Saudi-Arabien und der Khashoggi-Mord

Alles wieder gut nach zwei Jahren?

23:06 Minuten
Bei einer Protestdemonstration wegen der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul trägt ein Teilnehmer eine Maske mit dem Konterfei des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.
Protest vor dem saudischen Konsulat in Istanbul - Demonstranten machen Kronprinz Mohammed bin Salman für die Ermordung von Jamal Khashoggi verantwortlich. © imago / Depo Photos
Carsten Kühntopp im Gespräch mit Isabella Kolar |
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Bei lebendigem Leib zersägt – der Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi verursachte einen internationalen Aufschrei der Empörung. Zwei Prozesse später sind Handlanger verurteilt, nicht aber die Hintermänner. Werden sie je gefunden?
Bei dem jüngsten virtuellen G20-Gipfel, den Saudi-Arabien ausrichtete, waren der ermordete Regimekritiker Khashoggi und die Verwicklung des saudischen Königshauses in die Tat nur noch ein Randthema.
Die Staatsführung wolle den Fokus weg von dem "fürchterlichen Verbrechen" – so die offizielle Sprachregelung – und mehr auf die positiven Dinge lenken, sagt unser Korrespondent Carsten Kühntopp.
Jamal Khashoggi bei einer Pressekonferenz 2014.
Jamal Khashoggi bei einer Pressekonferenz 2014. Vier Jahre später wurde der Journalist bestialisch ermordet.© picture alliance / AP Photo / Hasan Jamali
Doch der bestialische Mord an Khashoggi lässt sich auch zwei Jahre danach nicht einfach aus dem öffentlichen Gedächtnis tilgen, zumal der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman weiterhin unter Verdacht steht, den Mord an Khashoggi angeordnet zu haben. Zu diesem Schluss kam der US-Geheimdienst CIA bereits im November 2018 – eine Einschätzung, die der US-Senat teilte. Nachweisen konnte man dem saudischen Kronprinzen bisher allerdings nichts.

Die Geschichte des Mordes an Jamal Khashoggi

Am 2. Oktober 2018 tötete ein Sonderkommando aus Riad Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul brutal, als er Papiere für seine geplante Hochzeit abholen will. Die "Washington Post" zitiert eine anonyme Quelle, die Kenntnis von Video- und Tonaufnahmen aus dem saudischen Konsulat haben soll: Demnach belegen die Bänder, dass Khashoggi erst verhört, dann gefoltert und schließlich ermordet wurde.

Das saudische Königshaus hält zunächst daran fest, nichts mit dem Verschwinden Khashoggis zu tun zu haben. Spät erfolgt eine dramatische Kehrtwende: Die Saudis geben zu, dass Khashoggi im Istanbuler Konsulat gewaltsam ums Leben gekommen sei. Das Königreich stellt den Tod des Journalisten jedoch als Unfall dar. Khashoggi sei bei einem Streit, der in einen "Faustkampf" ausartete, unbeabsichtigt getötet worden.

Laut offiziellen Angaben aus Riad wurden fünf Regierungsvertreter entlassen und 18 Verdächtige inhaftiert. Sie sollen allem Anschein nach als Sündenböcke herhalten, damit der unter Verdacht stehende Kronprinz Mohammed bin Salman entlastet wird.

Porträt Mohammed bin Salman Al Saud beim G20-Gipfel in Riad.
Auftraggeber des Mordes an Khashoggi? - Viele Spuren führen zum saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman© imago / Xinhua
Carsten Kühntopp hält als Alternative zum Mordkomplott auch für möglich, dass das saudische Kommando Khashoggi entühren und nach Riad holen wollte, um ihn so zum Schweigen zu bringen. Was eventuell fehlschlug, weil Khashoggi sich weigerte und dann getötet wurde.

Mit im Team: Gerichtsmediziner mit Knochensäge

Es sei allerdings schon sehr interessant, dass ein Mitglied des Teams ein Gerichtsmediziner gewesen sei, der nach Angaben türkischer Quellen eine Knochensäge mit sich geführt habe. Da könne man schwer argumentieren, dass die Absicht eine friedliche gewesen sei.
Ein kahlköpfiger Mann mit Brille und kariertem Hemd steht in einem Großraumbüro.
Carsten Kühntopp, ARD-Korrespondent in Kairo. Er berichtet über Ägypten, den gesamten arabischen Raum von Libyen bis Oman und Syrien bis zum Südsudan.© Theresa Högner, Bayerischer Rundfunk
Insgesamt sei sehr schwer einzuschätzen, was hinter den hohen Mauern in Riad passiere, sagt Carsten Kühntopp. Aber im Wesentlichen gehe es um zwei Männer aus Mohammeds direktem Umkreis, die mit diesem Verbrechen zu tun gehabt haben sollen: ein ranghoher Geheimdienstler und ein Berater des Kronprinzen. Zwei Personen, die nicht verurteilt wurden, sondern einfach von der Bühne verschwanden. Das findet unser Korrespondent sehr eigenartig.

Aufklärung: zwei Prozesse in Riad und Istanbul

Es gibt beziehungsweise gab zwei Prozesse, die sich mit dem Mord an Jamal Khashoggi befassten: einer in Riad, der im September zu Ende gegangen ist, und einer am Tatort Istanbul, der noch läuft und erst in der vergangenen Woche wieder tagte.
In Riad gab es laut Kühntopp zunächst sehr hohe Strafen, auch Todesstrafen. Doch dann vergab die Familie von Khashoggi den Tätern öffentlich. Eine Voraussetzung dafür, dass die Todesstrafen in bis zu zwanzigjährige Haftstrafen umgewandelt werden konnten. Carsten Kühntopp stellt aber fest, dass die mutmaßlichen Drahtzieher dieses Verbrechens nie vor Gericht erschienen sind.
Auch in dem Prozess in Istanbul führt eine eindeutige Spur zu Mohammed bin Salman. Einer von dessen Beratern soll Khashoggi persönlich bedroht haben, wie dieser seinem Freund erzählte. Das passe zu der Art und Weise, wie das Umfeld des Kronprinzen mit Kritik umgehe, sagt Kühntopp: Die Leute würden bedroht, man gebe ihnen zu verstehen, dass sie zu schweigen hätten. Je mächtiger Mohammed bin Salman in den letzten Jahren geworden sei, desto größer sei die Angst unter den Menschen in Saudi-Arabien geworden.

Sanktionen sind auch keine Lösung

Sanktionen wie das deutsche Waffenembargo, das noch bis Ende Dezember gilt, tangierten die Saudis nicht, so Kühntopp. Sie hätten genug Geld und genug Alternativen.
Das Dilemma sei, dass Saudi-Arabien zu groß und zu mächtig sei, als dass man hier wirklich auf einen Sanktionskurs gehen könnte, der dem Land schaden würde. Denn letztlich würden wir uns damit selbst schaden, findet unser Korrespondent.
(ik)
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