegs: etwa in Venedig oder New York. Von seinen Reisen bringt er gerne das eine oder andere Kunstwerk mit.
"Die Sammlung durfte auch wieder ein Stück bereichert werden."
(mle)