Fußball

Wie eine Frau ihren Platz in einem Männerteam findet

06:28 Minuten
Sanja Holetic (FV Löchgau), Maren Aupperle (Biegelkicker Erdmannhausen), Jessica Welte (Biegelkicker Erdmannhausen) im WfV-Pokalspiel (von links)
Sanja Holetic (links) spielt inzwischen beim TV Möglingen (hier noch im Trikot des FV Löchgau). © Imago / Pressefoto Baumann
Von Janina Bauer |
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Seit der Saison 2022/23 dürfen Frauen in Pflichtspielen bei Herrenfußballteams in Amateurligen eingesetzt werden. Das vierjährige Pilotprojekt beruht auf der vom Deutschen Fußball-Bund reformierten Spielordnung. Wie sieht das in der Praxis aus?
Warme Herbstsonne scheint auf den Rasenplatz im baden-württembergischen Ditzingen. Es ist Sonntag, Kreisliga-Zeit. Zwei Teams wärmen sich auf, kicken Bälle hin und her. Auf der einen Seite Turkspor Ditzingen in Rot, auf der anderen Seite der TV Möglingen in Weiß.  Eines fällt auf: Zwischen all den Männern bewegt sich auch Sanja Holetic.
Sie sagt:  
„Ich bin da und will eigentlich nur mein Spiel mit den Jungs spielen. Wir wollen natürlich gewinnen, das ist primär das Ziel. Mich interessiert eigentlich relativ wenig, wie die Reaktionen sind. Im Umkehrschluss werden die Reaktionen immer positiv sein, weil die immer vom schlechtesten ausgehen.“ 
Sagt Sanja Holetic, die bereits ihr drittes Spiel für den TV Möglingen bestreitet und heute in der Startelf steht. Sie weiß, dass die männlichen Gegenspieler, sie erst mal unterschätzen - so war es zumindest in den letzten beiden Spielen.

Mit fünf Jahren begann Holetic mit dem Fußball

Sanja Holetic spielt Fußball, seit sie fünf Jahre alt ist. Von den Bambinis bis zur C-Jugend kickt sie mit den Jungs beim TV Möglingen. Ihre Jugend verbringt sie von morgens bis abends auf dem Bolzplatz, fast immer als einziges Mädchen unter lauter Jungs. So wie jetzt beim Spiel gegen Ditzingen. 
„Mein Ziel war früher, als ich klein und auf jeden Fall noch bei den Jungs war, dass ich als erste Frau beim VfB mit den Männern spielen werde.“
Sanja Holetic wird tatsächlich Profispielerin. Mit 15 wird sie für die kroatische U17-Nationalmannschaft gescoutet. Für Sindelfingen spielt sie in der zweiten Bundesliga, dann wechselt sie zum Konkurrenten Löchgau.
Nach weiteren Jahren in der zweiten Liga folgt der Abstieg. Es geht immer weiter nach unten, bis zuletzt in die Regionalliga. Im März 2024 löst ihr Team sich auf. 

In unseren Augen, auch nicht nur in meinen, hat der Verein die Frauen nicht richtig unterstützt, auch wenn wir hochklassig gespielt haben. Gerade auch in der dritten Liga, zweiten Liga, da war die Unterstützung dann doch noch anders - wie jetzt über die letzten Jahre. Man hat den Frauen in der höheren Liga auch nichts geboten, geboten in dem Sinne von wenigstens angemessenem Fahrtgeld.

Sanja Holetic

Zur fehlenden Förderung kommt der Nachwuchsmangel im weiblichen Bereich: Sanja Holetic sieht in den zwölf Jahren bei Löchgau keinen einzigen Cent, während manche Männer in der Kreisliga bereits ein paar hundert Euro.
 „Mein bester Freund Maik spielt auch hier in Möglingen. Als ich verletzt war und ich gesagt habe, wir sind aufgelöst, hat das erst mal eine Riesenwelle geschlagen. Es war ein sehr, sehr großes Thema.  Er hat aus Spaß gesagt, ‚komm doch einfach zu uns‘, weil er weiß, wie ich Fußball spiele. Da habe ich gesagt, ja, keine schlechte Idee, einfach mal wieder Spaß haben.“

Probetrainings hatte sie auch bei anderen Frauenteams

Parallel geht sie zu Probetrainings anderer Frauenmannschaften. Doch der Funke will nicht überspringen.
Anders als bei den Männern: Viele der Spieler kennt sie noch aus der Jugend. Und die, die sie anfänglich nicht kannten, waren erst überrascht, akzeptieren sie aber schnell.
Dann kommen die Möglinger Trainer auf sie zu, fragen, ob sie nicht bei den Männern mitspielen möchte. Möglich macht das eine Reform der DFB-Spielordnung aus dem Jahr 2022, in Baden-Württemberg erlaubt der Fußballverband seit 2023 Frauen in Männerteams. Stand Juli 2024 sind es im ganzen Bundesland rund 30 Frauen.
In ihrem Kreisverband, wie auch im Team, ist Sanja Holetic aber die einzige.
Ihr Trainer Benjamin Weidner sagt:
„Ich habe jetzt mit der Mannschaft noch nicht gesprochen, wie es aussehen würde, wenn wir noch mal zwei Mädels dazunehmen.  Ich denke, solange die Jungs sehen, dass man da auf einem Niveau ist, sehe ich das problemlos.“ 
Benjamin Weidner holte als Trainer Sanja Holetic ins Team.
Holetic:
„Die Jungs gehen super mit mir um und haben echt viel Spaß.  Und absolut nicht negativ,  eher im Gegenteil. Ich mir auch wirklich sicher: Wenn irgendetwas Blödes kommen würde, werden die auch zu 100 Prozent hinter mir stehen.“
Die Spiele zwischen Möglingen und Ditzingen sind traditionell hitzig, weswegen der Verein vorab per Mail informiert hat, dass eine Frau auf dem Platz stehen wird.
Bis auf einige überraschte Blicke zu Beginn und das ein oder andere Raunen der Zuschauer, als sie einen Torschuss abgibt, fällt Sanja Holetic beim Spiel nichts weiter auf.

Körperliche Unterschiede spielen für sie keine große Rolle

Körperliche Unterschiede, die es natürlich gibt, spielen für sie keine allzu große Rolle. Für Zweikämpfe folgt Holetic einer goldenen Regel: Je schneller sie den Ball spielt, desto weniger verliert sie ihn und vermeidet dabei eventuell unangenehmen Körperkontakt.  
Sie weiß, dass viele Frauen aus diesem Grund - wegen der Härte, insbesondere in der Kreisliga - nicht mit Männern spielen wollen. Massentauglich, glaubt sie, wird das Konzept deshalb nicht. 

Es muss jetzt auch nicht jede Frau bei den Männern mitspielen. Der Männerfußball, und das ist ganz wichtig, darf auch einfach der Männerfußball bleiben. Wenn es jetzt ein paar Ausnahmen gibt, ist das doch schön und völlig in Ordnung. Wenn es ein paar mehr werden, ist das auch in Ordnung.

Sanja Holetic

In Ditzingen liegt der TV Möglingen in der zweiten Halbzeit hinten. Um die 75. Minute wird Sanja Holetic ausgewechselt. Sie ist frustriert. 
„Weil ich mindestens zwei 100-prozentige Chancen hatte und die nicht reingemacht habe.  Jetzt steht es 2:0 gegen uns, das ärgert mich.“ 
Am Ende ist es die spielerische Leistung, die für Sanja Holetic zählt. Egal, ob sie mit Frauen oder Männern spielt.

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