Privat finanziert – im Dienste der Öffentlichkeit?
Ein privat finanziertes Theater mit öffentlichem Programmauftrag – geht das? Bankerin Mélanie Biessy versucht den Spagat zwischen Investorenlogik und künstlerischer Verpflichtung derzeit mit der Scala in Paris. Ein zwiespältiges Vorhaben.
Noch vor kurzem war die Grenze zwischen den Pariser Privattheatern und den öffentlichen Bühnen scharf gezogen. Die einen präsentierten Medienstars in Erfolgstücken mit monatelangen, manchmal jahrelangen Aufführungsserien; die anderen zeigten anspruchsvolle Bühnenkunst mit diversen künstlerischen Profilen. Aber schon in den letzten beiden Spielzeiten ist diese Grenze etwas durchlässiger geworden.
Was aber nun in der Scala unter Präsidentschaft der Großinvestorin Mélanie Biessy geschieht, ist ein völlig neues Konzept von privater Finanzierung eines künstlerisch anspruchsvollen Spielplans.
"Das wird ein Privattheater mit öffentlichem Programmauftrag sein. Wenn ich heute massiv investiere, dann weil ich ein völlig neues Finanzierungsmodell auflegen will, dass der Öffentlich-Privaten-Partnerschaft entspricht. Normalerweise finanziert der Staat die Kultur. Aber zusammen mit meiner neuen Equipe möchte ich Privatinvestoren zum zusätzlichen Hebel für die Finanzierung machen. Sie könnten potenziell sogar zum Retter des Staates werden."
Experten aus dem öffentlichen Theatersektor mit dabei
Große Worte. Mélanie Biessy und ihr Mann, der Theaterproduzent Frédéric Biessy, gehen mit dem ehrgeizigen Ziel an den Start, sechs Millionen Euro an Sponsorengeldern für den Spielbetrieb einzusammeln, der im Jahr insgesamt 18 Millionen kosten soll. Die fehlenden zwölf Millionen sollen aus dem Verkauf von Eintrittskarten erwirtschaftet werden. Mélanie Biessy ist keine reiche Erbin, die sich einen Kulturwunsch erfüllen will, sie stützt sich auf Erfahrungen als Bankerin und Managerin von Infrastrukturfonds.
"Ich glaube an Risikobereitschaft. Ich mag das Unternehmerische. In der Public-Private-Equity arbeite ich seit 15 Jahren. Wir sammeln das Geld für Investitionen in die Infrastruktur. Wir generieren Rentabilität, aber mit verantwortlicher Zielsetzung und im Dienste der Öffentlichkeit."
Um den Spagat zwischen Investorenlogik und künstlerischer Verpflichtung zu beglaubigen, hat sich Biessy mit Experten aus dem öffentlichen Theatersektor und namhaften Medien umgeben: Executiv-Director ist Pierre-Yves Lenoir, der zuvor als Administrateur am staatlichen Odéon-Theater arbeite. Als künstlerische Berater fungiert der ehemalige "Le Monde"-Kulturjournalist Olivier Schmitt. Den architektonisch aufwendigen Umbau leitete Richard Peduzzi, der mit Bühnenbildern für Regielegende Patrice Chéreau berühmt wurde. Hinter einem schicken Restaurant liegt der Spielraum für 550 Zuschauer. Das Cross-Over der Genres und die Begegnung der Künstler soll gefördert werden.
Der Staat hat den Umbau mit 500.000 Euro unterstützt
Wenn sich jetzt zur Eröffnung tout Paris in der Scala einfinden wird, dann um eine Performance des Choreographen und Zirkuskünstlers Yoann Bourgeois zu sehen. Sein Stück heißt wie der Spielort. "Scala" ist eine Hommage an das vor 140 Jahren erbaute Revuetheater, das der Mailänder Scala nachempfunden ist. Hier traten Chansonstars auf, später wurde es zum Art-Déco-Filmpalast umgebaut. In den 1970er-Jahren setzt dann sein Untergang ein: Die Scala wurde zum Porno-Multiplex umgebaut und endete als Versammlungsraum einer brasilianischen Sekte.
Nach dem Radikalumbau sollen hier in Zukunft Künstler wie Alain Platel oder Romeo Castellucci arbeiten, ebenso wie französische Nachwuchstalente, Thomas Jolly zum Beispiel. Der Staat hat den architektonischen Umbau mit 500.000 Euro unterstützt. Ob der laufende Betrieb dieses neuen Privattheaters zu finanzieren ist, hängt jetzt davon ab, ob Mélanie Biessy wirklich Investoren findet. Investoren, die sonst immer nur am Erwerb materieller Kunstobjekte ihren Spaß hatten, hier aber für das Immaterielle der flüchtigen Bühnenkunst gewonnen werden sollen.
Chris Dercon jedenfalls ist das in Berlin mitglückt. Wenn es aber gelänge, ginge von der Scala ein sehr ambivalentes Signal aus. Dieses Signal könnte sparwütige Politiker in dem Glauben bestärken, die öffentliche Hand könne sich auf Dauer aus der Kulturförderung verabschieden.