Sautter: Identitätskrise junger Muslime schuld an Radikalisierung
Die Journalistin und Buchautorin Claudia Sautter sieht die religiöse Radikalisierung vieler junger Moslems durch eine Identitätskrise verursacht. Sie seien auf Sinnsuche, sagte Sautter im Deutschlandradio Kultur, und der Islam begründe Identität. Um einen friedlichen Islam zu predigen, sollte die Ausbildung der Imame in Deutschland entsprechend vorgenommen werden.
Schlesinger: Peter Sloterdijk sieht eine dunkle Zukunft voraus im arabischen Raum und spricht von der "Bevölkerungswaffe der Islamisten". Hier im Radiofeuilleton sprach er vor zwei Tagen von einem Zusammenhang zwischen Demographie und kriegerischer Gewalt. Was ist dran an dieser These? Darüber diskutiere ich mit Claudia Sautter. Sie ist Autorin des neuen Buches "Kinder des Dschihad", in dem es um die neue Generation des islamistischen Terrors geht. […] Claudia Sautter, Sie waren Jahre lang Korrespondentin für die ARD in Nordafrika. Sie haben nun mit zwei Kollegen das Buch "Kinder des Dschihad" geschrieben, in dem es um die neue Generation des islamistischen Terrors geht. Guten Morgen.
Sautter: Guten Morgen.
Schlesinger: Frau Sautter, was halten Sie von dem Zusammenhang den Peter Sloterdijk hier auftut, dem Zusammenhang zwischen dem hohen Bevölkerungswachstum im arabischen Raum und dem islamistischen Terror?
Sautter: Nicht viel, denn das, was da als These vorgetragen wird, führt nicht wirklich weiter zu Erkenntnissen, warum sich junge Muslime und auch Musliminnen radikalisieren. Wir haben vielmehr herausgefunden in unseren Recherchen, dass junge Leute auf der Sinnsuche sind, nach Sinnangeboten suchen und der Islam ist eine und er begründet Identität. Das war das, was wir in unseren Recherchen festgestellt haben. Also es ist nicht der demographische Überschuss.
Schlesinger: Welche Rollen, welche anderen Gründe gibt es noch, dass Jugendliche sich von radikalen Islamisten angesprochen fühlen?
Sautter: Ich kann Ihnen ein Beispiel geben. Wir waren in England und haben versucht herauszufinden, warum junge Briten pakistanischer Herkunft Bombenanschläge in U-Bahnen machen und haben herausgefunden, dass diese sich in ihren Gesellschaften diskriminiert fühlen, dass sie begriffen haben, wer sind wir denn, wir sind ja nicht wirklich Briten, obwohl wir in England geboren sind. Wer sind wir? Wir sind Muslime. Und wir sehen, wenn wir auf die Weltkarte schauen, wie Muslime überall behandelt werden.
Dann haben diese Leute das Gefühl, der Westen führt einen Kampf gegen Muslime, ob das in Afghanistan ist oder im Irak oder jetzt auch im Libanon, dass der Westen sich zu einer großen Verschwörung zusammen getan hat gegen Muslime und dass jeder einzelne Muslim die persönliche Pflicht hat, muslimische Erde oder muslimische Brüder zu verteidigen.
Ich weiß, dass klingt sehr wirr, gerade in einer säkularen Gesellschaft. Aber alle Menschen, mit denen wir gesprochen haben, Jugendliche, die im Trainingslager waren und Jugendliche, die auf dem Weg waren sozusagen in den Dschihad, die haben uns das als Begründung genannt und ich nehme das ernst.
Schlesinger: Gibt es ein Schlüsselereignis, das dafür steht, dass sich die Jugendlichen radikalisiert haben? Denn die Eltern waren ja noch viel gemäßigter.
Sautter: Die Eltern kamen aus ländlichen Zusammenhängen, meistens war das Pakistan oder Marokko oder Algerien, und sind nach Europa gekommen, um hier Jobs zu finden in den 70er Jahren. Deren Söhne haben nicht mehr die ländliche Armut erlebt, sondern sie haben erlebt, dass sie in Schulen diskriminiert wurden oder am Arbeitsplatz.
Und sie haben dann gesehen, z.B. in Bosnien werden Muslime angegriffen. Das war 1995, wo Srebrenica, die Stadt, bombardiert wurde von Serben und da haben sehr viele Jugendliche gesehen, ja es eilt ja niemand herbei, um Muslime zu verteidigen in Europa. Sie selber sind dann herbeigeeilt, in Hilfsorganisationen, haben sich zum Teil auch ausbilden lassen, um dort zu kämpfen.
Das war ein Schlüsselerlebnis, haben uns auch ganz viele unserer Gesprächspartner gesagt. Da hat es angefangen. Dann haben sie weiter gesehen. In Tschetschenien gibt es Muslime, die bedroht werden. Dann haben sie gesehen, nach den Anschlägen von New York und Washington, dass Afghanistan bombardiert wurde. Das wurde als Krieg gegen Muslime begriffen. Und das waren alles Anlässe, dass sich Jugendliche radikalisiert haben und sich Predigern angeschlossen haben und sozusagen den Sirenengesang des Dschihad erhört haben.
Schlesinger: Gibt es spezifische Milieus, wo Sie radikale Islamisten verorten würden?
Sautter: Das Problem ist, dass Sie gar kein Muster erkennen können. Es gibt reiche Familien, Osama Bin Laden ist sozusagen ein Rollenmodell dafür, ein Milliardärssohn aus Saudi-Arabien. Mohammed Atta, der hier Anführer der Hamburger Zelle war, die die Anschläge von New York und Washington 2001 vorbereitet haben, kommt aus eine wohlhabenden ägyptischen Familie. Wir haben in Ulm auch Menschen getroffen, wo die Eltern gebildete Muslime waren. Also Sie können es aus armen Milieus herleiten, Sie können es auch aus reichen Milieus herleiten. Da gibt es kein spezifisches Muster. Und das, was Herr Peter Sloterdijk sagte: "Schauen Sie auf kinderreiche Familien, das sind Brutstätten des Terrors", das stimmt so nicht.
Schlesinger: Peter Sloterdijk, der ja mit sehr drastischen Vokabeln den radikalen Islam im arabischen Raum beschrieben hat, er äußert sich recht hoffnungsvoll, wenn es um den Islam in Europa geht. Er sagt, es stünde eine Europäisierung des Islam bevor. Und nun gibt es ja in der Tat nicht nur Kinder des Dschihad in Europa. Glauben Sie an eine Europäisierung des Islam?
Sautter: Das ist keine Glaubensfrage. Man muss gucken, wie die einzelnen Länder mit großen muslimischen Gemeinschaften umgehen. Ich denke, ganz sicher ist notwendig verstärkt darauf zu achten, wer lehrt hier in Moscheen und kriegen wir es hin, dass wir eine staatliche Ausbildung haben, in denen Imame, also Menschen, die die Befähigung und Berechtigung haben zu predigen, dass das ein Islam ist, der auf Frieden und Verständigung und nicht auf eine fundamentalistische Auslegung hin gerichtet ist. Das finde ich sehr wichtig.
Ich kann allerdings noch nicht erkennen, dass dies breit in Europa gemacht wird. Da haben wir erst Anfänge. In Münster gibt es erst eine Universität. Und was man bislang eben noch hat, ist dass, sei es aus Nordafrika oder aus der Türkei, Lehrer geschickt werden, also Imame, wo man zum Teil nicht weiß, was die lehren. Ich finde das einen Schlüsselpunkt, um anzusetzen, wie kriegt man das in den Griff, erstmal ein Auge darauf zu haben, was gelehrt wird.
Und das zweite ist: Was ist ein europäischer Islam? Ich kann das nicht genau erkennen. Es gibt Theoretiker davon, aber die leben alle hier in Europa und werden wenig gelesen und haben schon gar keinen Einfluss darauf, was in jeder einzelnen Moschee zwischen Paris und Neu-Ulm passiert.
Schlesinger: Ihr Kollege, Michael Hanfeld, der mit an dem Buch geschrieben hat, war in Afghanistan in einer Koranschule der Taliban. Vielleicht können sie kurz sagen, wie er das überhaupt geschafft hat, da rein zu kommen und welche Erfahrungen er dort gemacht hat.
Sautter: Er hat sie sich angeguckt. Diese Schule ist sozusagen im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan. Die ist zugänglich. Da kann man hingehen. Man muss allerdings auf dem Weg dorthin sich Sicherheitskräfte kaufen, die einen begleiten. Das ist eine Schule, die schon sehr früh gegründet wurde, 1947, damals sind drei Schüler im Jahr davon abgegangen, inzwischen sind es 800. Und die werden religiös vorbereitet auf islamische und arabische Kultur, die richtige Auslegung des Korans, auf die Abwehr falscher Glaubensrichtungen. Also man könnte sagen, sie werden dort ideologisch geschult. Und das sind Leute, die dann zum Teil nach Europa geschickt werden, zum Teil aber jetzt, wir sehen es ja in Afghanistan, auch zum Kämpfen geschickt werden. Und da sind die Taliban, jedenfalls der Leiter dieser Schule, sehr offen gewesen und hat erzählt, was ist unser Lehrstoff und wie begreifen wir uns. Es war möglich und wir waren sehr stolz darauf, dass unser Kollege dahin konnte.
Schlesinger: Sie haben ja nun radikale Moslems nicht nur in Europa, sondern in Afghanistan, in Marokko, in Pakistan gesprochen. Nun lassen sich diese Länder ganz bestimmt nicht über einen Kamm scheren. Welche Unterschiede haben Sie ausgemacht?
Sautter: Wie meinen Sie das mit Unterschieden?
Schlesinger: Unterschiede zwischen den einzelnen radikalen Islamisten, mit denen Sie gesprochen haben.
Sautter: Es gibt mit Sicherheit einen Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten. Das sehen Sie übrigens jetzt auch im Libanon. Man sagt immer, die Schiiten seien radikaler, und in Teilen stimmt das auch. In Marokko haben wir mit Jugendlichen gesprochen, die eigentlich erst mal in ihren eigenen Ländern kämpfen wollen gegen ihre Regierungen, die sie als vom wahren Glauben abgefallen brandmarken.
Wir haben aber auch mit Jugendlichen gesprochen, z.B. in Jordanien, die gesagt haben, wir gehen in den Irak und kämpfen dort gegen die Besatzer, die Kreuzfahrer und Zionisten, also Juden und Amerikaner, und wenn wir den Irak befreit haben, dann kommen wir zurück, befreien unsere eigenen Länder. Wo immer Muslime angegriffen werden, das kann auch in Paris sein, werden wir dort sein.
Schlesinger: Die Journalistin Claudia Sautter über die Ursachen des radikalen Islamismus, über das, was man dagegen tun könnte, und über ihr Buch "Kinder des Dschihad. Die neue Generation des islamistischen Terrors in Europa". Das Buch hat sie zusammen mit Souad Mekhennet und Michael Hanfeld geschrieben. Es erscheint im Piper-Verlag Ende dieses Monats. Vielen Dank, Claudia Sautter, für dieses Gespräch.
Sautter: Ich danke Ihnen.
Sautter: Guten Morgen.
Schlesinger: Frau Sautter, was halten Sie von dem Zusammenhang den Peter Sloterdijk hier auftut, dem Zusammenhang zwischen dem hohen Bevölkerungswachstum im arabischen Raum und dem islamistischen Terror?
Sautter: Nicht viel, denn das, was da als These vorgetragen wird, führt nicht wirklich weiter zu Erkenntnissen, warum sich junge Muslime und auch Musliminnen radikalisieren. Wir haben vielmehr herausgefunden in unseren Recherchen, dass junge Leute auf der Sinnsuche sind, nach Sinnangeboten suchen und der Islam ist eine und er begründet Identität. Das war das, was wir in unseren Recherchen festgestellt haben. Also es ist nicht der demographische Überschuss.
Schlesinger: Welche Rollen, welche anderen Gründe gibt es noch, dass Jugendliche sich von radikalen Islamisten angesprochen fühlen?
Sautter: Ich kann Ihnen ein Beispiel geben. Wir waren in England und haben versucht herauszufinden, warum junge Briten pakistanischer Herkunft Bombenanschläge in U-Bahnen machen und haben herausgefunden, dass diese sich in ihren Gesellschaften diskriminiert fühlen, dass sie begriffen haben, wer sind wir denn, wir sind ja nicht wirklich Briten, obwohl wir in England geboren sind. Wer sind wir? Wir sind Muslime. Und wir sehen, wenn wir auf die Weltkarte schauen, wie Muslime überall behandelt werden.
Dann haben diese Leute das Gefühl, der Westen führt einen Kampf gegen Muslime, ob das in Afghanistan ist oder im Irak oder jetzt auch im Libanon, dass der Westen sich zu einer großen Verschwörung zusammen getan hat gegen Muslime und dass jeder einzelne Muslim die persönliche Pflicht hat, muslimische Erde oder muslimische Brüder zu verteidigen.
Ich weiß, dass klingt sehr wirr, gerade in einer säkularen Gesellschaft. Aber alle Menschen, mit denen wir gesprochen haben, Jugendliche, die im Trainingslager waren und Jugendliche, die auf dem Weg waren sozusagen in den Dschihad, die haben uns das als Begründung genannt und ich nehme das ernst.
Schlesinger: Gibt es ein Schlüsselereignis, das dafür steht, dass sich die Jugendlichen radikalisiert haben? Denn die Eltern waren ja noch viel gemäßigter.
Sautter: Die Eltern kamen aus ländlichen Zusammenhängen, meistens war das Pakistan oder Marokko oder Algerien, und sind nach Europa gekommen, um hier Jobs zu finden in den 70er Jahren. Deren Söhne haben nicht mehr die ländliche Armut erlebt, sondern sie haben erlebt, dass sie in Schulen diskriminiert wurden oder am Arbeitsplatz.
Und sie haben dann gesehen, z.B. in Bosnien werden Muslime angegriffen. Das war 1995, wo Srebrenica, die Stadt, bombardiert wurde von Serben und da haben sehr viele Jugendliche gesehen, ja es eilt ja niemand herbei, um Muslime zu verteidigen in Europa. Sie selber sind dann herbeigeeilt, in Hilfsorganisationen, haben sich zum Teil auch ausbilden lassen, um dort zu kämpfen.
Das war ein Schlüsselerlebnis, haben uns auch ganz viele unserer Gesprächspartner gesagt. Da hat es angefangen. Dann haben sie weiter gesehen. In Tschetschenien gibt es Muslime, die bedroht werden. Dann haben sie gesehen, nach den Anschlägen von New York und Washington, dass Afghanistan bombardiert wurde. Das wurde als Krieg gegen Muslime begriffen. Und das waren alles Anlässe, dass sich Jugendliche radikalisiert haben und sich Predigern angeschlossen haben und sozusagen den Sirenengesang des Dschihad erhört haben.
Schlesinger: Gibt es spezifische Milieus, wo Sie radikale Islamisten verorten würden?
Sautter: Das Problem ist, dass Sie gar kein Muster erkennen können. Es gibt reiche Familien, Osama Bin Laden ist sozusagen ein Rollenmodell dafür, ein Milliardärssohn aus Saudi-Arabien. Mohammed Atta, der hier Anführer der Hamburger Zelle war, die die Anschläge von New York und Washington 2001 vorbereitet haben, kommt aus eine wohlhabenden ägyptischen Familie. Wir haben in Ulm auch Menschen getroffen, wo die Eltern gebildete Muslime waren. Also Sie können es aus armen Milieus herleiten, Sie können es auch aus reichen Milieus herleiten. Da gibt es kein spezifisches Muster. Und das, was Herr Peter Sloterdijk sagte: "Schauen Sie auf kinderreiche Familien, das sind Brutstätten des Terrors", das stimmt so nicht.
Schlesinger: Peter Sloterdijk, der ja mit sehr drastischen Vokabeln den radikalen Islam im arabischen Raum beschrieben hat, er äußert sich recht hoffnungsvoll, wenn es um den Islam in Europa geht. Er sagt, es stünde eine Europäisierung des Islam bevor. Und nun gibt es ja in der Tat nicht nur Kinder des Dschihad in Europa. Glauben Sie an eine Europäisierung des Islam?
Sautter: Das ist keine Glaubensfrage. Man muss gucken, wie die einzelnen Länder mit großen muslimischen Gemeinschaften umgehen. Ich denke, ganz sicher ist notwendig verstärkt darauf zu achten, wer lehrt hier in Moscheen und kriegen wir es hin, dass wir eine staatliche Ausbildung haben, in denen Imame, also Menschen, die die Befähigung und Berechtigung haben zu predigen, dass das ein Islam ist, der auf Frieden und Verständigung und nicht auf eine fundamentalistische Auslegung hin gerichtet ist. Das finde ich sehr wichtig.
Ich kann allerdings noch nicht erkennen, dass dies breit in Europa gemacht wird. Da haben wir erst Anfänge. In Münster gibt es erst eine Universität. Und was man bislang eben noch hat, ist dass, sei es aus Nordafrika oder aus der Türkei, Lehrer geschickt werden, also Imame, wo man zum Teil nicht weiß, was die lehren. Ich finde das einen Schlüsselpunkt, um anzusetzen, wie kriegt man das in den Griff, erstmal ein Auge darauf zu haben, was gelehrt wird.
Und das zweite ist: Was ist ein europäischer Islam? Ich kann das nicht genau erkennen. Es gibt Theoretiker davon, aber die leben alle hier in Europa und werden wenig gelesen und haben schon gar keinen Einfluss darauf, was in jeder einzelnen Moschee zwischen Paris und Neu-Ulm passiert.
Schlesinger: Ihr Kollege, Michael Hanfeld, der mit an dem Buch geschrieben hat, war in Afghanistan in einer Koranschule der Taliban. Vielleicht können sie kurz sagen, wie er das überhaupt geschafft hat, da rein zu kommen und welche Erfahrungen er dort gemacht hat.
Sautter: Er hat sie sich angeguckt. Diese Schule ist sozusagen im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan. Die ist zugänglich. Da kann man hingehen. Man muss allerdings auf dem Weg dorthin sich Sicherheitskräfte kaufen, die einen begleiten. Das ist eine Schule, die schon sehr früh gegründet wurde, 1947, damals sind drei Schüler im Jahr davon abgegangen, inzwischen sind es 800. Und die werden religiös vorbereitet auf islamische und arabische Kultur, die richtige Auslegung des Korans, auf die Abwehr falscher Glaubensrichtungen. Also man könnte sagen, sie werden dort ideologisch geschult. Und das sind Leute, die dann zum Teil nach Europa geschickt werden, zum Teil aber jetzt, wir sehen es ja in Afghanistan, auch zum Kämpfen geschickt werden. Und da sind die Taliban, jedenfalls der Leiter dieser Schule, sehr offen gewesen und hat erzählt, was ist unser Lehrstoff und wie begreifen wir uns. Es war möglich und wir waren sehr stolz darauf, dass unser Kollege dahin konnte.
Schlesinger: Sie haben ja nun radikale Moslems nicht nur in Europa, sondern in Afghanistan, in Marokko, in Pakistan gesprochen. Nun lassen sich diese Länder ganz bestimmt nicht über einen Kamm scheren. Welche Unterschiede haben Sie ausgemacht?
Sautter: Wie meinen Sie das mit Unterschieden?
Schlesinger: Unterschiede zwischen den einzelnen radikalen Islamisten, mit denen Sie gesprochen haben.
Sautter: Es gibt mit Sicherheit einen Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten. Das sehen Sie übrigens jetzt auch im Libanon. Man sagt immer, die Schiiten seien radikaler, und in Teilen stimmt das auch. In Marokko haben wir mit Jugendlichen gesprochen, die eigentlich erst mal in ihren eigenen Ländern kämpfen wollen gegen ihre Regierungen, die sie als vom wahren Glauben abgefallen brandmarken.
Wir haben aber auch mit Jugendlichen gesprochen, z.B. in Jordanien, die gesagt haben, wir gehen in den Irak und kämpfen dort gegen die Besatzer, die Kreuzfahrer und Zionisten, also Juden und Amerikaner, und wenn wir den Irak befreit haben, dann kommen wir zurück, befreien unsere eigenen Länder. Wo immer Muslime angegriffen werden, das kann auch in Paris sein, werden wir dort sein.
Schlesinger: Die Journalistin Claudia Sautter über die Ursachen des radikalen Islamismus, über das, was man dagegen tun könnte, und über ihr Buch "Kinder des Dschihad. Die neue Generation des islamistischen Terrors in Europa". Das Buch hat sie zusammen mit Souad Mekhennet und Michael Hanfeld geschrieben. Es erscheint im Piper-Verlag Ende dieses Monats. Vielen Dank, Claudia Sautter, für dieses Gespräch.
Sautter: Ich danke Ihnen.