Sauberes Wasser
Tausende Kleinstteile müssen wieder raus aus dem Abwasser - den Aufwand dafür möglichst gering zu halten und umweltschonend zugleich, ist schwierig. © unsplash / Dan Lewis
Der Kampf gegen die Mikroschadstoffe
07:23 Minuten
In Arzneimitteln, Kosmetika oder Haushaltsreinigern sind Mikroschadstoffe, die in den Wasserkreislauf gelangen. Der Aufwand, sie wieder rauszufiltern, ist groß. Partner aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Belgien gehen das Problem nun zusammen an.
Der Nachmittag ist regnerisch, aber Tina Vollerthun vom Entsorgungsverband Saar steht gut gelaunt hinter einem der beiden blauen Container in der Kläranlage Bliesen bei St. Wendel. Hier ist sie aufgebaut, die mobile Versuchsanlage des CoMinGreat-Projekts der Großregion. Wie können zukünftig Mikroschadstoffe aus dem Abwasser herausgefiltert werden - das ist die Frage.
Gleich werden die Besucher und Besucherinnen in diese Container-Versuchsstation hineingehen, aber jetzt stehen sie erstmal im Nieselregen vor drei großen weißen Behältern, aus denen Schilf ragt, und hören Tina Vollerthun zu, die sagt: "Hier sehen wir die Bodenfilter, eines der Herzstücke dieser Demonstrationsanlage. Die haben sich sehr gut bewährt." Es gehe um den Vergleich mit weiteren konventionellen Technologien.
Konventionelle Technologien können Mikroschadstoffe zum Beispiel mit Aktivkohle binden. Doch diese Kohle muss nach dem Reinigungsprozess wiederum recycelt werden. Pflanzen sind einfach komplett umweltverträglich: "Teilweise werden diese Mikroschadstoffe auch von den Pflanzen aufgenommen, die Pflanzen sorgen dafür, dass sich Pilze, die in Symbiose mit ihren Wurzeln leben, dort gut ansiedeln können, und die Pilze helfen auch beim Abbau der Mikroschadstoffe."
Mikroschadstoffe vollständig herausfiltern
Die Partner aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Belgien haben sich in diesem Projekt zusammengeschlossen, weil die sogenannte "vierte Stufe" des Klärprozesses bald auch gesetzlich gefordert wird. Derzeit arbeitet die EU an der Novellierung der Kommunalabwasserrichtlinie. Dieser Prozess wird im Laufe der nächsten zwei Jahre abgeschlossen sein. Mikroschadstoffe aus Medikamenten, Waschmitteln, Zahnpasta und Sonnencreme müssen dann in Zukunft EU-weit aus dem Abwasser herausgefiltert werden.
Denn: Wenn in der Kläranlage in der ersten Stufe mittels Rechen, Sandfang und Absatzbecken der gröbste Dreck rausgefiltert wurde, dann in Stufe zwei und drei mit biologischer und chemischer Reinigung auch Substanzen wie etwa Phosphor abgeschieden wurden, dann ist das Wasser immer noch nicht klar.
Antibiotika im Grundwasser
Eine junge Frau aus St. Wendel hat gerade einem Vortrag in einem der blauen Container aufmerksam zugehört: "Wir sind hier mit der Schulklasse, wir sind Abiturienten und wir haben uns das mit den verschiedenen Klärstufen angeguckt. Und es wurde ein Problem deutlich gemacht, dass Antibiotika in unser Wasser gelangen, also Mikroschadstoffe, und dadurch, dass die in Flüsse geraten, kommt es ins Grundwasser, und das nehmen wir auf."
Das Abwasser aus den Kläranlagen wird in die Flüsse geleitet. Die beste Möglichkeit, zu verhindern, dass Mikroschadstoffe wie etwa Antibiotika im Ab-, im Fluss- und später letztlich auch im Grundwasser landen, wäre natürlich, erst gar keine zu verwenden. Doch wer krank ist, muss Medikamente einnehmen - unmöglich also, die Schadstoffe im Wasser ganz zu verhindern, sagt Joachim Hansen, Professor für Siedlungswasserwirtschaft an der Universität Luxemburg.
Er ist Experte für Wasseraufbereitung und steht nun in einem der blauen Container der mobilen Versuchsstation. Er klärt das Publikum auf: "Von der Größenordnung werden 70 bis 80 Prozent ausgeschieden, also 20 bis 30 Prozent werden im Körper verwertet. Das bedeutet, dass relativ große Mengen über das Abwasser in die Kläranlagen und dann in die Gewässer geraten." Vielen Leuten sei das gar nicht bewusst.
Pflanzenkläranlagen brauchen viel Platz
Die beste Möglichkeit wäre, die Mikroschadstoffe mittels einer Pflanzenkläranlage herauszufiltern. Problem ist nur, dass solche Anlagen sehr viel Platz benötigen. Wollte man das Abwasser einer Stadt wie Saarbrücken auf diese Weise klären, bräuchte man eine Pflanzenkläranlage in einer Größe von bis zu fünfzehn Fußballfeldern, sagt Hansen.
Er weiß, dass sich diese Klärmethode nur für kleine Gemeinden eignet: "Das ist realistisch bis zu einer Größenordnung von 2000 bis 5000 Einwohnern." Für diese Gemeinden stehe im ländlichen Raum der Platz zur Verfügung. In größeren Gemeinden müsse auf eine Kombination von technischen und naturnahen Verfahren zurückgegriffen werden.
Wie das genau funktionieren kann – all das ist Teil der Forschung im Rahmen des CoMinGreat-Projekts hier in der Kläranlage Bliesen. Mit beinahe zwei Millionen Euro sind die Gesamtkosten des Projekts veranschlagt, das meiste davon sind EU-Fördermittel.
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Dass dieses Projekt grenzüberschreitend angelegt ist, dass hier Saarländer, Pfälzer, Lothringer, Belgier und Luxemburger zusammenarbeiten, ist für Hansen essenziell:
Wenn wir mal das Beispiel der Mosel nehmen: Die entspringt in Frankreich, fließt durch Luxemburg nach Deutschland, mündet in den Rhein. Wenn wir das Problem der Mikroschadstoffe in der Mosel in den Griff bekommen wollen, dann müssen wir in Frankreich anfangen und in Luxemburg ähnliche Anforderungen haben wie in Deutschland. Nur in der Kooperation können wir das Problem lösen.
Aus Lüttich in Belgien ist Fanny Gritten vom Cebedeau, dem dortigen Zentrum für Wasserforschung, zuständig. Sie fügt hinzu: "Das ist ein sehr interessantes Projekt, weil wir - Partner in der Großregion – uns hier treffen, uns vernetzen und technisches Wissen austauschen. Denn oft ist das Problem, dass jeder seine Technologie entwickelt und es keine Zusammenarbeit gibt." Dies nun sei ein gemeinsames Projekt der Großregion.
Es nieselt immer noch über den blauen Containern in der Kläranlage Bliesen. Eine Frau spannt ihren Schirm auf. Sie wohnt in der direkten Nachbarschaft und findet es großartig, dass dieses Informations- und Demonstrationszentrum für die Besucherinnen und Besucher konzipiert wurde. Und dass hier auch vermittelt wird, wie in jedem Haushalt oder Betrieb, an der Quelle, Einträge in das Abwasser vermieden oder reduziert werden können: "Wir sind Nachbarn, wir wohnen 500 Meter weiter. Das Projekt ist toll, finde ich super, dass es in unserer Gemeinde stattfindet. Hoffen wir, dass die Bevölkerung sich damit beschäftigt, um überhaupt das Problem des Abwassers zu begreifen."