Sang Young Park: „Love in the Big City“
© Suhrkamp
Schwules Großstadtleben in Seoul
05:49 Minuten
Sang Young Park
Übersetzt von Jan Henrik Dirks
„Love in the Big City“Suhrkamp Nova, Berlin 2022220 Seiten
16,00 Euro
Young will Schriftsteller werden, liebt Männer, spricht dem Alkohol zu, hasst und liebt seine Mutter, hat eine Herzensfreundin. In seinem frischen, aber etwas überfrachteten Debüt erzählt der Autor von Seelenschmerz und schrillem Leben in Seoul.
Großartig, wie witzig dieser Roman beginnt. Lästermaul Young schwadroniert über Studium, Alkoholkonsum und die Männer, die er nachts abschleppt. Nur seine College-Freundin Jaehee – auch ihr „Ruf im Fachbereich war, gelinde gesagt, nicht der beste“ – liebt er heiß und innig. Ein Weilchen wohnen die beiden zusammen, bequatschen auf dem Bett das Leben und die Liebe und haben sich dazu Feuchtigkeitsmasken aufgelegt.
In Sang Young Parks Debütroman geht es um „Love in the Big City“, womit die Metropole Seoul gemeint ist. Sang Young Parks Erzähler heißt Young Park und ist offenkundig eine leicht verkürzte und dennoch lebensnahe Variante des realen Autors. Beide wurden 1988 geboren, sind schwul und leicht übergewichtig. Sie haben in Seoul Romanistik studiert und wollen Schriftsteller werden.
Mutter will Sohn zu Heterosexualität bekehren
In vier großen Kapiteln erleben wir Young und seine Großstadtlieben, an die er – mittlerweile Mitte 30 – zurückdenkt. Zunächst erinnert er sich an Herzensfreundin Jaehee, die am Ende ihres Studiums plötzlich sehr bürgerlich wird. Warum? Young fragt enttäuschenderweise nicht nach, und so wirkt dieses Kapitel ein wenig abgebrochen.
Es folgt das weitaus längste und gar nicht mehr so lustige Kapitel, in dem Young seine sieche Mutter pflegt und durch ihre langwierige Krebs-Erkrankung begleitet. Einerseits sorgt er sich um seine Mutter, andererseits hasst er sie „schwarz und giftig“.
Als fanatische Christin – davon gibt es viele in Südkorea – versucht sie unaufhörlich, ihren Sohn zur Heterosexualität zu bekehren. Als sie ihn als Jugendlichen einmal mit einem Jungen erwischte, schickte sie ihn in die Psychiatrie, wo ihm ein familiärer Knacks vom Ausmaß eines Kriegstraumas attestiert wurde.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Eine Entschuldigung für die psychische Gewalt, die sie ihrem Sohn angetan hat, kommt für die Mutter nicht infrage, so sehr Young auch darauf hofft.
Mit Sentimentalitäten übergossen
Auch wenn der Roman heiter beginnt, so will er dahin, wo‘s wehtut, wozu auch Youngs Beziehungen gehören. Besonders wichtig ist ihm Gyu-ho, mit dem er sogar einige Zeit zusammenlebt. Mit fortschreitender Alltäglichkeit geht aber auch diese Liebe in die Brüche.
Im Nachhinein – da ist schon der nächste Partner da – wird sie aber noch mal kräftig mit Sentimentalitäten übergossen. Da ist der HIV-positive Young leider nicht mehr so ehrlich zu sich selbst, wie er es eigentlich die ganze Zeit sein will.
Unterhaltsamer Debütroman
So ist „Love in the Big City” ein unterhaltsamer Debütroman, in dem Sang Young Park Alltag, Seelenschmerz und die Schrillheiten schwulen Großstadtlebens eloquent abmischt. Diese Frische besitzt auch die deutsche Übersetzung.
Allerdings wirkt der Roman personell überfrachtet und qua Plot und Erzählperspektive noch nicht ganz ausgereift. Als erklärtermaßen autobiografisches Schreibprojekt, das sich zum Ende hin immer mehr als Schreibtherapie outet, ist er zu sehr Erlebnisaufzählung ohne Spannungsbogen. Viele Episoden wirken so zufällig, wie das Leben eben ist, das Schreiben aber nicht sein sollte.