Sarah Wieners Speisekammer

Mit Sauerteigbrot gegen die Backindustrie

Roggenbrote kommen am 30.04.2014 in der Backstube des Biobäckers "Brotgarten" in Berlin aus dem Ofen.
Die meisten Bäckereien arbeiten nur noch mit Tiefkühlware und Fertigmischungen. © picture alliance / dpa / Rainer Jensen
Von Sarah Wiener · 13.04.2018
Über 3000 Sorten Brot sind laut Bäckerhandwerk allein in Deutschland gelistet. Doch dem traditionellen Bäckereihandwerk droht das Aus. Starköchin und Hobby-Bäckerin Sarah Wiener hat ein paar Tipps, was man beim Brotkauf beachten sollte.
Seit 2014 ist unser Brot Weltkulturerbe bei der UNESCO und ich verstehe das sehr gut, denn Brot ist ein Grundnahrungsmittel und wenn ich reise, nehme ich immer ein oder zwei Kilo dreistufig geführtes Sauerteigbrot aus meiner Holzofenbäckerei mit. Jeder deutsche Haushalt gibt ungefähr 18 Euro aus für 30 kg Brot im Monat, das ist wirklich nicht viel, wenn man bedenkt, wie kostbar unser Grundnahrungsmittel Brot ist.

Dem Bäckereihandwerk droht das Aus

Leider ist es so in Deutschland, dass über die Hälfte von Brot und Kleingebäcken in Discountern und Fertigbackstationen aus Rohteiglingen, also aus industriell vorgefertigten Broten und Semmeln, gemacht wird. Nur ein minimaler Teil wird noch handwerklich gemacht. Zum Beispiel: In Berlin allein gibt es nur noch 80 Bäckerhandwerker, die nicht mit vorgefertigter Tiefkühlware und Fertigmischungen arbeiten – 80 Bäcker für 3,8 Millionen Menschen. Und die Tendenz zeigt, dass immer mehr Menschen Industrieware kaufen und das Bäckerhandwerk dahinsiecht und darnieder geht. Jeden Tag stirbt eine Bäckerei in ganz Deutschland, jeden Tag macht eine Bäckerei zu. Für mich als Köchin und als Bäckerin ist das die Todesnachricht, die uns alle schockieren sollte, denn Brot ist gerade in Deutschland ein Grundnahrungsmittel und hat eine Vielfalt und einen Geschmack, den man in keinem anderen Land außer vielleicht in Österreich oder der Schweiz noch finden kann.

Industriebrot hat zu viele Zusatzstoffe

Der größte Feind vom handwerklichen Brot ist natürlich die Backindustrie. Dort werden pro Stunde tausende von Semmeln, Schrippen oder Bemmen, wie man sie auch nennt, gefertigt. Im Vergleich dazu einem Handwerksmeister, der, wenn er schnell ist, 300 bis 500 Semmeln pro Stunde formen kann. Das Brot und die Semmeln, die in der Industrie vorgefertigt werden, müssen mit Additiven – mit Zusatzstoffen – behandelt werden, weil sie sonst gar nicht maschinentauglich wären. Hier wird also der Teig an Maschinen angepasst und nicht an uns Menschen. Damit sich der Teig nicht um die Maschinen wickelt, muss man bestimmt Zusatzstoffe dazugeben, sogenannte technische Hilfsmittel, die auch nicht deklariert werden müssen, da sie ja nicht dem Geschmack dienen sondern den Maschinen, um am Ende gleiche, genormte, aufgeblähte, abgepackte, tiefgefrorene Teiglinge zu erzeugen. Diese werden durch halb Europa gekarrt, um dann am nächsten Tag oder in einem Monat aufgebacken auf unserem Tisch zu landen.
Ein Brot kann bis zu 200 Zusatzstoffe enthalten und das sind nur die E-Nummern, die man nachlesen kann. Es gibt aber eine große Gruppe von nicht deklarierungspflichtigen Zusatzstoffen, die sogenannten Enzyme. Enzyme sind chemische Stoffe aus dem Labor, die der Haltbarkeit dienen, Krusten bilden oder Brot feucht halten und die meiner Meinung nach auch in keinem Lebensmittel etwas zu suchen haben. Da sie nicht deklariert werden müssen können wir heute gar nicht mehr wissen, wenn wir Industrie-Brot essen, was wir da überhaupt zu uns nehmen.

Und ihr Tipp?

Ein dreistufig geführtes Sauerteigbrot ist die hohe Kunst des Bäckerhandwerks, das heißt frei geschoben ohne eine Form mit einem Teig, der nichts anderes enthält als Salz, Wasser, Mehl und vielleicht noch Gewürze. Aus diesen Zutaten entsteht durch Milchsäurebakterien … aus der Luft ein Gärungsprozess*, der den Teig aufschließt und den Teig luftiger macht. Immer wieder führt man dann nur Wasser und Mehl hinzu, nämlich dreimal, um einen runden, nicht zu säuerlichen aber säurebetonten Teig zu haben, den wir als Menschen am besten verdauen können.
*Wir haben an dieser Stelle den Text korrigiert.
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