Satiresendung "Ellinofrenia"

Griechischer Galgenhumor

Die griechische Flagge weht am 20.07.2013 über der Akropolis in Athen.
Typisch griechisch: die Flagge auf der Akropolis und die Satiresendung "Ellinofrenia" © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Rodothea Seralidou |
Wir Griechen haben unsere eigene Schizophrenie, sagen die beiden Satiriker Thymios Kalamoukis und Apostolis Barbajannis: Eine Hellenophrenie, auf griechisch: "Ellinofrenia". So heißt ihre Radiosendung, die seit 17 Jahren läuft. Es ist das politische Satire-Magazin Griechenlands schlechthin.
"Unsere Sendung ist ein alternativer Blick auf die Ereignisse. Wir erleben tagtäglich, wie absurd es in Griechenland abgeht: Es gibt keine gescheiten Krankenhäuser, keine gescheiten Schulen, nichts. Wir alle schlagen uns durch, indem wir ein bisschen schmieren, ein bisschen betrügen. Wenn uns da die Politiker überzeugen wollen, dass wir in einem organisierten Land leben, dann fängt es schon an mit dem Lachen.”
Schließlich sei man es in Griechenland gewohnt, sich über sich selber, die Ranghöheren und die unter einem lustig zu machen. Also praktisch über alle. Das sei schon so seit dem antiken Komödien-Dichter Aristophanes, sagt Thymios Kalamoukis, der ältere des bekanntesten griechischen Satire-Duos.

Noch mehr Satire-Material, seit Syriza regiert

Äußerlich wirkt er unscheinbar, um die 50. Gewissenhaft bereitet er sich auf die Sendung vor. Ausgestrahlt vom Nachrichtensenders "Real FM" im Athener Norden. Sein jüngerer Kollege, Apostolis Barbajannis, Mitte 30, kurze dunkle Haaren und Strickjacke, erklärt wie sie überhaupt auf ihren Sendungstitel "Ellinofrenia" gekommen sind.
"Es gibt keinen besseren Namen, der das auf den Punkt bringt, was hier los ist. Wir brauchen keine normale Schizophrenie, wir haben unsere eigene, eine Art griechischer Schizophrenie, eine Hellenophrenie eben."
Also auf Griechisch: Ellinofrenia. Eine Sendung, die es seit 17 Jahren im griechischen Radio gibt, die aber seit gut einem Jahr – seit Syriza regiert - noch mehr Material hat, als je zuvor, sagt Kalamoukis:
"In kürzester Zeit kamen die Lügen dieser Regierung zum Vorschein. Noch vor einem Jahr versprach Tsipras: 'Wir sind gegen die Sparmaßnahmen, wir werden die Troika wegjagen.' Und direkt nach den Wahlen hat er genau das Gegenteil getan und ein drittes Sparpaket unterzeichnet. Und das ist sehr frisch im Gedächtnis der Menschen.”
Es ist 13 Uhr. Kalamoukis flitzt ins Studio. Das Satiremagazin "Ellinofrenia" kann beginnen. Kalamoukis spielt einen Ausschnitt von einer Rede des griechischen Premiers Alexis Tsipras, in dem er sagt: "Das erste Halbjahr 2016 wird das Halbjahr, in dem es mit unserer Wirtschaft aufwärts gehen wird!" Und kommentiert ironisch: "Habt ihr es gehört? Alexis hat es gesagt. Das kann keine Lüge sein. Tsipras hat uns ja nie belogen." Direkt danach der griechische Finanzminister Tsakalotos, der zugibt, wie schlecht es mit der griechischen Wirtschaft wirklich ausschaut. Bei den Syriza-Anhängern kamen solche Ausschnitte, die die Regierung entblößen, am Anfang alles andere als gut an, erinnert sich Kalamoukis.
"Die heftigsten Reaktionen waren Anfang vergangenen Jahres, nachdem wir immer wieder gesagt haben, dass Syriza uns nicht überzeugt. Wie, egal was für gute Vorsätze du hast, in der EU entscheidest du nicht alleine. Schon gar nicht, wenn du Sparpakete unterzeichnet hast, hoch verschuldet bist und noch mehr Geld brauchst. Erst im Juli, als dann Tsipras ein neues Sparpaket unterzeichnet hat, hörten auch die Proteste gegen uns auf.”

Seit Jahren haben sie die stärkste Einschaltquote

Die Enttäuschung der Syriza-Anhänger war anfänglich auch deshalb so groß, weil die beiden Satiriker Kalamoukis und Barbajannis selber bekennende Linke sind: Beide wählen die Kommunistische Partei Griechenlands, Syriza aber ist in ihren Augen keine echte linke Partei:
"Wir wollen eine gerechte Gesellschaft. Die europäische Gesellschaft ist aber ungerecht. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Das ist für uns ausschlaggebend. Die Linke von Tsipras aber, das ist eine Linke, die wir aufs Korn nehmen!"
Im anderen Raum des Studios, hat sich mittlerweile Apostolis Barbajiannis ans Telefon gesetzt und zeichnet Gespräche mit den Anrufern auf. Die sind das zweite Element der Sendung neben den Politiker-O-Tönen.
"Wer zwischen eins und zwei anruft, landet bei mir. Es ist schön, es ist unser Kontakt mit der Außenwelt. Es wird der Linke anrufen, aber auch der Konservative und der Faschist - und wir werden uns auch streiten. Das ist das Interessante dabei.”
In der Tat: Die Gespräche laufen sehr temperamentvoll ab. Und siehe da: Es dauert nicht lang, da melden sich auch die ersten Faschisten: So wie dieser junge Mann, der sagt, er will die Flüchtlinge einfach nicht in Griechenland haben und fragt: "Bin ich deshalb ein Faschist, nur weil ich sie hier nicht haben will?" Barbajiannis antwortet ihm mit seiner bekannten Ironie.

"Dieser Job hat keinen Feierabend"

"Es gibt nur eine Lösung! Wir müssen eine Spezialeinheit von Faschisten ausbilden, die die Menschen direkt im Meer ertränken. Gönnen wir den Faschisten doch diese Freude! Wenn du aber bald ins Ausland gehst, und dich dort keiner will, weil du ein schmieriger Grieche bist, dann sag ihnen bitte: Ich verstehe das, ihr seid keine Nazis."
Es ist ein gewagter Humor, der in einem anderen Land bei den Hörern eher verlegenes Naserümpfen auslösen könnte. Das griechische Publikum aber liebt die Sendung: Seit Jahren hat sie die stärkste Quote in der Mittagszeit und gilt als erfolgreichstes Satiremagazin im griechischen Radio.
14 Uhr: Die Sendung ist vorbei. Thymios Kalamoukis kehrt ins Büro zurück und greift hastig nach seiner Jacke. Feierabend haben die beiden aber noch lange nicht. Auf die Macher von "Ellinofrenia" warten nun die Dreharbeiten für die gleichnamige Fernsehsendung am Abend.
"Ich muss los. Ich fahre zum Fernsehsender Alpha. Du siehst, wir haben was zu essen dabei, und nach den Dreharbeiten müssen wir uns über die Aktualität informieren. Dieser Job hat keinen Feierabend. Man ist immer auf Achse."
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