Satiriker im Nebenberuf

Von Johannes Nichelmann |
Es müssen ja nicht immer die "Titanic" oder der "Eulenspiegel" sein, wenn es darum geht, satirische Texte konsumieren zu wollen. Der Berliner Bernhard Pöschla betreibt sehr erfolgreich das "Kojote-Magazin" - mit witzigen Geschichten aus dem Leben in der Hauptstadt.
"Ja, um fünf Minuten nach vier, also in drei Minuten müsste der Bus kommen und dann fahren wir mit dem Bus zum U-Bahnhof Jakob-Kaiser-Platz und von da aus, noch mal kurz mit dem Bus."

Bernhard Pöschla ist Beamter. Der Kragen seines Hemdes sitzt akkurat, seine grauen Haare sind mit Haargel perfekt zurecht gemacht und die Schuhe glänzen. Mit seiner Aktentasche steht er an der Bushaltestelle. Tagsüber ist er in einer Berliner Behörde tätig. Jetzt, um fünf nach vier, aber ist Feierabend. Sobald Herr Pöschla dann in drei Minuten in den Bus steigen wird, wird er sich nur noch mit seiner Leidenschaft auseinandersetzen.

Bernhard Pöschla ist Satiriker. Er öffnet den obersten Knopf seines Hemdes, ist auf dem Weg in sein Stammcafé in Berlin-Charlottenburg. Der 48-Jährige betreibt seit drei Jahren das "Kojote-Magazin" im Internet. Hunderte Artikel mit seinem, wie er sagt, "schrägem Blick", finden pro Monat tausende Leserinnen und Leser. Am beliebtesten sind Texte, die das Leben der Hauptstädter karikieren:

"Am Anfang des 'Kojoten', als die Idee stand, so eine Seite überhaupt aufzumachen, war von Anfang an eigentlich klar, dass es einen lokalen Bezug auf Berlin geben wird. Gerade um mich da auch von anderen Satire-Magazinen, sei es 'Titanic' oder 'Eulenspiegel', die es alle gibt und die überregional arbeiten, hab ich gesagt: Okay, lebe ja nun mal in Berlin, bin Berliner, kenne mich hier aus..."

Seine Heimatstadt bietet genug Material für den "Kojoten". Da lässt er den gescheiterten Großflughafen von der Trickfigur "Bob der Baumeister" fertig stellen oder berichtet von einer gefährlichen Mutprobe, die zum Trendsport geworden ist: sogenanntes "Fahrgasting" bei der S-Bahn. Die Geschichten liegen auf der Straße, fallen ihm meistens beim Joggen ein. Oder eben auf dem Heimweg:

"Da gibt‘s einen Kojote-Artikel, da hab ich mir so eine Geschichte ausgesponnen, über ein spannendes Telefonat in der S-Bahn, wo die Fahrgäste sich bei der BVG beschweren, dass sie wegen einer lauten Ansage das spannende Gespräch eines Fahrgastes nicht mit zu Ende bekommen konnten... "

So oder so ähnlich ist das Bernhard Pöschla in der Wirklichkeit passiert. In sich hinein grinsend habe er kaum warten können, seine Geschichte vom laut plappernden Mitfahrer aufzuschreiben. Der Text kam gut an. Wie alles, was direkt aus dem Leben gegriffen ist, meint der Autor.

Aber es funktionieren auch seine satirischen Einfälle zum Weltgeschehen. Ob Finanzkrise, EU-Bürokratie oder Terrorismus:

"Der Bundesverband der Terrorismusexperten hat auf einer Tagung in München eine positive Bilanz des ausklingenden Geschäftsjahres gezogen. Nach einem schleppenden Start im Frühjahr sei im letzten Quartal eine spürbare Verbesserung der Auftragslage eingetreten, erklärte Verbandspräsident Albert Schlotz gegenüber Reportern.""

Ein Blick auf die Uhr: Drei Minuten nach halb fünf. Der Beamte Bernhard Pöschla betritt sein Stammcafé und wird zum Satiriker. Der Inhaber stürmt auf ihn zu, umarmt ihn und räumt rasch einen Tisch frei. Das hier ist meine Redaktion, sagt Herr Pöschla:

""Also meine Redaktion besteht aus mir, einem Notebook und einem Notizbuch, was hier gerade vor mir liegt."

Die Notizen in dem schwarzen Buch sind unleserlich geschrieben. So sehr, dass der Autor oft selbst nicht mehr weiß, was er da für eine Idee gehabt hat. Das "Kojote-Magazin" hat er zwar erst vor drei Jahren ins Leben gerufen, die Idee hatte er aber schon lange Zeit vorher:

"Hab mich schon als Jugendlicher mit Satire und Humor beschäftigt und schon vor Jahren, Jahrzehnten die einschlägigen Magazine von 'MAD' verschlungen und hab‘s gelesen und hab mir immer im Kopf gedacht: Ach, mein Gott! Da könnte man ja auch mal was machen. Könnte ja auch lustige Sachen schreiben. Hab‘s auch teilweise getan!"

Erst auf das Drängen seiner Ehefrau, mit der Bernhard Pöschla seit 25 Jahren verheiratet ist, hat er den Schritt ins Netz gewagt und sein eigenes Satire-Magazin geschaffen. Zwei bis drei Stunden täglich arbeitet er daran. Von Anfang an hat er sich eine wichtige Regel aufgestellt:

"Also ich versuche gerade sogar teilweise mit Absicht eher nicht zynisch zu sein. Also zynisch jetzt im Sinne von Bitterkeit oder so. Sondern immer noch so eine gewisse Leichtigkeit drin zu lassen, in den Artikeln. Deswegen halte ich mich eher für ironisch, weniger für zynisch."

Es sind oft einfache Geschichten. Die aber kommen hin und wieder mit solch einer Ernsthaftigkeit daher, dass so mancher sie für wahr gehalten hat:

""Im Briefverteilzentrum der Post in Mitte brach am Dienstag der Betrieb zusammen, nachdem dort innerhalb weniger Stunden über 10.000 Briefe eingeliefert worden waren. Grund war die Suchanzeige der Leserin eines Stadtmagazins, die mit einer Chiffreanzeige nach einem Mann Anfang 20 mit Retro-Brille gesucht hatte, der in einem Café in Mitte an einem iBook gearbeitet und ihr von seinem neuen Projekt erzählt habe. 13.800 Leser fühlten sich von der Annonce angesprochen.""

"Und da gab es dann tatsächlich Anfragen eines Fernsehsenders, die dann wissen wollten, wie man diese Frau kontaktieren kann, die diese Anzeige aufgegeben hat..."

Die Redakteurin des Senders nahm es dann mit Humor, erzählt Bernhard Pöschla und grinst. Gerade läuft es mit der Satire so gut, dass er 2013 bei einem großen Verlag sein erstes Buch veröffentlichen wird:

"Inzwischen ist die ganze Kojote-Geschichte ein bisschen größer geworden, hat viele Leser, hat ein gutes Feedback. Es ist schon was, was ich mir auch durchaus vorstellen könnte, wirklich als Hauptberuf irgendwann mal zu machen."

Das Satire-Magazin "Kojote"
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