Sargbauseminar – speziell für Männer

Die letzte Kiste selber zimmern

08:27 Minuten
Einer der Workshop-Teilnehmer liegt grinsend im selbstgebauten Sarg, während die anderen den Deckel daraufheben.
Jochen Wittenburg bei der Sargprobe: Das Probeliegen bereitet ihm sichtliches Vergnügen. © Tim Zülich
Von Tim Zülch |
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Sprechen über den Tod ist wichtig, aber nicht einfach. Der evangelische Pastor Ralf Schlenker weiß, welche Schwierigkeiten vor allem Männer mit diesem emotionalen Thema haben. Er steht ihnen mit Rat zur Seite – und bietet Sargbauseminare an.
Der Boden ist blank gewischt und die Maschinen sind zur Seite gerückt. An den Wänden hängen einige Pin-up-Bilder und im Radio läuft das regionale Hit-Radio. Fünf Arbeitsplätze hat Christian Berg in seiner Werkstatt vorbereitet.
"Mein Name ist Christian Berg, hab die Firma jetzt seit 15 Jahren. Wir sind ein Familienbetrieb in der achten Generation, die Neunte ist auch schon da. Jetzt hier im Ganzen 15 Angestellte. Machen das in aller Ruhe. Bauen im Jahr so um die 500 Särge selber."

In die Kiste müssen sie alle

Der Zwei-Meter-Mann mit den rotblonden kurzen Haaren nimmt kein Blatt vor den Mund:
"Gestorben wird immer. Ob Groß oder Klein, in die Kiste müssen sie alle rein. Das ist nunmal unser Bestattungsgesetz, das wird sich auch nicht ändern, ne. Dafür haben wir mal ‘nen Krieg verloren, und da ist genug Schindluder getrieben worden mit den Verstorbenen. Und deswegen muss jeder Verstorbene einen Sarg haben."
Bergs Werkstatt befindet sich in Klütz, einem 3000-Einwohner-Ort in der Nähe von Wismar. Rund drei Kilometer von der Ostsee entfernt.

Mit Männern reden geht leichter beim Handwerken

Ralf Schlenker ist evangelischer Männerpastor in der Nordkirche. Er möchte Männer wieder mehr für die Kirche interessieren – und eine Auseinandersetzung über Tod und Ewigkeit anregen. Auf die Idee zu einem Sargbauworkshop kam er, als er selbst einen solchen in Bayern besuchte.
"Nach zwei Jahren Männerarbeit würde ich niemals Männer einfach so in eine Gesprächsrunde einladen, im Kreis sitzen und einfach mal so reden. Das ist mühsam. Das fällt viel leichter, wenn man etwas gemeinsam handwerkt. Und dann in den Nebengesprächen wird so viel deutlich – auf den Spaziergängen zur Kirche, zur Andacht."

Männer mit unterschiedlicher Verbindung zur Kirche

"Man muss das hier oben glatt halten", sagt Christian Berg, "dann schraubt man einfach einen langsam an, weil, hier liegt der Boden drauf und dann drückt man sich das immer so, wie man das braucht und die Schraube macht das von janz aleene. So meine Herren, Feuer frei. Ich hab das alles kinderfreundlich gemacht, damit keinem was passieren kann."
Die zehn Teilnehmer des Sargbaukurses haben alle eine mehr oder weniger enge Verbindung zur evangelischen Kirche. Ein Pfarrer ist dabei, Ehrenamtliche, aber auch zwei katholische Männer aus Hildesheim, die ein Todesfall in der Familie dazu brachte, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Christian Berg hat die Holzteile der Särge vorgefertigt. Die Männer schrauben nun die Seitenteile aneinander, und später den Boden darauf. Der Deckel wird ähnlich gefertigt aber mit einer Strebe verstärkt, damit die Erde ihn nicht eindrückt.
"Ich bin schon Zeit meines Lebens mit Kirche und kirchlichen Kreisen verbandelt, aber mit Männerarbeit hatte ich noch nie was zu tun", erzählt Mathematiklehrer Torsten Bennemann. Er ist zum ersten Mal auf einem Männerseminar der Kirche, und findet es "überraschend, wie gut das funktioniert, dass das nicht alles nur seltsame Schrate sind, die hier unterwegs sind, sondern ernstzunehmende Männer mit klugen Ideen und Lebensentwürfen."

Das Leben nach dem Tod als Summe aller Seelen

Torsten Bennemann dreht eine weitere Schraube in das Holz, fährt mit dem Finger darüber, prüft die Passgenauigkeit. Er dreht die Schraube nochmals heraus und treibt sie erneut hinein. Passt!
"Wir haben sehr schön angefangen, indem wir über Friedhofskultur etwas gehört haben, in Wort und Bild. Friedhof, Friedhofskultur, Sterben, Tod. Ich bin mir sicher, dass ich ne Ahnung habe, dass das Leben nach dem Tod die Summe aller Seelen sein wird. Ob jetzt der Bau des Sarges damit etwas zu tun hat, darüber bin ich mir noch nicht so sicher, aber ich möchte über dieses Wochenende auch noch etwas nachdenken können."
Er dreht eine weitere Schraube ins Holz, während andere bereits ihre Särge mit Holschutzlasur behandeln.
Christian Berg legt einen der Särge mit Zeitungen aus und schüttet Sägespäne hinein. "Damit es nicht so hart ist im Kreuz. Du liegst ja da vielleicht auch 25 Jahre drin." Darüber kommen ein Seidentuch und ein Kissen, das er ebenfalls mit Spänen auffüllt.

Da kommt noch Licht rein!

"Am Kopf ein bisschen mehr, bitte!", wünscht sich einer der Teilnehmer. Christian Berg fragt: "So, wer legt sich denn rein? Ich habe auch noch schöne Hemden." Schließlich steigt einer nach dem anderen in den Sarg. Manche stimmen sogar zu, dass der Deckel draufgelegt wird.
"Willst Du ‘nen Deckel haben?" wird Ingo Gutzmann gefragt. "Ja, mach das mal einmal, eigentlich habe ich Platzangst, aber irgendwie geht das hier, ich muss es einmal probieren." Danach erzählt er: "Erst ist es ganz dunkel, und dann kommt nach ner Weile ein bisschen Licht rein, durch die Ritze oben"

Eine Ruhe ohne Angst

"Haben wir nicht vernünftig gearbeitet?", fragt Ralf Schlenker. "Offensichtlich nicht", antwortet Ingo Gutzmann. "Und dann gibt es ‘ne Ruhe, ja, aber die ist irgendwie erstmal beruhigend. Ich habe jetzt nicht mehr so viel Angst vor dem Sarg."
Ralf Schlenker stimmt zu: "Das ging mir genau so, wie du es beschreibst. Diese Ruhe war ohne Angst."
Ingo Gutzmann: "War ziemlich sofort da, ja."
Ralf Schlenker: "Ich find das total mutig von Euch."
Pastor Ralf Schlenker möchte den Männern die Angst nehmen, sich mit ihrem eigenen Sterben und dem Thema Tod zu beschäftigen. Jeder habe das Recht, eine Beerdigung so zu gestalten, wie er möchte, meint er:
"Meine Erfahrung als Gemeindepastor ist, dass das Thema im Grunde tabuisiert wird, nicht besprochen wird. Dass so eine Angst besteht. Aber gegen die Tendenz der immer anonymeren Bestattungen, gibt es wirklich zahllose Möglichkeiten. Eine Abschiednahme muss nicht im Krankenhaus oder beim Bestatter erfolgen, sondern kann durchaus im häuslichen Kontext organisiert werden."

Der Sarg als Uterus

Doch nicht nur über Tod und Sterben diskutieren die Männer auf dem Wochenende. Einige von ihnen haben Sorgen, was die Nachfolge ihrer Handwerksbetriebe betrifft. Andere diskutieren kontrovers über ihre jeweiligen Vorstellungen von Ewigkeit. Themen, über die zu sprechen Männern oft schwer fällt. Teilnehmer Jochen Wittenburg beschreibt seine Erfahrungen:
"Ich hatte dann assoziativ den Gedanken, so muss das wahrscheinlich früher gewesen sein, als ich im Mutterleib war, im Uterus. So habe ich dann das Gefühl, dass Anfang und Ende doch miteinander verbunden sind. Wir kommen aus der Ewigkeit und gehen in die Ewigkeit."
Nach dem sonntäglichen Gottesdienst in der Klützer Kirche entschließen sich einige der Teilnehmer, ihren selbst gezimmerten Sarg mit nach Hause zu nehmen, so wie Achim Wagner:
"Und dann habe ich das meiner Frau erzählt und Gabi hat spontan gesagt: Dann bringst du mir auch einen mit, wenn das geht."

Am Ende ist der Tod normal

Achim Wagner wohnt in Rostock. Tischler Christian Berg wird die Särge liefern. Einen Plan, wo er sie hinstellt, hat Wagner noch nicht. Aber dass sie da sein werden, gibt ihm ein beruhigendes Gefühl, sagt er:
"Ob wir sie noch mal anders gestalten werden, vielleicht mit unserer Tochter, unserer Enkeltochter zusammen, das wird sich ergeben. Das ist dann Normalität. In der Endkonsequenz: Tod ist normal."
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