Sandalenfilm – eine halbe Stunde verlängert

Von Jörg Taszman |
Als 2004 "Troja" in die Kinos kam, sahen ihn allein über vier Millionen Deutsche. Und doch war es nicht ganz der Film, den Hollywood-Regisseur Wolfgang Petersen im Kopf hatte. Nun kommt eine neue, von ihm mit dem letzten Schnitt versehene längere Fassung ins Kino, die in Berlin Weltpremiere feierte.
Er ist sehr gut gelaunt und mit sich und der Welt ziemlich zufrieden: Wolfgang Petersen, der immer noch wie ein Nord-Deutscher spricht, aber gerade wenn es um Fachbegriffe aus der Filmwelt geht, kurz ins Englische verfällt. Zum zweiten Mal in seiner Karriere hat er nach "Das Boot" einen seiner Filme noch einmal überarbeitet.

Aus kommerziellen Erwägungen hatte Wolfgang Petersen vor drei Jahren "Troja" um einige blutige Kampfszenen gekürzt, aber auch Liebesszenen "entschärft". Ganz zufrieden war Petersen mit dieser ersten "Troja"-Fassung jedoch nie. So setzte er sich im Vorjahr drei Monate lang wieder in den Schneideraum und hatte endlich die Freiheit, die er sich 2004 nicht genommen hatte. Heute kann er ganz entspannt über die Unterschiede von "PG 13", also der Freigabe in Begleitung der Eltern ab 13 Jahren, und dem so wichtigen "R", das für eine Freigabe ab 17 steht, sprechen.

Wolfgang Petersen: " Also irgendwo rauft man sich dann doch zusammen und sagt okay, wollen wir mal sehen, welche Version wir hinkriegen, so dass es vielleicht "PG-13" wird in Amerika. Haben wir nie gekriegt übrigens. Je mehr ich geschnitten hab, je mehr war es immer noch ein "R". Während dieses Prozesses, wo dann auch schon gewisse Frustrationen einsetzten, wo ich mir dann sagte: Aha, jetzt merke ich deutlich, dass der Film kreativ verliert. Weil der Rhythmus ist nicht mehr derselbe, man nimmt sich nicht mehr die Ruhe, die Geschichte zu erzählen, es ist ja immerhin ein Epos, die Gewalt, die man hier noch rausnimmt, dort noch rausnimmt, nimmt von der Realität einer solchen Schlacht, oder Schlachten wie damals waren. Das muss so gewesen sein, wie Homer sie beschrieben hat, nicht so wie wir das zeigen. Und dann fängt es an, frustrierend zu werden. Da setzt dann irgendwie ein: Irgendwann muss ich da noch einmal ran."

Herausgekommen ist nun ein dramaturgisch besserer, um eine halbe Stunde verlängerter Sandalenfilm, der sich mehr Zeit nimmt, aber auch blutigere Schlachtszenen zeigt. Auch die Fans des nackten Brad Pitt oder Orlando Bloom können sich über ein paar Sekündchen mehr nackte Haut freuen. Eigentlich hätte Wolfgang Petersen keine Kompromisse eingehen müssen, weil er seit einiger Zeit den in Hollywood so begehrten Final Cut hat, auf Grund seiner Erfolge mit den Filmen "In the Line of Fire" und "Air Force One", die beide über 100 Millionen Dollar einspielten. Petersen erläutert, was Final Cut genau bedeutet:

" Final Cut-Director, das steht dafür, dass man die letzte, kreative Kontrolle hat über einen Film. Das heißt nicht nur über den Schnitt, sondern überhaupt über den Film. Das ist eine Gruppe von, ich weiß nicht, zehn, zwölf Regiusseuren, die das haben in Hollywood. Das ist so der Ritterschlag und der ist sehr gefürchtet von den Studios, weil man kann theoretisch wirklich sagen; Nö, Nö - das ist es jetzt, so will ich den Film raushaben. Wie gesagt, es ist nicht nur der Schnitt, sondern wie der Film überhaupt herauskommt, mit Musik, Schauspielern, mit allem drum und dran. "

Als Wolfgang Petersen nach den Erfolgen mit "Das Boot" und "Die unendliche Geschichte" Ende der 80er Jahre den Sprung nach Hollywood wagte, musste er zunächst Genrefilme wie "Enemy Mine", ein typisches, so genanntes B-Picture über die Angst vor Außerirdischen unter den Menschen, gefolgt vom Thriller "Tod im Spiegel" machen. Petersen, der 1941 in Emden geboren wurde, überzeugte amerikanische Produzenten, weil er sich als solider Handwerker erwies. Lange Zeit war er zusammen mit dem 14 Jahre jüngeren Roland Emmerich der einzige Deutsche, der sich als Regisseur in Hollywood durchsetzen konnte. Mit Interesse verfolgt er nun die Entwicklung von Florian Henckel von Donnersmarck.

" Das erinnert mich sehr, an was damals mit mir passiert ist mit dem "Boot". Wirklich wahr. Also im Moment ist er auf "cloud nine", wo immer er hingeht, alle lieben ihn, alle verehren ihn, vor allem es ist sein erster Film, den er gemacht hat und Hollywood liebt so etwas. (…) Er kriegt wahrscheinlich jedes dritte Drehbuch zum Lesen. (...) Er sollte eine Entscheidung fällen. Entweder so jung und so frisch wie er noch ist, nach einem Film stehen ihm die Tore und Türen schon offen. Wenn er ein Material findet, was wirklich gut ist für ihn, dann soll er das machen. Das ist die Chance seines Lebens. Vielleicht kommt die nie wieder. Oder wenn er Zweifel hat, ob er schon reif ist dafür und in die schwierige Hölle von Hollywood gehen will. Wenn er da lieber noch mal sagt: Ich geh zurück und mache noch zwei, drei Filme in Deutschland, dann bin ich erst richtig reif dafür, dann wäre das auch eine sehr weise Entscheidung. Aber es liegt natürlich bei ihm. "

In Hollywood nimmt man Wolfgang Petersen gerne für große Superproduktionen und Katastropfhenfilme wie "Poseidon" oder "Outbreak", vertraut ihm aber auch actiongeladene Thriller wie "Air Force One" an. Er ist also ein Experte für teure Superproduktionen mit bekannten Stars. Das war nicht immer so, wenn man bedenkt, dass Petersen in Deutschland 1974 mit dem Tatort "Reifezeugnis" bekannt wurde und die damals 14-jährige Nastassja Kinski entdeckte. Aber trotz Angeboten aus Deutschland zieht es den in Los Angeles lebenden Wolfgang Petersen nicht zurück. Könnte er sich jedoch vorstellen, auch einmal einen kleineren Film zu drehen?

" Ja, das hängt wirklich davon(...) wenn man so Regisseure fragt, die immer nur größere Filme gemacht haben. Jetzt möchte ich mal zur Erholung was Kleines machen, und das passiert dann eigentlich nie. Und obwohl man eindeutig so ein Verlangen, auch so einen Wunsch hat und ich ja auch viele von diesen kleineren Filmen gemacht hatte, damals hier noch in Deutschland, als ich für das Fernsehen gearbeitet habe. Aber komischerweise entweder kommen die Projekte nicht an mich heran, die Leute geben die mir nicht, (...) aber auch in Hollywood wollen sie eigentlich nicht, dass ich wirklich mal diesen kleinen Film mache."
Schauspieler Brad Pitt und Regisseur Wolfgang Petersen bei der Premiere des Films "Troja" in Berlin
Brad Pitt und Wolfgang Petersen 2004 bei der Premiere des Films "Troja" in Berlin© AP