Das Comeback der rosa Röhre
Der Umlauftank 2 der Technischen Universität Berlin, 1974 errichtet vom Architekten Ludwig Leo, beherbergt einen reissenden Fluss und ist ein bedeutendes Bauwerk der Nachkriegsarchitektur. Lange Zeit verfiel das merkwürdige Gebilde, jetzt ist es saniert worden und kann wieder genutzt werden.
Wie würde man dieses Gebäude beschreiben? Eine fette rosa Made, die durch einen knallblauen Kasten auf Stelzen kriecht, besser: sich hindurchwindet. Der Umlauftank 2, entworfen 1974 von Ludwig Leo, ist eine Ikone der Pop-Art-Architektur, wenn es denn so eine Kategorie gäbe. Ganz im Stile des "Brutalismus", der in den 50er Jahren den rohen Beton als Baustoff feierte, wird seine Funktion nicht kaschiert, sondern nach außen gekehrt. Denn das Bauwerk wurde errichtet, um Strömungstests für Schiffsmodelle und Turbinen durchzuführen. Durch die rosa Röhre fließen 3,5 Tonnen Wasser, das durch zwei große dieselbetriebene Schiffsmotoren und Pumpen im Inneren in einen reißenden Fluss verwandelt werden kann – ein riesiger Kreislauf.
Paul-Uwe Thamsen: "Wir haben eine künstliche Messtrecke, einen Fluss mit drei mal fünf Metern, die wir auf zehn Meter pro Sekunde beschleunigen können. Und jetzt können Sie selber nachdenken, was kann man mit so einem Fluss anfangen: Natürlich allererstes: Schiffbau: Wir können Schiffe in diesem Fluss halten und deren Widerstand messen, und natürlich die gleichen Kräfte beim Manövrieren, ich kann die Schiffe querstellen in diesem Fluss, und habe eben diese definierte Geschwindigkeit um genau zu messen."
Rosa Röhre ist eine der begehrtesten Versuchsanlagen der Welt
Bis zu neun Meter lange Schiffsmodelle können über einen Fahrstuhl im Inneren des Gebäudes in die Höhe transportiert werden, um oben in die Röhre eingesetzt zu werden, erklärt Paul-Uwe Thomsen. Der Professor für Fluidsystemdynamik und Strömungstechnik wird zu den künftigen Nutzern der Anlage gehören. Denn die gehört, trotz des liebevoll restaurierten Oldtimer-Status im Inneren, noch immer zu den international begehrten Versuchsanlagen. erklärt Paul-Uwe Thamsen. Er wird zu den künftigen Nutzern der Anlage gehören. Denn die gehört, trotz des liebevoll restaurierten Oldtimer-Status im Inneren, noch immer zu den international begehrten Versuchsanlagen.
Nur 80 solcher Umlauftanks gibt es weltweit, vier in Deutschland. Die Rosa Röhre in Berlin ist der größte. Das Schaltpult aus den 70ern mit seinen mechanischen Hebeln und rotleuchtenden Druckknöpfen, mit denen die Technik gesteuert wird, wirkt aus heutiger Sicht wie das futuristische 50er Jahre-Cockit aus der Raumpatrouille Orion. Macht nichts, funktioniert trotzdem, und die moderne High-Tech-Messtechnik bringen die Wissenschaftler auf ihren Laptops mit.
"Denkmale sind nicht nur Fassade. Integraler Teil eines Denkmals ist immer auch der Innenraum, und es gibt selten und wenig Gebäude wo ein kompletter Innenraum in seiner ursprünglichen Alles-Anmutung, Materialität, Farbe, in die Zukunft mitgenommen wird."
"Denkmale sind nicht nur Fassade. Integraler Teil eines Denkmals ist immer auch der Innenraum, und es gibt selten und wenig Gebäude wo ein kompletter Innenraum in seiner ursprünglichen Alles-Anmutung, Materialität, Farbe, in die Zukunft mitgenommen wird."
Philip Kurz ist der Geschäftsführer der Wüstenrot-Stiftung, die das Bauwerk innerhalb von drei Jahren für 3,5 Millionen Euro saniert hat. Die Stiftung hat sich auf die Rettung bedrohter Baudenkmäler spezialisiert. Und am gefährdetsten seien leider vor allem die, die noch jung seien, sagt Kurz.
"Die noch keine große Wertschätzung haben. Wenn Sie einen alten Steinhaufen aus dem 19. Jahrhundert haben, sagt jeder: Oh, das ist aber wertvoll, und tolles Denkmal. Bei Gebäuden wie diesem hier kommt man eigentlich gar nicht auf das Wort Denkmal. Dabei ist es seit 15 Jahren ein richtiges eingetragenes Denkmal."
Was nicht verhinderte, dass das Land Berlin das Bauwerk über Jahrzehnte verfallen ließ. Das Rosa der Röhre und das strahlende Blau der Metallpaneelen an der Außenfassade waren zu einem rostigen Einheitsgrau verblasst.
Was nicht verhinderte, dass das Land Berlin das Bauwerk über Jahrzehnte verfallen ließ. Das Rosa der Röhre und das strahlende Blau der Metallpaneelen an der Außenfassade waren zu einem rostigen Einheitsgrau verblasst.
Grundlagenforschung für die Sanierung
Für die Sanierung musste zum Teil restauratorische Grundlagenforschung betrieben werden. Wie saniert man die verschlissenen Plastik- und Metalloberflächen der Nachkriegsmoderne, oder den rosa angesprühten porös gewordenen PU-Schaum? Denn aus nichts anderem besteht die Außenhülle der Röhre. Moderne Baumaterialien werden nicht unbedingt schöner, wenn sie altern. Für den renommierten Architekten Hans Günter Merz, der die Sanierung durchgeführt hat, war der Umlauftank 2 einer der spannendsten Aufträge seiner Laufbahn. Er habe schon als Student für Ludwig Leo geschwärmt, erzählt Merz.
"Dieses technische Gebäude, also rein funktionales Gebäude, dann mit solchen Farben zu belegen, finde ich gigantisch! Pink ist ja eine wahnsinnig unseriöse Farbe. Das Blau geht ja vielleicht noch."
Ein Gebäude wie ein Statement – noch dazu in Sichtkontakt zu der von Albert Speer 1939 angelegten Ost-West-Achse quer durch die geplante Welthauptstadt Germania, die heute "Straße des 17 Juni" heißt.
Ludwig Leo, der vor fünf Jahren starb, hat nur wenig gebaut, doch ein Drittel seiner Bauwerke wurde noch zu seinen Lebzeiten unter Denkmalschutz gestellt – darunter auch die im wahrsten Sinne des Wortes schräge DLRG-Station am Berliner Wannsee. Umso sträflicher, dass Berlin sich zumeist wenig für seine Nachkriegs-Baudenkmäler interessiert. Man kann sich schon glücklich schätzen, wenn es sie nicht abreißen lässt, wie vor sieben Jahren das ebenfalls denkmalgeschützte "Ahornblatt" des Architekten Ulrich Müther am Alexanderplatz. Dass der Umlauftank jetzt doch saniert wurde, ist allein dem Engagement der Wüstenrot-Stiftung zu verdanken. In dem Fall ist es mal etwas Gutes, sagen zu können: Wir gucken wieder in die Röhre. Aber rosa muss sie sein.