Schachweltverband

Mit aller Macht

FIDE-Präsident Kirsan Iljumschinow und Wladimir Putin im Jahr 2006.
Verstehen sich schon seit langem sehr gut: FIDE-Präsident Kirsan Iljumschinow und Wladimir Putin im Jahr 2006. © AFP / DMITRY ASTAKHOV
Von Thomas Jaedicke |
Fast hätte das WM-Turnier in Sotschi gar nicht stattgefunden. Der amtierende Weltmeister Magnus Carlsen wollte wegen der Ukraine-Krise nicht teilnehmen. Dass er jetzt doch dabei ist, hat mit dem Einfluss Russlands auf den Schachweltverband zu tun.
Wäre Magnus Carlsen standhaft geblieben und nicht nach Sotschi gefahren, er hätte seinen Titel kampflos verloren. So sind die Regeln. FIDE-Präsident Kirsan Iljumschinow musste nicht mal selbst eingreifen, um diesen Triumph genüsslich auskosten zu können. Seit fast 20 Jahren führt der ehemalige Präsident Kalmückiens – das ist eine kleine autonome Republik im südlichen Teil des europäischen Russlands - den Schachweltverband.
Schachpräsident erzählt von Außerirdischen
Iljumschinow, der nach dem Zerfall der Sowjetunion wie viele andere Mitglieder der Nomenklatura über Nacht märchenhaft reich wurde, kann ziemlich gut mit Wladimir Putin. In Russland ist Schach Nationalsport. Und deswegen ist der gute Draht des 52-jährigen FIDE-Präsidenten zum mächtigen Mann in Moskau in finanzieller Hinsicht überlebenswichtig fürs Schach. Denn ohne Finanzspritzen aus Russland käme der Weltverband auf keinen grünen Zweig. Seit der Kalmücke 1995 den FIDE-Thron bestieg, sind Sponsoren reihenweise abgesprungen. Denn: Kirsan Nikolajewitsch Iljumschinow ist ziemlich verrückt.
In seiner Heimat, der buddhistischen Republik Kalmückien, ließ er für viel Geld die Weltschachhauptstadt "Chess City" aus dem Wüstenboden stampfen. Er spielte in seiner Eigenschaft als FIDE-Präsident öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzte Schaukämpfe mit Muammar al-Gaddafi und Baschar al-Assad, den schlimmsten Diktatoren unserer Zeit. Außerdem behauptet er hartnäckig, von Außerirdischen entführt worden zu sein. Immer wieder berichtet er davon, wie zum Beispiel vor zwei Jahren im russischen Fernsehen.
Iljumschinow: "Ich sah eine halbtransparente Röhre, durch die er kam. Ich ging durch diese Röhre und sah Leute in gelben Raumanzügen. Ich werde oft gefragt, in welcher Sprache wir uns unterhielten. Vielleicht telepathisch, weil nicht genug Sauerstoff da war. Sie gaben mir zu verstehen: Nur eine kleine Berührung und alles wird gut. Dann führten sie mich durch ihr Raumschiff."
Unterstützung von Putin
Trotzdem wurde Kirsan Iljumschinow im August auf dem FIDE-Kongress in der norwegischen Stadt Tromsö für eine weitere Amtszeit an die Spitze des Weltschachverbandes gewählt. Diesmal schien das Rennen knapper als sonst. Denn Ex-Weltmeister Garri Kasparow forderte ihn heraus. Dass sich Iljumschinow dann doch deutlicher als erwartet durchsetzte, hatte verschiedene Gründe. Viele wahlberechtigte Schachfunktionäre sind ihm bis heute treu ergeben, weil Iljumschinow erreichte, dass Schach 1999 vom Internationalen Olympischen Komitee anerkannt wurde und deswegen mehr Subventionen erhielt. Außerdem bekam der dubiose Schachpräsident wieder Schützenhilfe aus Moskau:
Nach Olympia und Formel-1 in Sotschi wollte Putin, wegen des Ukraine-Konflikts international stark in die Defensive geraten, mit einem weiteren weltweit beachteten Sportevent wie der Schach WM wieder Pluspunkte sammeln. Um seinen politischen Erzfeind Kasparow an der FIDE-Spitze zu verhindern, stattete er Iljumschinow mit vielen Millionen aus, die dieser großzügig an die FIDE-Mitglieder verteilte. Iljumschinow triumphierte. Zum Dank vergab er die Schach-WM ins russische Sotschi. Eine Hand wäscht die andere.
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