Schach als digitales Spektakel

Von Michael Engel |
Um Schach auch für Kinder attraktiv zu machen, haben sich Medienwissenschaftler der Uni Paderborn etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Sie entwickelten ein Schachprogramm voller Action, das heißt, hier kämpfen die Figuren gegeneinander wie auf einem Schlachtfeld.
Matthias Struckmeier schaut auf einen Computerbildschirm, auf dem zwei altertümlich aussehende Soldaten mit Schwert und Lanze kämpfen. Mit einem sogenannten "Game-Pad" – einem Steuergerät mit zahlreichen Knöpfen – lenkt der Student der Informatik seine virtuelle Figur. Auf dem Bildschirm sieht man eine halb zerfallene Tempelanlage, in der sich die beiden Kämpfer gegenüber stehen. Matthias Struckmeier ist voll konzentriert.

"Ich geh’ halt jetzt mit dem Läufer und greife Claudias Bauern an. Wir sehen hier auch noch, dass ich hier ein Fernkämpfer bin und Claudia ein Nahkämpfer, das heißt, wir haben auch zwei verschiedene Arten, gegeneinander zu kämpfen. Und das heißt auch, in diesem Fall kann sie auch gewinnen, und dann ist mein Läufer halt geschlagen."

Geschickt bugsiert Kommilitonin Claudia Schuhmacher ihren Bauern auf eine halb zerstörte Mauer. Ein Sprung von oben, dann ist der Läufer in der Kluft eines römischen Legionärs besiegt. Das alles ganz ohne Blut: Der Gegner kniet nieder und schon ist "der Fight" entschieden. Geeignet auch für sechsjährige.

"Dazu kann ich zum Beispiel meine Sonderfertigkeit 'ein Tritt' einsetzen, mit der ich meinen Gegner zurückstoße und die Chance habe, ihn besser zu treffen. Hier verändern, erweitern wir quasi das Schachspiel, indem die angreifende Figur nicht automatisch gewinnt, sondern indem wir hier das eins gegen eins ausspielen."

Eigentlich hätte Claudia ihren Bauern verlieren müssen im sogenannten Schachbrett-Modus, denn dort wurde sie vom gegnerischen Läufer klar geschlagen. Doch im nachgeschalteten "Battle-" beziehungsweise "Schlachtfeld-Modus", der nach jedem Schachzug automatisch aktiviert wird, kann der unterlegene Spieler den Spieß noch einmal umdrehen, denn dann ist vor allem Geschicklichkeit gefragt.

Jörg Müller-Lietzkow, Professor für Medienorganisation und Mediensysteme der Uni Paderborn, hatte die Idee zu diesem ungewöhnlichen Schachspiel und organisierte ein Seminar, um Studierende aus verschiedenen Fachrichtungen als Entwickler zu gewinnen. 80 Interessenten kamen - darunter Absolventen der Literaturwissenschaft, Designer und Künstler.

"Schach als Spiel, wenn Sie das heute sehen am Computer, da ziehen Sie irgendwelche zweidimensionalen Figuren, das ist eher langweilig. Und wir wollten es anregen, wir wollten es lebendig machen. Denn das können Sie heute mit digitalen Technologien erreichen, dass Sie eben lebendige Spiele haben und trotzdem nicht die Tradition vernachlässigen. Und ich glaube, dass der Mix sehr gut gelungen ist, denn das Feedback bisher, von den Vätern als auch von den Söhnen, war bisher immer sehr, sehr positiv."

Die Entwickler wollten ein Spiel für die ganze Familie schaffen: Für den geübten Erwachsenen, der nach allen Regeln der Kunst spielen kann, aber auch für Tochter und Sohn, die anschließend im "Battle-Modus" ihre Chance ergreifen. Das Computerspiel brilliert mit Animationen: Bauern, Läufer und Damen sind menschliche Figuren, die auf dem Brett herumlaufen, erklärt Matthias Struckmeier.

"Wir haben hier als König zum Beispiel Alexander den Großen, und das sind Figuren, die wirklich animiert sind, die eine authentische Rüstung haben, die alle historisch korrekt sind, und die bewegen sich halt nicht einfach nur auf dem Schachbrett der Läufer durch die Gegend, sondern die sind wirklich animiert und laufen halt."

Figuren, die noch nicht bewegt wurden, ein Schicksal vor allem der Türme oder des Königs, können sich schon mal auf das Spielfeld legen, weil ihnen langweilig geworden ist. Normalerweise geht es beim Schach um "schwarz" oder "weiß". In der virtuellen Variante treten Römer gegen Griechen an, und wir schreiben das Jahr 100 nach Christus. Für die korrekten Gewänder der Figuren war der angehende Historiker Bastian Wendzinski zuständig.

"Natürlich geht’s jetzt ab – Latein. (lacht) Also der klassische Römer trägt die Lorica segmenta – also diesen Schienenpanzer. Hat ein Scutum, ein rechteckiges Scutum, hinterher in der Kaiserzeit und kämpft in der Regel mit einem Gladius, ist auch öfter mit einem Pilum bewaffnet. Das können wir hier auch in diesem Spiel darstellen, durch eine Sonderfertigkeit kann er nämlich am Anfang ein Pilum schleudern. Er trägt natürlich einen Helm, den typischen Helm mit dem Rosshaarkamm oben drauf. So würde man sich den typischen Römer vorstellen."

Neben Historikern wie Bastian Wendzinski entwickelten vor allem Informatik-Studenten das virtuelle Schachspiel. "Shah mat" machte auf der Computerspielemesse in Köln Furore – viele Besucher wollten die Software gleich mitnehmen. Nur leider ist das virtuelle Brettspiel noch nicht im Handel. Die Entwickler wollen noch weiterfeilen, dann einen Verleger suchen, der das alte persische Brettspiel in die Zukunft katapultiert.