Sanktionen gegen Russland

Bleibt dabei, sie wirken

Wladimir Putin sitzt vor zwei Flaggen an einem Tisch.
Wenn die russische Wirtschaft kollabiert, ist geklärt, was ein Anreiz für Wladimir Putin sein könnte, zum Frieden zurückzukehren, meint Ulrike Herrmann. © picture alliance / dpa / Russian President Press Office / Pavel Byrkin
Ein Standpunkt von Ulrike Herrmann |
Auf den Einmarsch in die Ukraine reagierte der Westen prompt und verhängte harte Sanktionen gegen Russland. Diese werden nun aber immer lauter kritisiert, manche wollen sie sogar beenden. Ganz schlechte Idee, findet die Publizistin Ulrike Herrmann.
Russland dreht Europa den Gashahn ab, was im Winter noch sehr unbequem wird. Da scheint eine Idee nahe zu liegen: Vielleicht sollte Europa an den Verhandlungstisch zurückkehren? Nach dem Motto: Wir lockern unsere Wirtschaftssanktionen – und dafür liefert Russland wieder mehr Energie.
Diese Idee taucht immer wieder auf, weil es auf den ersten Blick scheinen könnte, als wären die westlichen Sanktionen weitgehend wirkungslos und würden Russland gar nicht schaden. Denn der Rubel hat zu einem sensationellen Höhenflug angesetzt; seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine hat er gegenüber dem Dollar um 20 Prozent zugelegt. Stell dir vor, es ist Krieg – und du wirst reicher.

Russland profitiert von hohen Energiepreisen

Der starke Kurs des Rubels spiegelt wider, dass Russland in ausländischem Geld schwimmt. Bis zum Ende des Jahres wird Russland wahrscheinlich einen Exportüberschuss von unglaublichen 285 Milliarden Dollar aufhäufen, weil Gas und Öl so viel teurer wurden.
Aber man sollte sich nicht täuschen lassen. Russland hat zwar Devisen im Überfluss – aber dieses Geld nutzt nicht viel. Denn die westlichen Sanktionen verhindern, dass die Russen dringend benötigte Waren auf den Weltmärkten einkaufen können.
Die Lieferverbote sind eine extrem scharfe Waffe und Russlands ökonomische Lage ist schon jetzt desaströs.
Genaues weiß man zwar nicht, weil die russische Statistikbehörde seit Mai keinerlei belastbare Daten mehr veröffentlicht. Aber die letzten offiziellen Zahlen waren niederschmetternd. Im April 2022 wurden in Russland im Vergleich zum Vorjahr 85,4 Prozent weniger Autos hergestellt, bei Waschmaschinen waren es minus 59 Prozent, bei Fahrstühlen minus 48 Prozent und bei Kühlschränken minus 46 Prozent.

Westen traut eigenen Sanktionen nicht mehr

Zur Not lässt es sich zwar auch ohne eine neue Waschmaschine leben, aber diese Zahlen illustrieren das fundamentale Problem: Durch die Sanktionen sind 62 Prozent aller russischen Importe nicht mehr möglich, wie die US-amerikanische Denkfabrik Carnegie errechnet hat. Diese westlichen Vorprodukte werden aber benötigt, damit die russische Industrie überhaupt produzieren kann. Vor allem die Hochtechnologie fehlt nun.

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Der Westen traut seinen eigenen Sanktionen nicht, weil sich hartnäckig die Sorge hält, dass Russland die Handelshemmnisse einfach umgehen könnte, indem es etwa in China einkauft. Doch dieser Ausweg ist ebenfalls versperrt. In diesem Jahr sind die chinesischen Exporte nach Russland um 38 Prozent gefallen, wie den Zolldaten aus Peking zu entnehmen ist.
Ein Grund ist ganz banal: Etwa die Hälfte aller Ausfuhren nach Russland wurde bisher von westlichen Konzernen produziert, die in China ansässig sind – und die sich an die Vorgaben ihrer Mutterkonzerne halten. Aber selbst rein chinesische Firmen wie etwa Huawei liefern jetzt weniger nach Russland, weil sie Angst haben, dass sie sonst ebenfalls von Sanktionen getroffen würden.

Der Preis für Putins Krieg wird immer höher

Es wäre daher ganz falsch, die Sanktionen gegen Russland zu streichen, damit mehr Gas fließt. Aber der Westen muss Geduld haben und darf nicht erwarten, dass der Krieg in der Ukraine sofort endet. Denn momentan ist Russland noch autark, wenn es darum geht, den Nachbarn zu überfallen. Das Land besitzt Nahrungsmittel, Öl und Waffen.
Trotzdem sind die Sanktionen nicht überflüssig. Sie verhindern schon jetzt, dass Russland künftig die Mittel hat, um die Waffen zu ersetzen, die es in der Ukraine verschleißt. Vor allem aber treiben die Sanktionen den Preis hoch, den Russland für seinen Angriffskrieg zu zahlen hat.
Putin wird seinen Einmarsch in die Ukraine nur abblasen, wenn sich ein Ende für ihn lohnt. Wenn die russische Wirtschaft kollabiert, ist die Frage geklärt, was ein Anreiz sein könnte, zum Frieden zurückzukehren. Sollte Putin nämlich nicht einlenken, wird Russland zu einem zweiten Nordkorea. Ein ganz armes Land, das nur noch Atomwaffen besitzt.

Ulrike Herrmann arbeitet als Redakteurin bei der „tageszeitung“ (taz) und ist seit 2006 deren Wirtschaftskorrespondentin. Die ausgebildete Bankkauffrau absolvierte die Henri-Nannen-Schule und studierte Geschichte und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Sie ist Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen und hat zahlreiche Bücher zu Wirtschaftsthemen geschrieben. Im September erscheint ihr Buch: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden".

Die Journalistin Ulrike Herrmann
© picture alliance / Flashpic / Jens Krick
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