Das erste Kino im "Königreich der Langeweile"
In Saudi-Arabien galt bislang die Devise: Jede Art von Vergnügen lenkt von Gott ab. Aber der Kronprinz setzt auf Entertainment. Eine US-amerikanische Kinokette eröffnet ein Kino in Riad, den Anfang soll ein Hollywood-Blockbuster machen.
In der saudi-arabischen Hauptstadt Riad gibt es heute Abend eine Kinopremiere, bei der der Film ausnahmsweise nur eine Nebenrolle spielt. Denn die Sensation ist, dass im streng islamischen Königreich überhaupt wieder ein Kino seine Tore öffnet. Mehr als 35 Jahre lang galt stattdessen die Devise der frommen Geistlichen: Jede Art von Vergnügen lenkt vom Glauben an Gott ab. Aber der junge saudi-arabische Kronprinz setzt auf Entertainment: Gerade erst ging die erste Fashion Week in Riad zu Ende. Es gab in den vergangenen Monaten bereits mehrere öffentliche Popkonzerte und heute folgt das große Comeback des Kinos. Als Eröffnungsfilm wird der Hollywood-Blockbuster 'Black Panther' gezeigt.
Allerdings ist der Science-Fiction-Film mit reichlich Action heute Abend nur für 620 geladene Gäste zu sehen. Erst ab Mai gibt es Kinokarten für jedermann. Dies teilte die US-amerikanische Kinokette American Multi Cinemas (AMC) mit, die dieses neue Kino in Riad betreibt und den Zuschlag für den Bau von 40 weiteren Kinos in den nächsten 5 Jahren bekommen hat. Und bis 2030, so hat der saudi-arabische Kulturminister angekündigt, sollen es gar 350 Kinos im ganzen Land sein. "Vision 2030" heißt das Programm des ehrgeizigen Kronprinzen.
"Prince Charming" will Land zum Touristenmagneten machen
"Bei nüchterner Betrachtung geht es dem Kronprinzen Mohammed bin Salman um eine wirtschaftliche Umstrukturierung", sagt Cornelia Wegerhoff, Kulturkorrespondentin im Nahen Osten. Der 32-jährige Thronfolger sei der starke Mann hinter dem 82-jährigen König Salman. Dabei sei Mohammed bin Salman ansonsten eher durch sehr aggressive Außenpolitik aufgefallen, sagt Wegerhoff. Er ist verantwortlich für Eskalation des Jemen-Krieges mit mehr als 10.000 Toten.
Aber er gelte auch als "Prince Charming", denn er hat auch strenge Bekleidungsvorschriften in Frage gestellt. Mitte des Jahres wird das Frauenfahrverbot aufgehoben. Er hat Musikkonzerte erlaubt. Die Pariser Oper plant ein Engagement in Saudi-Arabien.
Sein Ziel sei es, dass Königreich weniger abhängig von Öleinnahmen zu machen und neue Wirtschaftszweige aufzubauen wie zum Beispiel die Unterhaltungsindustrie. Allein der saudische Haushalt für kulturelle und Vergnügungsaktivitäten solle sich bis 2030 verdoppeln, heißt es. Im selben Zeitraum sollten mehr als 30.000 dauerhafte Jobs entstehen. Das Königreich wolle ein globales Ziel für Wirtschaft und Tourismus werden. Also am liebsten hätte der Kronprinz, dass wir vielleicht eines Tages zum Kinogucken nach Saudi Arabien kommen, so wie vielleicht jetzt zum Urlaub nach Dubai, meint Wegerhoff.
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25
Abgesehen von den konservativen Stimmen, die immer noch warnen, dass die Menschen gottlos werden, seien die Menschen vor allem begeistert. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung, und das sind mehr als 30 Millionen, sind unter 25 Jahre alt. Und genau die wollen einfach auch mal Spaß haben, betont Wegerhoff. Und die wohl bekannteste Filmemacherin Saudi Arabiens, Haifaa al Mansour, sei auch begeistert. Sie hat die deutsch-saudische Koproduktion "Das Mädchen Wadja" gedreht. Sie ist 2012 herausgekommen und war damals bei den Filmfestspielen in Venedig eine kleine Sensation und gilt als der erste komplett in Saudi-Arabien gedrehte Kinofilm überhaupt. Diese Haifaa al Mansour freut sich riesig über diese Premiere heute Abend. Das hat sie in einem Interview mit dem US-Radio gesagt. Ihr Mann ist Amerikaner. Sie sagte:
"Es ist großartig, Film und Unterhaltung in ein Land wie Saudi Arabien zu bringen. Wir haben eine sehr junge Bevölkerung. Das Land wurde gern das als Königreich der Langeweile bezeichnet. Es ist schön, dass man jetzt Filme schauen kann. Und es sehr wichtig, von militanten Ideen abzulenken und dieser konservativen Literatur, die sehr dominant in dieser Gesellschaft sind. Und es ist wichtig, dass die junge Generation das Gefühl bekommt, ein Teil dieser Welt zu sein und nicht dagegen. Ich blicke wirklich gespannt auf Saudi-Arabiens Zukunft."
Regisseurin musste Anweisungen per Walkie-Talkie geben
Es seien zum Teil völlig absurde Bedingungen gewesen, unter denen Haifaa al Mansour als Frau gearbeitet hat, erzählt Wegerhoff. An den Drehorten außerhalb der Studios musste Haifaa al Mansour ihre Anweisungen per Walkie-Talkie aus einem Kleinbus heraus geben. Eine Frau könne in Saudi-Arabien nicht auf der Straße stehen und Männern sagen, was sie zu tun haben. Da hoffe Al-Mansour nun auf Besserung. Sie wurde vor elf Tagen vom saudi-arabischen Kulturminister in ein neues Gremium berufen, das die neuen kulturellen Aktivitäten des Landes fördern soll.
(cosa)