Das erste "San Francisco Pornfestival" findet noch bis zum 23. August statt, coronabedingt allerdings nur online.
Ein anderer Blick auf nackte Haut
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Pornos haben einen schlechten Ruf: Sie zeigten nur "Rein-Raus", seien frauenfeindlich und lieferten ein falsches Bild von Sexualität. Wie vielfältig der Blick auf das Thema jedoch ist, zeigt das neue San Francisco Pornfilmfestival.
"Weißt du, in Toronto gibt es ein Pornofilmfestival, London hat eins, Berlin und auch Madrid. Und ich dachte mir, warum gibt es das überall, San Francisco braucht auch eines", sagt Shine Louise Houston.
Sie ist Direktorin des ersten Pornofilm Festivals in San Francisco. Für sie war klar, dass im prallen Festivalkalender von San Francisco solch eine Filmschau einfach fehlt, auch wenn andere Events, wie das weltweit größte LGBTQ Filmfest "Frameline" immer mal wieder "After Dark" Streifen im Programm haben, also Filme mit eindeutigen Sexszenen.
"Vor über zehn Jahren bin ich zum ersten Mal zum Pornofilmfest nach Berlin gereist", erzählt sie. "Und ich war vollkommen hin und weg, denn da machten Leute etwas, was ich gerade erst für mich entdeckt hatte, was ich machen wollte, ich bin eine Filmliebhaberin. Für mich war klar, ich wollte wirklich schöne Filme machen und hier waren Leute, die dieselben Ideen und Werte hatten und fantastische Dinge realisierten."
San Francisco ist genau richtig für ein Pornofestival
San Francisco, die Stadt am Golden Gate, ist wohl wie für dieses Festival gemacht, denn hier werden die strengen Regeln und Gesetze in Bezug auf Sexualität und Nacktsein einfach ignoriert.
Die "City by the Bay" gilt als die Hauptstadt der Gay-Bewegung, hier feiert alljährlich die Sadomaso-Szene ganz offen das Folsom Street Fair mit Hundertausenden von Besuchern. Und hier gibt es auch eine lange Geschichte von unabhängigen Filmschaffenden, die teils künstlerisch, teils gewagt und provokant "Adult Movies", Filme mit sexuellem Inhalt, produzierten.
Schon in den 1960er Jahren nannte die "New York Times" San Francisco daher "The Smut Capital of the United States", also die Porno- oder Schweinkram-Hauptstadt der USA.
Die Dokumentation "Smut Capital of America", die beim Festival gezeigt wird, erzählt genau davon, dass San Francisco einmal das Epicenter der amerikanischen Pornoszene war. Doch davon ist nicht mehr viel übriggeblieben. Heute denkt man bei US-Pornos vor allem an das San Fernando Valley außerhalb von Los Angeles und an Las Vegas.
"Oh mein Gott, das ist Porno?"
Für Shine Louise Houston ist das Pornfilmfestival dennoch ein bisschen wie das Heimbringen eines Filmgenres: "Ich verstehe Porno einfach als ein weiteres Filmgenre. Es ist nicht monolithisch, es gibt vielmehr eine riesige künstlerische Vielfalt innerhalb des Genres, bei dem man denkt: Oh mein Gott, das ist Porno? Man kann den Horizont des Betrachters schon erweitern, wenn man Sexualität auf der Leinwand zeigt."
Es geht bei diesem Pornofilmfestival nicht um die schnelle Befriedigung, um unmögliche Positionen, um ein aneinander reiben von wunderschönen Körpern. Ganz im Gegenteil, Porno ist hier ein weit gefasster Begriff.
Ja, es wird auch kopuliert, geleckt und mit Grenzen gespielt. Aber es wird vor allem ein durchaus künstlerischer, ästhetischer und politisch korrekter Blick auf nackte Haut und Vorlieben gewährt.
50 Prozent der Filme von Frauen produziert
Frauen und auch Männer – weiß, Schwarz, dünn, etwas gewichtiger, behindert, tätowiert und gepierct, rasiert oder unrasiert – sie alle sind Objekte der Begierde. Das ja, aber dennoch sind es keine frauenfeindlichen Streifen, keine simplen Abspritzfantasien.
Das mag daran liegen, dass rund 50 Prozent der Filme von Frauen produziert wurden, vielleicht auch daran, dass das Filmgenre Porno tatsächlich mehr ist als Videoportale wie "Pornhub" es darstellen.
Corona hat auch hier alle Pläne durcheinandergeworfen. Für Shine Louise Houston war dennoch klar, man werde am eigentlichen Konzept festhalten.
"Wir wollten nicht einfach 'Video on demand' machen, also, dass die Leute sich die Filme einfach ansehen können, wann sie wollen", sagt sie. "Mir war die Festivalidee wichtig. Das miteinander Ansehen als Erfahrung. Also machten wir uns daran, wie wir das live streamen können, mit einem Live Chat und all dem. Damit man das Gefühl bekommt, die Filme gemeinsam zu sehen. Denn für mich ist gerade das der wesentliche Part eines Festivals."
Im nächsten Jahr soll es dann aber doch ins Kino gehen, der Vertrag mit dem Brava Theater am Rande des Mission District von San Francisco wurde einfach um zwölf Monate verschoben. In diesem Jahr allerdings kann man problemlos auch von außerhalb dabei sein.